From: Steffen Hoffmeister, hoffmeis@wiwi.uni-frankfurt.d400.de
Subject: Fahrber. TL 1000R und ME Z3 Race
Date: Wed, 05 Aug 1998 21:47:14 +0200
Organization: Steffens Herbrennservice - schnell und unbürokratisch


Hallihallo, verehrteste Leserschaft!

Ich habe mal wieder etwas erlebt, was ich Euch nicht vorenthalten
moechte: Gestern abend kam meine DR 350 in die Werkstatt, und auf die
Frage, mit was ich mich denn nun fuer die Zeit der Reparatur fortbewegen
solle (ich hatte sicherheitshalber die Hose mit den Pads angezogen ;-)
sagte mir der freundliche Verkaeufer "Die TL 1000 R kannste haben".
Nun, ich wollte ihm nicht widersprechen und somit begab es sich, dass
ich gestern abend und heute ca. 400km auf diesem Geraet zuruecklegen
durfte (ich hab' heute mir sozusagen etwas Urlaub gegoennt).
Hier also mein Fahrbericht von diesem netten kleinen Sportgeraet:

Sitzposition:
Die Sitzposition ist natuerlich recht sportlich ausgelegt, d.h. Stummel
unter der Gabelbruecke, Rasten relativ weit hoch und hinten. Der Tank
ist durchschnittlich lang bis kurz, was mir prinzipiell sehr angenehm
erscheint. Leider ist er auch im Bereich der Oberschenkel recht breit,
was die Rumturnerei etwas erschwert (musste ich natuerlich ausprobieren,
wenn die Fotos was geworden sind, wird das auch im Netz dokumentiert
:-). Die Sitzhoehe ist relativ hoch, das Polster recht bequem und
relativ dick aber straff gepolstert.
Der Windschutz reicht gerade mal bis zu den Schultern, um die
Instrumente ablesen zu koennen, muss man den Kopf deutlich senken, sonst
sieht man nur die Kante der Verkleidungsscheibe.

Fahrwerk / Reifen:
Trotz des 190er Schlappens hinten macht die TL 1000R einen ganz und gar
nicht unhandlichen Eindruck. Die Suzi laesst sich bei maessigen
Geschwindigkeiten (bis ca. 140) leicht abwinkeln (nicht ganz so leicht
wie die FZRR auf BT56, aber absolut ausreichend) und ist bis zu einem
bestimmten Winkel sehr neutral in Schraeglage. Nach diesem gewissen
Punkt klappt sie etwas mehr ein, was aber auch nicht wirklich schlimm
ist, wenn man sich dran gewoehnt hat.
In groesserer Schraeglage vermittelt der Z3 Race ein nicht ganz so
sattes Gefuehl wie der BT56, auf Korrekturen reagiert er etwas unruhig.
In schnelleren Wechselkurven ist ein recht kraeftiger Zug am Lenker
erforderlich, um die gewuenschte Linie zu treffen.
Das Bremsen in Kurven geht ganz wunderbar und mit Grip hatte ich auch
keinerlei Probleme. Allerdings war's ja auch nicht mein Mopped...
Die Bremsen sind uebrigens eine Offenbarung: Wunderbar herzlich
zupackend (in den allermeisten Faellen reicht ein Finger) und schoen zu
dosieren. Kein Vergleich zu den Brembos an der FZRR.
Eine etwas unangenehme Eigenheit hat die Suzi beim Ueberfahren von
Unebenheiten in Kurven. Dann faengt die ganze Fuhre deutlich an zu
wackeln, und das Vorderrad wird sehr unruhig - besonders in schnellen
Passagen macht das eigentlich ueberhaupt keinen Spass mehr.
Auf ebener Strecke zieht die dicke Japanerin aber absolut tadellos und
stabil ihre Bahn.
Alles in allem fand ich das Fahrwerk von der Qualitaet und
Grundabstimmung der Federelemente her sehr brauchbar, aber die
ausgepraegten Fahrwerksreaktionen bei Unebenheiten truebten das
Vertrauen doch ein wenig. Die Metzeler sind bis auf das kleine Manko
(leichtes Abklappen in grosser Schraeglage) sehr schoen neutral, geben
aber auch nicht unbedingt das ultimative Feedback ans Popometer. Auch
hier sind sie halt irgendwie neutral...

Motor
(übrigens die offene Version)
...das beste zum Schluss! MEINE FRESSE, mit was fuer einer  LUFTPUMPE
gebe ich mich eigentlich die ganze Zeit ab?? Der Motor der TL 1000 R ist
am besten mit einem Wort zu beschreiben: Souveraen!
Das Ding klingt schon im Stand ganz nett (nicht wie eine Duc, aber schon
in die Richtung gehend) und zieht bereits ab kleinsten Drehzahlen (3k)
ganz brauchbar an. Ab 5500 wird's schon interessanter und ab ca. 7000
gibt's echten DRUCK! Drehzahllimit (redline) ist irgendwo kurz vor 11000
und das nutzbare Drehzahlband fuer die Landstrasse ist ein sehr langes.
Mit dem Teil unter dem Hintern braucht man sich nicht mehr staendig
Gedanken zu machen, wieviele Gaenge man denn vor dem Ueberholmannoever
wohl runterschalten muss...
Bei den ersten Versuchen mit Vollgas habe ich mich ansatzweise in die
Zeiten zurueckversetzt gefuehlt, wo ich erstmals die FZRR ausgedreht
habe, auf jeden Fall hatte ich ganz gehoerigen Respekt. Vollgas brauchts
mit der Maschine sowieso nur in Extremsituationen, normales Vorbeiziehen
an Autoschlangen geht laessig bei mittlerer Drehzahl und Halbgas. Beim
Beschleunigungsversuch auf der Dosenbahn wollte das gute Stueck
ueberhaupt nicht mehr aufhoeren zu ziehen, selbst bei Tacho 240 geht
noch eine deutliche Geschwindigkeitsveraenderung vonstatten, bei 255
musste ich den Hahn leider wieder zudrehen, weil ein paar Dosen in
sichtbarer Entfernung herumstanden.
Der Lenkungsdaempfer ist auch alles andere als ueberfluessig, beim
herausbeschleunigen wird das Vorderrad schon bei mittleren Drehzahlen
sehr leicht.
Leider gibt's auch am Motor was zu bemaengeln, und zwar die etwas
seltsame Gasgriffreaktion. Bei sanfter Beschleunigung zieht die Suzi
recht unregelmaessig an, noch schlimmer ist's innerorts. Bei konstanter
Gasgriffstellung ruckelt das Teil unmotiviert, als wuerde man unter
unkontrolliertem Handgelenkszucken leiden. Beim Aufreissen kommt der
Einsatz mal spontan, mal mit einer kleinen Andachtssekunde.

Fazit:
Vom Fahrwerk war ich insgesamt nicht uebermaessig begeistert, es ist
zwar recht handlich und mit guten Federelementen ausgestattet, aber die
Reaktionen auf Bodenwellen lassen das richtige Vertrauen nicht
aufkommen.
Der Motor ist hingegen ein absoluter Hammer, wie gesagt, einfach nur
souveraen. Ganz laessig kann man damit fast alles im Rueckspiegel
verschwinden lassen, was nicht gerade das Kuerzel "ZX9R", "R1" oder
"916" auf dem bunten Plastikkleid traegt. Dolles Ding!

Steffen, der sich demnaechst wieder mit jaemmerlichen 98PS und unter
70Nm durch die Gegend quaelen muss ;-)

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FZR 600R --- The need for SPEED!  =8-)
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