From: Bernard M. Piller, bernard@look.in.signature
Subject: Tschauders und Herbrenners in Brno (sehr lang)
Date: Tue, 2 Jun 1998 11:41:25 +0200
Organization: bmp System Support

Hallo!

Wie man wahrscheinlich weiß, waren Kirsten, Corinna, Rainer und Hoss
deshalb nicht auf der Megafete, weil ein 4-tägiger Rennevent am GP-Kurs
in Brünn auf dem Programm stand.

Wer nicht die ganze Geschichte lesen will, hier das wichtigste in
Kompaktform:

Keine Stürze bei uns, gute Rundenzeiten, gutes Wetter und vor allem ein
saugeiles Ambiente.
Der Veranstalter Franz Sachs (Jura Racing) ist die absolute
Stimmungskanone, jeden Abend Freibier, einmal freies Grillen.
Kabarettreife Siegerehrungen mit Sektgespritze.


So, und jetzt schön chronologisch im Detail.

Donnerstag:

Tschauders sind den ganzen Tag lang aus Aachen angetschaudert,
Herbrenners sind Abends von Wien hingepillert.
Im Fahrerlager großes Hallo (wir hatten ja schon ein paar Kurzurlaube
miteinander verbracht), Zelt und Transit vorbereitet und mal kurz in das
Umfeld geblickt.
Da der Boxenbereich in Brno gerade im Neubau ist, war das Fahrerlager
etwas in die Länge gezogen und es war schon Donnerstags ziemlich voll,
angeblich 200 Fahrer. Es war aber immer locker verteilt und man hatte
nie das Gefühl, daß es zu voll ist. Es dürfen ja ohnehin max. 55 Bikes
auf die Strecke, man mußte aber nie anstehen (auch hier Spitzenorga!).
Der Franz hatte ja dem Rainer schon gesagt, daß er vorwiegend schnelle
Jungs unter seinen Stammkunden hat. Ich hatte vorher noch daran
gezweifelt, weil ich unter den Deutschen auch schon sehr, sehr viele
Poser erlebt habe.
Der Rainer und ich ernüchterten allerdings ziemlich rasch, als wir ein
paar der Nachbarbikes besichtigten. Fast alle Bikes standen auf Slicks,
super aufgebaut, wunderschöne Rennverkleidungen, teure Teile, aufwendige
Busse und Zelte. Praktisch niemand mit Licht oder Kennzeichen.
Am Abend haben wir dann die Anmeldeformalitäten mit ein paar
Begrüßungsbieren erledigt.

Freitag:

Das Wetter immer noch super, in der Sonne schön langsam sehr heiß.
Etwas Anspannung in unserer Truppe aus lauter Vorfreude auf das Fahren,
wir fahren zuerst ein paar Kennenlernrunden, ich als Leithammel (ist ja
meine Heimstrecke).
Rainer und Kirsten studierten Streckenverlauf und Linie (in Brno wegen
der Streckenbreite und Kurvenkombinationen nicht ganz trivial).
Corinna fuhr ja schon im Vorjahr da, allerdings noch auf der Bandit. Sie
hatte gleich viel Spaß mit der CBR und überschritt noch am Freitag ein
Ziel des Wochenendes, sie fuhr Rundenzeiten unter 2:50. Kirsten fuhr
sogar mittlere 40er Zeiten mit der FZR. Die Gilera war zwar auch mit,
diente allerdings vorwiegend als Funbike (im wahrsten Sinne des Wortes),
begann aber nach und nach ihren Auspuff zu verlieren, weshalb sie immer
weniger zum Einsatz kam (ist aber gesamt trotzdem fast 450km gelaufen).
Ich wollte mich an die neue Suzuki gewöhnen, da gab's aber nix
gewöhnungsbedürftiges, es war einfach nur geil. Fahrwerk und Motor ein
Traum. Als ich das erste Mal auf Zeitenjagd ging (meine CBR Bestzeiten
von 1996 waren 2:27 auf Slicks, im Vorjahr bin ich aber auf 2:31
abgeschwuchtelt) und zwei 28er Runden fuhr holte mich ein heftiger
Vorderradrutscher auf der Bremse in die Realität zurück. Die Pirelli
Corsa schmolzen in der Mittagshitze (Asphalt 47 Grad) dahin und außerdem
war die Suzl ja noch originalverkleidet.
Rainer hatte ziemliche Fahrwerksprobleme *wobble, wobble*, ging dann zum
Öhlins-Mann im Fahrerlager. Der hat ein bisserl was an der FZR verstellt
und ihm zu einem anderen Hinterreifen geraten, da der 180er Michelin
Slick auf der 5" Felge angeblich "gefährlich" ist. Gabel weiter raus,
Federvorspannung vorne voll, hinten zurueckgenommen, Daempfung voellig
anders - danach nicht wiederzuerkennen. Rainer hat dann hinten den GP207
montiert, was ebenfalls Besserung brachte.

Am Nachmittag fuhren Rainer und ich dann das Zeittraining für das 600er
Rennen am Samstag (das leider als SSP Rennen und nicht Seriennah
ausgerufen war).
Ich fuhr 2:29, Rainer 2:31 (?). Das waren der 28, und 31. Startplatz
(von 34), wie gesagt, ein sehr, sehr schnelles Feld (Spitze 2:21),
extreme Zeitendichte, erst ganz hinten wurden die Leute dann deutlich
langsamer. Bei anderen Veranstaltern wie Reitwagen oder PowerBike steht
man mit so einer Zeit mind. unter den ersten 15, wenn nicht 10.

Ich habe mir dann in Windeseile eine Rennverkleidung gekauft und sie
montiert. Die provesorische Montage war eine ziemliche Mühe, die
Ansaugrüssel der Suzuki machen das ganze zum Geduldspiel. Na gut
irgendwie hingepfrimmelt, in Wien werden dann irgendwann alle Löcher
zugespachtelt, das ganz neu angepaßt und grau lackiert.


Samstag:

Die Sonne brannte wieder herunter und da ich eigentlich nicht vorhatte
mit einem nutellaweichgeschmolzenen Dragon Corsa auf die Schnauze zu
fliegen, habe ich mir gleich am Morgen Dunlop Slicks (mittlere Mischung)
gekauft, Rainer einen ebensolchen Hinterreifen. Breite 165, auch auf
5,5" Felge! So viel zum Thema Poserbreitreifen.
Und siehe da, bei Rainer waren die Fahrwerksprobleme nun endgültig
schlagartig weg, der 180er Slick hatte nämlich durch die schmale Felge
viel zu wenig Auflagefläche, also eine falsche Kontur und außerdem
thermische Probleme auf dem schmalen Stück.

Meine ersten Proberunden (Slicks vorsichtig anfahren!) waren allerdings
ernüchternd, nicht wegen der Reifen (die waren superhandlich!), sondern
wegen der Verkleidung, die sich durch die Motorhitze plötzlich völlig
verzog, *argh*. Also wieder ein paar Löcher neu gebohrt und etwas Tape,
paßt!

Vor dem Rennen waren der gute Herr Tschauder und der lustige Herr Piller
dann gar nicht mehr die coolen Jungs. Hinten im Feld ist es aber
wenigstens nicht so arg, weil man sich ja im schlimmsten Fall einfach
noch weiter zurückfallen lassen kann.
Der Rainer hätte dann beim Start (sehr schnell von rot auf grün!) fast
den ersten Gang vergessen. Ich habe im Moment, wo der Typ mit der roten
Fahne wegmarschiert gedacht: "Du Schlauberger, vielleicht hättest Du mit
einem neuen Motorrad ein paar Ampelstarts trainieren sollen!".
Naja, auf jeden Fall hoppeln der Rainer mit seinen viel zu starken
Kupplungsfedern (die originalen machen schlapp) und der Hoss mit völlig
falscher Drehzahl von ihren Startlinien.
Der Start erfolgte und die gesamte erste Runde fanden wir uns noch in
sehr dichtem Gedränge, weit ab von der Ideallinie. Ich hole ein paar
Plätze der am Start verschissenen auf. Als ich unseren Zeltnachbarn auf
CBR, der im Training deutlich langsamer war als ich, ausbremsen will
fährt der von selbst eine viel zu weite Linie, greift rein und liegt mit
blockiertem Vorderrad im Kies (am nächsten Tag fuhr er schon wieder).
Dann habe ich noch einen ZX-6 Fahrer überholt, mit dem sich in Folge
noch der Rainer beschäftigt hat. Eine Zeit fuhr ich ein einsames Rennen,
sah einmal vorne einen ausfallen, einmal den Staub aufwirbeln. Meine
onboard-Stopuhr sagte mir konstante 2:28er Zeiten, die Rundenanzeige bei
Start-Ziel noch 4 Runden (von 8), ich fuhr easy.
Am Ende der langen Geraden fällt mir auf, daß das Heck des Kawasaki-Cup
Fahrers vor mir langsam näher kommt. Eine Runde später war ich an ihm
dran (er fuhr konstante 2:30er Zeiten, wie ich nachher im Rennprotokoll
nachlesen konnte), es war mir aber nicht möglich, ihn auf der sicheren
Seite zu überholen. Er fuhr geile Kampflinie, schaute sich fast nie um,
wußte aber immer genau wo ich war und machte zu. Im Kurvenausgang war
ich zwar immer schneller, aber die Cup-Kawa marschierte auf der Geraden
mächtig.
Ich habe mich dann im Zweikampf verzählt, als ich dachte wir kommen in
die letzte Runde sahen wir schon die Zielflagge, eben als ich aus dem
Windschatten ausschere, ich werde mit 17 Hunderstel Rückstand 28.,
Rainer 30.

Das geile bei solchen Rennen im Hinterfeld ist ja, daß es beim Fahren
völlig egal ist, ob man um den 12. oder 28. Platz fährt, man kämpft
sowieso mit seinem unmittelbaren Gegner und weiß nicht mal, wo man
platziert ist.

Zur GSX-R 600 muß ich jedenfalls sagen, daß der Motor enorm anschiebt,
kaum schlechter als normale 750er (meine ist und bleibt ja auch
serienmäßig). Das Fahrwerk ist phantastisch handlich und die Dämpfung
funktioniert hervorragend, auch im Serientrim mit Slicks.
Die Schäglagenfreiheit wird zwar in den Fachzeitschriften immer mit der
Höchstnote bewertet, dem kann ich mich aber nicht anschließen.
Natürlich habe ich die Schleifdorne schon vor Wochen rausgenommen,
dennoch habe ich bereits mit den Pirelli die Rasten und vor allem auch
den Auspuff angeschliffen. Rainer und ich haben dann den Auspuff etwas
weiter nach innen distanziert, das hat ein bisserl geholfen.
Unter Bestnote Schräglagenfreiheit verstehe ich sowas wie bei Ducati ;-(

Unsere Mädels wurden auch immer schneller, Corinna pendelte sich auch im
dichten Verkehr bei konstanten 2:44 ein, Kirsten fuhr gar ein paar 39er
Runden :-)

Ein Freund von mir aus Wien kam mit seiner Hornet zu Besuch und
schnupperte am Abend auf ein paar Runden Ringluft. Er war recht
talentiert und nachher völlig aufgedreht. Wollte gleich eine Ring-CBR
kaufen (während wir seine Hornet schon virtuell völlig umgebaut hatten)
;-)))

Jedenfalls zeigte sich einmal mehr die 16" Bereifung als völlig
blödsinnig, wie man an seinen Linienaussagen und an der
Laufflächennutzung des Vorderreifens sehen konnte.

Am Abend dann die superwitzige Siegerehrung mit Freibier, Freigrill und
Live-Band. 
Wir stellten fest, daß die ganzen superschnellen Typen (Tagesbestzeit
2:14) auf den teuren Bikes durchwegs über 40 und grauhaarig waren,
vielleicht wird ja doch noch was aus uns :-)
Ein grauer Tscheche fuhr sogar die 97er Meklau-Ducati, Rundenzeiten um
2:16. Vergleich: Doohan fährt 2:02.
Später hat die Band dann unplugged gespielt, da ja manche im Fahrerlager
auch schlafen wollten, der Franz hat sich dazugesetzt und eine leiwande
Jamsession mit Kabaretteinlagen (Kanzler Kohl Parodie!) gemacht.

Sonntag:

Wieder war das Wetter super, es war am Ring schon etwas weniger los, ein
paar langsamere Fahrer waren unterwegs. Wir fuhren nur mehr coole
Spaßrunden.
Ich fuhr mit Rainer ein langes Set mit gegenseitiger Führungsarbeit und
Linientricks. Rainer erreichte sein hochgestecktes Ziel und fuhr noch an
seinem ersten Brünn-Wochenende eine 2:29!!! Auf der Gilera schaffte er
2:46!
Dazwischen mal ein kurzer Regenschauer, aber die Strecke trocknete
gleich wieder auf.
Wir haben viele Fotos gemacht und am Abend die Strecke auf der
Ideallinie abgegangen (etwas über 1 Stunde).


Montag:

Den ganzen Vormittag über immer wieder leichter Regen, wir sahen uns
noch den Lauf zum öster. Kawa-Cup an (Heinz Pohl hat ein spannendes
Rennen gewonnen), packten schon mal einen Teil zusammen und fuhren am
Nachmittag nur mehr ein paar lockere Runden. Ich bin an dem Wochenende
630km auf der Rennstrecke gefahren, es war geil und anstrengend, ich bin
wieder süchtig. Um 16:00 verließen wir das Fahrerlager glücklich aber
auch traurig.

Wir haben fix beschlossen bei dem Superveranstalter heuer noch Pannonia
im August und wieder Brünn im September zu fahren.

Hoss

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