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Freitag, 26.07.2002

Stück in 2 Akten. Akt 1: Die Vorhut


Gestern war das Wetter ja noch nicht so toll, aber für heute haben alle Wetterprognosen Besserung gelobt. Ein zunächst noch optimistischer Blick aus dem Schlafzimmerfenster zeigte dann allerdings Regen! Fuck! Aber wir hatten ja noch ein paar Stunden Zeit bis zur Abfahrt. Das wird schon noch. In diesem Jahr geht der erste Tag in zwei Zweierpäckchen vonstatten, da Willi noch bis zum frühen Nachmittag arbeiten muss. Nach einem kurzen Telefonat mit Sven terminierten wir den Abfahrtstermin auf 12:30 Uhr. Inzwischen hatte es auch mit dem Regen aufgehört, nur die Straßen fahren noch etwas feucht ...

Sven kam dann mit einer selbst für seine Verhältnisse bemerkenswerten Verspätung von einer ¾ Stunde an. Das Wetter war inzwischen recht passabel, wenn auch noch nicht bombig. Aber es war trocken!!! [Bild 1] Wir machten uns dann nach einem kurzen Tankstopp auch direkt auf die Piste, tankten noch einmal auf der Autobahn und dann ging's auf die Schauinsland. Größere Sightseeingpausen haben wir uns aber nicht mehr gegönnt, da es inzwischen doch schon etwas kühl wurde.

Nach der glücklichen Ankunft in Herrischried mussten zunächst mal stante pede zwei perfekt temperierte Weizen geleert werden. In diesem Moment wussten wir, der Urlaub hatte begonnen. Wir hatten ein gutes Gefühl. Was sollte denn schon groß passieren? Nach der Begutachtung des Kachelmannwetters vor der Tagesschau steigerte sich unsere Begeisterung noch zu einer kleinen Euphorie. Bombenwetter mindestens über das ganze Wochenende. Na bitte, geht doch. Das haben wir uns verdient. Ebenso haben wir uns dann noch am Abend, als wir dann komplett waren, das leckere Essen in der Knoblauchzehe nebst dem ein oder anderen Weizen verdient ...

Nicht unzufrieden gingen wir schlafen und harrten der Dinge, die da kommen sollten.

Akt 2: Die Nachhut


Richie und Willi trafen sich bei Polo in Frankfurt Hanauer Landstraße um 15 Uhr. Da das Wetter zusehends besser wurde (s.o.), hatten wir ein gutes Gefühl. Doch vor dem eigentlichen Fahrtantritt waren noch einige Konsumbedürfnisse zu befriedigen.

Richie, der Prototyp des willigen Konsumenten, betritt den Motorradladen seines Vertrauens. Seinen Wunschzettel im Kopf braucht er neben einigem Mopped-Zubehör auch ein Bremsscheibenschloß, vorzugsweise mit Alarm. Dem guten Mann kann geholfen werden, denkt der eifrige Polo-Juniorverkäufer, und zieht das passende Produkt aus dem Regal: 115 dB laut, hippes Design in unübersehbarem Neongelb. Kostenpunkt lächerliche einmalige supergünstige 70 Euro. Kaufneigung bei Richie liegt bei mindestens 100%. Das vergleichbare Produkt ohne Schall lag bei ca. 15 EUR, kam aber nicht in die engere Auswahl.

Richie hat bereits die Plastikkarte gezückt, als der freundliche aber unfähige Verkäufer anbietet, das Produkt der Wahl zur Demonstration scharfzustellen, indem die Batterien eingesetzt werden. Als nach endlosen 5 Versuchen die Batterien ordnungsgemäß eingefummelt, die Imbusschrauben wieder angezogen wurden (Kaufneigung weiter bei 98%), hörte man - nichts, betretene Stille bei Polo. Daraufhin sank Richie“s Kaufneigung auf immerhin 90%, die Plastikkarte blieb aber in Griffweite. Der Einwand von Willi, es vielleicht mit dem billigen Modell oder einem konventionellen Kettenschloß zu versuchen, scheiterte daran, daß eben der Alarm fehlte. Der ungelenke Verkäufer - sichtlich bemüht - dem willigen Kunden den 70-Euro-Ramsch immer noch anzudrehen, bekam nun Unterstützung durch seinen Boss. Da muß doch noch was gehen, denkt der, vielleicht mal ein anderes baugleiches Teil aus dem Regal ziehen. Nur DIESEN Kunden nicht von der Angel lassen!

Willi an Richie, nachdem insgesamt eine gute halbe Stunde vergangen war: "Wie wäre es, wenn Du Dir die Sache noch mal in Ruhe überlegst?" Außerdem waren wir auf unserer langen Tour 2002 noch keinen Meter vorwärts gelangt, und heller wurde es auch nicht mehr. Schließlich sollte die Schwarzwaldstrecke am Ende der Tagesetappe noch bei Tageslicht durchmessen werden. Die Kaufneigung sank nun unter die kritische Ist-mir-scheißegal-ich-brauch-so-ein-Teil-Schwelle, und nach einer knappen Stunde im Laden unseres Vertrauens rollten wir schon davon. Ob man bei Polo den Junior-Verkäufer oder das hippe Alarm-Bremsscheibenschloß terminiert hat, ist leider unbekannt.

Der Rest ist schnell erzählt. Über das Offenbacher und das Frankfurter Kreuz ging es auf der A5 immer streng geradeaus. Mit dem Wochenendverkehr rollten wir über Darmstadt und Karlsruhe nach Freiburg-Mitte ab Richtung Schauinsland. Die letzte Tankstelle vor der Traumstrecke jedes Motorradfahrers ergab nach 300 geschwuchtelten Kilometern keine Überraschung. Richie war der klare Sieger des Sprit-Contest. 5,5l/100km auf seiner Monster 900 (mit einem Zahn weniger auf dem vorderen Ritzel und nervösem Gasgriff) gegenüber 4,5l/100km bei Willi“s SV650 (Motto des Fahrers: Ich bin Energiesparer, oder: Willi Wipfel rettet die Bäume). Gewohnt klare Verhältnisse also.

Zu diesem Zeitpunkt schwante Richie schon, dass es dieses Jahr einen gab, der ihn an der Tanke schlagen würde: Sven mit seiner nagelneuen Honda VTR 1000 Firestorm. Satte 19 Liter Tankinhalt, aber nicht vergessen, nach spätestens 200 km nach dem nächsten Zapfrüssel Ausschau zu halten. Aber das sollte auf der Tour 2002 nicht das einzig Merkwürdige an diesem Energievernichter bleiben. Doch dazu später mehr.

Nach dem Auftanken ließ Richie seine italienischen Pferdchen in strammem Galopp an Höhe gewinnen. Über Notschrei , Aftersteg (heißt wirklich so) und Todtmoos ging es nach Herrischried in unser 1000m hoch gelegenes Alpen-Basislager "Palais Hiesberger".