From: Manfred Handschuher, manfred.handschuher@mch.sni.de
Subject: BMW (und -Fahrer) :-))
Date: Thu, 30 Jul 1998 07:58:18 +0200
Organization: none

Hi!

Burkhard Straßmann, von dem die Serie "Unter Helmen" vor zwei Jahren im
Zeit-Magazin stammt, hat wieder zugeschlagen! Im Juli-Heft der
Zeitschrift "Motorrad Reisen & Sport" (nein, ich hab das Blatt nicht
gekauft! Hab's von meinem Nachbarn bekommen) ist folgender Artikel von
ihm über BMW(-Fahrer) erschienen, den ich dem geneigten Publikum nicht
vorenthalten möchte :-))

Manfred
mit roter BMW :-)))


/begin

Schlaflos in München
====================

Entweder man liebt sie oder belächelt sie, die Motorräder aus München,
auch BMWs genannt. Burkhard Straßmann, Autor der Wochenzeitung "Die
Zeit", fährt selbst eine der bayerischen Maschinen.


Als der liebe Gott das Motorrad erschuf - es war an einem feuchtkalten,
windigen Märzmorgen -, da kamen ihm plötzlich die älteren Menschen in
den Sinn. Die sollten schließlich auch auf seiner neuen Schöpfung
fahren. "Werden sie", sorgte Er sich, "bei Sturm und Nieselregen keine
kalten Füße bekommen?" Das war der Moment, als der Boxermotor erfunden
wurde. Links ein warmer Zylinder, rechts ein warmer Zylinder, dahinter
die warmen Füße. Die Menschen aber jubelten und sprachen: "Er hat uns
eine Box-Mich-Warm geschenkt!" Und sie nannten den Boxer von da an BMW.

Der echte und klassische BMW-Fahrer hat hin und wieder
Durchblutungsstörungen. Das unterstreicht auch die Tatsache, daß kein
anderes Motorrad so oft ab Werk mit Griffheizung ausgeliefert wird. Eine
BMW ist unwiderruflich das Motorrad für die gesetzteren und etablierten
Herrschaften. Zum Leidwesen des Herstellers. Was hat BMW nicht alles
angestellt, um auch den gut durchbluteten Nachwuchs für seine Modelle zu
gewinnen. Doch es half alles nichts: Wer "BMW" sagt, meint immer nur:
ein Zylinder links, einer rechts, dahinter warme Füße. Daß sich daran
bis heute nichts geändert hat, liegt natürlich nicht an zu warmen Füßen.
Sondern am eindrucksvollen Kaufpreis. Und selbst wenn man mit Hilfe von
Krediten und der Ausplünderung der gesamten Verwandtschaft die zwanzig
Riesen stemmt - dann werden einen die Inspektions- und Werkstattkosten
ruinieren. Kurz: Wer Probleme mit der Liquidität hat, für den bleibt die
BMW ein schöner Traum. Die Kehrseite der Medaille: Wer eine hat, der
schleppt zeitlebens das Image eines Erbonkels mit sich rum.

Das Erbonkel-Image ist unglaublich zählebig. Beispiel: Im Fachgeschäft
für Motorradbekleidung wird man vom heimtückischen Verkaufspersonal
zuallererst nach der Motorradmarke gefragt. Wer sich unvorsichtigerweise
als BMW-Fahrer outet, für den beginnt die Jackenberatung bei 800 Mark
aufwärts. Der potentielle BMW-Fahrer sollte sich also folgende
Reihenfolge immer wieder einhämmem: zuerst Haus bauen, dann Sohn zeugen,
dann Baum pflanzen - und erst danach BMW kaufen!

Nun reicht es keineswegs aus, Kohle zu haben und über 40 zu sein, um ein
richtiger BMW-Fahrer zu sein. Es existieren daneben auch erstaunlich
hohe Anforderungen an Charakter und Intellekt. Man muß sich wundern,
warum es noch keinen Führerschein speziell für BMWs gibt. Zum Beispiel
der Auftritt. Zum gelungenen Auftritt eines Motorradfahrers gehört
unbedingt eine Masse Krawall aus den Auspufftüten. Der BMW-Fahrer, und
insbesondere der Eigner des neuen Vierventil-Boxers, macht aber
ausschließlich solche Erfahrungen: Du kannst durch die Fußgängerzone
braten - kein Schwein guckt. Ziegen, die in griechischen Bergdörfern
mitten auf der Straße in der Sonne dösen, bewegen sich keinen
Millimeter, wenn eine BMW naht. So leise ist das Motorrad! Wer es aus
frühkindlichen Gründen (schwere Geburt, Vater ein Monster etc.) nötig
hat, auf dem Motorrad den röhrenden Hirschen zu geben, der vergesse die
BMW.

Man könnte auch sagen, der BMW-Fahrer muß es intellektuell verkraften,
daß "BMW" verschiedene Bedeutungen hat: *Der* BMW ist ein vom Image her
sportlich-aggressives Fahrzeug, welches das schwache Ich seines Fahrers
beträchtlich aufwertet. *Die* BMW dagegen ist ein reines
Understatement-Bike. Niemals würde man hier von "Sport" reden; als
Fahrer eines BMW-Motorrades ist man automatisch "Tourenfahrer". Andere
Motorradfahrer mögen mit ausgeräumten Auspuffrohren und entdrosselten
130 PS durch die City toben und die Blicke der Bräute auf sich ziehen.
Der Fahrer eines BMW-Motorrades hat das nicht nötig, weil er seelisch
völlig gesund und innerlich ausbalanciert ist.

Der typische BMW-Fahrer befindet sich exakt in der Mitte seines Lebens.
Ist die Midlife-Crisis noch nicht angebrochen, dann fährt er eine
klassisch-schwarze Maschine. Steckt er mitten in der Krise, bevorzugt er
Rot. Dann zwängt er seinen inzwischen fülligen Körper auch gern in eine
rote Rennkombi, was ihn zum Gespött der Nachbarschaft macht. Doch was
sein muß, muß sein. Zeit zum Motorradfahren hat er natürlich nicht - der
Job geht vor. Darum nutzt er die Maschine hin und wieder geschäftlich.
Geschäftsfreunden tritt er dann mit öligem Schuhwerk (aus irgendeinem
Grund ölt an der BMW immer eines: die Kopf- oder die Fußdichtung) und
fliegenbeklatschter Lederjacke gegenüber. In solchen Momenten fühlt er
sich jung und gesund. Kluge Geschäftsfreunde wissen: Das geht vorüber.

Gemeinsamkeit unter seinesgleichen sucht der BMW-Fahrer in einem
BMW-Club. Mit Fahrern anderer Marken verkehrt er ungern. Wildere
Motorradtreffen meidet der BMW-Fahrer, schon weil er unter "Burn-out"
nicht abfackelnde Reifen, sondern eine gefürchtete Managerkrankheit
versteht. Wenn er aber doch mal Lust auf ein bißchen Oben-ohne-Gucken
hat, läßt er die BMW mehrere Blocks vor dem Veranstaltungsort stehen.

Das Schönste an solchen Treffen sind die anderen Motorradfahrer, die
bewundernd herumstehen. "Boooh ey, wo hasse denn die Tüten her? Welcher
TÜV hat dir denn die Gabel eingetragen?? Und die Kühlrippen: alle von
Hand poliert???" Weil der BMW-Fahrer keine juristisch fragwürdigen
Umbauten vornimmt und sowieso alles die Werkstatt machen läßt, stehen um
seinen Bock niemals Grüppchen von Motorradfahrem herum. Doch auch für
ihn schlägt einmal die große Stunde.

Rastplatz Münsterland. Ein Reisebus aus Rotenburg an der Wümme hält an.
DRK-Seniorenfahrt ins Sauerland. Die Omas gehen pinkeln. Die Opas
umringen den BMW-Fahrer und seine Maschine. "Oooh"’ rufen sie. Und
"ahhh". "Die neue BMW! Vier Ventile?? G-Kat??? Wunderbar, daß es den
guten alten Boxer noch gibt. Ja, nach dem Krieg, da hab ich eine R 51
Strich 2 gefahren. Das waren noch Zeiten! Mehr geschraubt als gefahren!"

"Komm jetzt, Erwin!" Oma zieht Erwin in den Reisebus zurück. Von ferne
winkt der Erwin noch einmal. Und ruft noch etwas, das klingt wie: "Und
warme Füße hatte man immer!"


"Wer Probleme mit der Liquidität hat, für den bleibt eine BMW ein Traum
- oder er beginnt damit, seine Verwandtschaft auszuplündern"