From: Wolfgang Saur, Wolfgang.Saur@gmx.de
Subject: Marokko 99 (1/2, trotzdem lang)
Date: Fri, 07 May 1999 09:34:08 +0200
Organization:

*** posted to drm, mailed to mmm & enduro ***


Die Reisegruppe:
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Stefan , 98er 620SC
Manfred, 89er 600PTHC
Wolfgang 84er 600GS

Tieflader: Golf II Turbodiesel, 280Mm


Die Vorbereitung:
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Chaotisch wie immer, wird's in der Woche vor der Abfahrt dann doch herb
eng, ich schaff's immerhin noch, halbwegs brauchbare Kanisterhalter
zusammen zu braten, Motorschutz und sonstige Kleinigkeiten bleiben
vorläufig aber auf der Strecke.

Bei Manfreds Mühle verreckt 2 Tage vor der Abfahrt die Lima, kann aber
von seiner Werkstatt in einer Nachtaktion gefrickelt werden, aber auch
er schafft ned alles.

Einzig Stefan ist vernuenftig vorbereitet, die lila Hecktanks sehen zwar
etwas gewöhnungsbeduertig aus, ansonsten passt aber so ziemlich alles
bei ihm, sein Skiurlaub gab ihm sogar Gelegenheit, ein paar nette
Tourenvorschläge auszuarbeiten.


Die Anfahrt:
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Donnerstag Nacht um 11 treffen Stefan und ich in Speyer ein, um Handi
und die KTM aufzusammeln. Der Golf ist *rappelvoll*, trotz grosser
Dachbox bleibt nur noch die halbe Rücksitzbank übrig. Mit den 3 KTMs auf
dem Hänger geht die arme Dose hinten heftig in die Knie, schon ohne
Besatzung schaut das einigermassen krass aus, nunja.

Die eigentliche Anfahrt quer durch Frankreich nach Spanien runter
verläuft dann überraschend problemlos, samt der üblichen
Raststättenschlafsackübernachtung.


Die erste Nacht in Afrika:
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Samstag abend benhuren (2 Mann hinten aufm Hänger, da sonst der Golf
aufsetzt) wir von der Fähre runter und rollen durch Nador mit dem
nächstgelegenen Campingplatz als Ziel. Kurz hinter dem Ort pfeift es
kurz und schmerzlos und der Golf sackt links hinten runter. Wir ahnen
schlimmes, benhuren zur Tanke 100m zurück und nehmen die kranke Dose in
Augenschein. Nach Entfernen der Radlagerkappe kommt uns das Rollenlager
in Spänen entgegen, 3 oder 4 Rollen konnten sich noch halten, der Rest
war zerbröselt. Natürlich hat auch der Lagerring auf der Achse gefressen
und ging mit Hausmitteln ned runter, alles in allem ein suboptimaler
Auftakt.

Wir beschliessen, erstmal im Hinterhof der Tanke zu nächtigen, inmitten
von LKW-Wracks und Öllachen, sehr nett.
Immerhin, Stühle und Tisch werden uns leihweise überlassen, der
Dosenmampf schmeckt auch ned übel, desgleichen der Glenfiddich. 

Am nächsten Tag machen wir uns hoffnungsvoll ans Werk und probieren
zunächst, den Drecksinnenring irgendwie runter zu kriegen, aber alle
Pfuschmethoden versagen. Einer der umstehenden Jungs zaubert irgendwann
eine alte Bosch-Flex hervor, mit der man zur Not wohl auch eine Brücke
hätte zerlegen können. Der Ring ist damit dann schnell ab, die Achse
wurde aber a bisserl auftraggeschweisst und sieht relativ mitgenommen
aus. 
Stefan haut sich auf die KTM und probiert, in Nador passende Lager
aufzutreiben, während Handi und ich den Lagersitz mittels Feile auf h7
bringen :)
Stefan kommt mit einem kompletten Radlagersatz made in germany zurück,
mit etwas gutem Zureden gehen die Lager auch drauf, leider fehlt die
recht wichtige Zahnscheibe in dem Kit.
Stefan haut nochmal ab und kommt Stunden später zurück, er musste auf
einem Schrottplatz eine Jetta-Achse mit einer Wasserpumpenzange
zerlegen, um an die gewünschte Scheibe zu kommen.
Irgendwann haben wir die Dose dann wieder fahrbereit und fahren zum
Campingplatz. Nächstes Ziel: Restaurant mit exzellenter Fischküche (was
war das grüne Ding jetzt eigentlich?) und Weinkarte, sehr schön :)


Der hohe Atlas:
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Erstes Basislager sollte Midelt sein, ein recht verschlafenes Dorf
zwischen dem  Mittleren und dem Hohen Atlas. Von dort aus wollen wir
über den Jaffar Richtung Todra-Schlucht.
Wir beschliessen, zunächst mal ne Testfahrt zu unternehmen. Handi
verfällt in den Schotterspeedingrausch, wirft die KTM später dann recht
unglücklich um, wodurch der Kupplungshebel durch die verbogenen
Krümmerrohre gesperrt wird.
Die Mit-Stein-Zurechtbiege-Aktion in der Pampa bleibt glücklos, wir
fahren zum Campingplatz zurück, Handi ohne Krümmer mit nettem Pegel :)
Dort ist der Krümmer schnell gerichtet, zudem treffen die 3 Bimpfer ein,
die wir schon auf der Fähre kennengelernt hatten: Thomas, Cidi und Elke,
allesamt auf R100GS.

Es wird gekocht und gebechert, denn ein Tankladen in Midelt führt Sprit
in Form vom Bier und Wein, was mich insofern erstaunt hat, als dass
alkmässig vor 5 Jahren nix ging und das Zeug jetzt ziemlich offen
verkauft wird.

Am nächsten Tag brechen wir zur ersten mehrtägigen Tour aus, Handi hat
leichte Schwierigkeiten mit der Gepäckunterbringung, weswegen die KTM
zum Packtaschenhardcruiser mutiert. Die Lösung bleibt trotzdem etwas
hinderlich für ihn, besonders weil das Ankicken a bisserl schwierig
wird. Im Laufe des Urlaubs optimiert er sein System, kleinere Opfergaben
müssen in der Folge trotzdem hingenommen werden müssen.

Die erste Tour beginnt dann recht heftig, der Anstieg zum Cirque de
Jaffar hat es in sich, grobes Geröll und teilweise ziemlich steil, wir
schaffen vielleicht einen 20er Schnitt, auch weil diverse Abgaenge Zeit
kosten.
Bspw. reisst mir vor ner Kurve die Druckstange der Hinterradbremse
(Doppelnockentrommel), ich tret ins Leere, brems vorn panikartig über
und flieg des erste Mal aufs Maul. 

Entschädigt für die Strapazen des Tages werden wir dann von unserem
Nachtlager, einem traumhaft geschützt liegenden Plätzchen, welches wir
heldenhaft nach der ersten Wasserdurchfahrt erreichen konnten. 
Nur kalt wird es abends, Leut, kalt. Dagegen hilft das Lagerfeuer, die
Spaghetteriapampe schmeckt ausgezeichnet, der Weisswein aus der Sigg
selbstverständlich auch.

Mir tut der Popo aua.

Am nächsten Tag fahren wir entlang des Jbel Ayachi Richtung Agoudal, das
erste absolute Highlight des Urlaubes. Die Strecke führt traumhaft
entlang eines noch wasserführenden Flusses und hat alles, was das
Enduroherz begehrt: Griffige Waldwege, Wasserdurchfahrten,
Highspeedpisten, Trailabschnitte; es ist einfach nur endgeil zu fahren,
dazu das Superwetter mit angenehmen Termperaturen und die wirklich
fantastische Landschaft. 
Überhaupt die Landschaft: Meiner Meinung nach deutlich besser als die
touristisch berühmten Todhra- und Dades-Schluchten, die mich später im
Vegleich zu diesem Traum etwas enttäuschten.

Kurz nach einem Gipfel auf einem sanften Bergabstück merk ich, dass die
Hinterradbremse mal wieder ausgefallen ist, nachdem ich die Druckstange
zwischendurch durch alles mögliche ersetzt hatte, angefangen von
Kabelbindern bis zur Schlauchschelle. 
Diese Mal allerdings ist das Malheur etwas tiefgreifender, da die
Schraube, die die Bremstrommel zur Abstützstrebe fixiert, sich aufgelöst
hatte; mit der Folge, dass sich die Bremse nett gewickelt hat und
festgegangen ist. Uns bleibt nix anderes übrig, als mit roher Gewalt die
Bremse komplett stillzulegen. Mir ist a bisserl mulmig ob dieser Aktion,
immerhin ist das noch ausstehende Geländeprofil recht zackig, das
schmeckt mir ohne Hinterradbremse ned so arg.

Ab Agoudal wollen wir prinzipiell die Todhraschlucht fahren, irren uns
aber im Einstieg und finden uns auf der Piste zum Gorges du Dades
wieder. Diese steigt zunächst heftig an, wir durchqueren ein kleines
Schneefeld und finden uns schlussendlich auf knapp ueber 3000m wieder,
mit herrlichem Blick auf die schneebedeckten Gipfel des Atlas'.
Nebenbei: Alle Höhenangaben gemessen mit einer fantastischen
Casio-Protrek-Uhr, die 10mal genauer als das GPS-Geraffel anzeigt :)

Nun gut, prompt lieg' ich ein paar km weiter mal wieder auf der Fresse,
das übliche Ins-Leere-Treten, gefolgt vom Vorderradüberbremsen. Stefan
hält an, ich rauch 2 Beruhigungsziggis, da der Abgrund nimmer so arg
weit weg war. Stefan inspiziert lockeren Auges seine SC und entdeckt ein
gerissenes Kettenglied. Komische Sache das, denn die hintere Lasche des
Glieds war unbeschädigt, desgleichen die Rollen, nur das vordere Glied
war an der Nietstelle gebrochen und stand im 90Grad-Winkel ab, mir
schleierhaft, wie Stefan damit gefahren ist. Zwischenzeitlich kommt auch
Handi zurück, Stefan beschliesst, erstmal die Kiste runterrollen zu
lassen soweit es geht. Irgendwann ist dann Sense mit dem 
Rollenlassen und Handi nimmt ihn an die Leine mit dem eigentlich für
Bergungsaktionen gedachten Seil.
Ich dachte ja erst, das kann auf dieser Piste eigentlich ned gut
funktionieren, aber die beiden bekommen es ziemlich routiniert auf die
Reihe. Mittlerweile dämmert es, wir sind eigentlich kaputt und fertig,
wollen aber auf jeden Fall noch aus der Dadaes-Schlucht raus, die sich
endlos in die Länge zieht. Nach bestimmt 30km Abschleppen kommt wieder
ein längeres Gefällstück und Stefan lässt die Kati wieder rollen.
Mittlerweile ist es stockdunkle Nacht, Stefan lässt die SC im Standgas
blubbern um wenigstens etwas Licht zu haben. Meine Funzel ist ohnehin ne
bessere Kerze und Handis Elektrik ist stellenweise etwas inkontinent.
Wir sind relativ durchgekocht, weswegen Stefan entscheidet, dass seine
Kette durchhält und fährt, natürlich entsprechend langsam, per
Motorkraft weiter. 
Kurz vor Ende der Schlucht halten wir an einem Hotel an, die Auskunft
lautet zwar auf belegt, jedoch koennen wir auf der Terasse nächtigen,
die KTMs im Waschraum unterstellen und bekommen auch noch eine lecker
Tajine zu essen, genau der richtige Tagesabschluss fuer die müden
Helden.

To be continued....

Wolfgang