From: Joerg Schaeller, schaell@slsnlg.bk.sel.de
Subject: GFK verarbeiten [lang!] (was: Re: MZ ES 250/2)
Date: 1 Aug 1997 08:44:30 GMT
Organization: Alcatel SEL AG Stuttgart

In article <33df87a7.258196@news.fernuni-hagen.de>, q4745973@bonsai.fernuni-hagen.de (Stefan) writes:
|> HI! :-)
[ Kunstarz und Glasfasermatten ]
|> 
|> Habe tatsächlich keinerlei Ahnung davon. Beim Versuch, den ersten
|> Kasten mit Epoxidharz zu kleben, wollte das Zeugs erst nicht
|> festwerden, und nach neuer Mischung und tagelangem Trocknen
UHU 2-Phase^H^H^H^HKomponenten?
Also meiner Erfahrung nach mu/3 die Mischung nich soooo genau stimmen,
wichtiger ist GUT DURCHMISCHEN!
Wenns ganz eilig ist kann man das Aush"arten durch erw"armen auf 60-80 Grad
oder durch Bestrahlen mit 'ner Rotlichtlampe beschleunigen.

|> nicht halten. Ist an der gleichen Stelle wieder aufgerissen.
Einfach nur die Bruchstellen geklebt? Das reicht nicht!
Wichtig ist die Teile penibelst zu entfetten! Dann rings um die Bruchstelle
mit grobem Schleifpapier aufrauhen, evtl. sogar mehrere kleine Bohrungen
anbringen (-> Formschlu/3). Dann mit angemischtem Epoxid einstreichen,
zusammensetzen und zur Verst"arkung 1-2 Lagen Glasfasergewebe aufbringen.
Falls m"oglich auf Vorder- und R"uckseite verst"arken.

|> 
|> Kann ich tatsächlich den ganzen Kasten auf irgendeine Weise
|> "nachformen"?
Im Prinzip ja...
|> 
|> Für ein paar Infos dazu wäre ich echt dankbar... :-)
Ok, denn man los:
Als erstes zu den Materialien:

Kunstharz aus'm Baumarkt oder den gew"ohnlichen Autozubeh"orregalen ist
ziemlich teuer (250 ml ~9DM). Mag f"ur Kleinreparaturen ok sein, bei
gr"o/3eren Projekten gro/3e Gebinde bevorzugen. Je nach Qualit"at kostet
Harz 15-25 DM das Kilo, in 5kg-Gebinden irgendwo ~80 DM (f"ur die Jungs
mit Vollverkleidung "uberlegenswert).

Zum Verst"arken gibt es Vlies, Matten und Gewebe auf Glasfaser- oder
Kohlefaserbasis (letzteres ist leichter aber sauteuer :( ).

Vlies ist sehr d"unn und feinfaserig. Dadurch folgt es auch engen Rundungen
sehr gut und gibt eine relativ ebene Oberfl"ache - wenig Nacharbeit.

Matten bestehen aus kurzen Faserb"uscheln, die mit einem Bindemittel zu
gro/3en Bahnen ausgewalzt werden. Grober und dicker als Vlies, kann sehr
viel Harz aufnehmen. Zerfasert beim Verarbeiten sehr schnell.
Matten sind deutlich billiger als Gewebe, letztere erh"ohen daf"ur die
Belastbarkeit des fertigen Teiles.

Beim Gewebe m"ussen zwei verschiedene Bindungen unterschieden werden:
Leinwand- und K"operbindung.
Leinwandbindung sieht aus wie Sackleinen,       -|-|-|-|-|-|-|
also immer 'eins-drunter-eins-dr"uber',         |-|-|-|-|-|-|-
halt wie'n Kartoffelsack.                       -|-|-|-|-|-|-|
Dadurch ist das Gewebe relativ steif,           |-|-|-|-|-|-|- 
entsprechend schwierig zu verarbeiten und       -|-|-|-|-|-|-|
f"ur die kleinen Radien an Moppedteilen         |-|-|-|-|-|-|-
eher ungeeignet.                                -|-|-|-|-|-|-|

Besser ist hier das sog. 'K"opergewebe'.        |||---|||---||
Hier liegt jeder Faden "uber mehreren           ||---|||---|||
anderen (meist 3-5), so da/3 die Bindung        |---|||---|||-
wesentlich lockerer ausf"allt, dadurch          ---|||---|||--
aber auch viel flexibler ist.                   --|||---|||---
Das Gewebe folgt ohne Falten zu werfen          -|||---|||---|
selbst sehr engen Rundungen, ist f"ur           |||---|||---||
unsere Zwecke also bestens geeignet.            ||---|||---|||

Beim Arbeiten mit Formen braucht man weiterhin ein Trennmittel um die
fertigen Teile wieger aus der Form l"osen zu k"onnen. Sehr gute 
Erfahrungen hab' ich mit normalen Bohnerwachs gemacht. Billiger als
Silikonspray und funftioniert bestens.

Was fehlt noch? Einige Beh"alter zum Harz anr"uhren. Billige Plastik-
sch"usseln aus'm Haushaltwarenladen oder Gipsbecher aus Gummi sind gut
geeignet (da bekommt man auch ausgeh"rtete Reste wieder 'raus).
Gummihandschuhe, einige Pinsel und Aceton zum Auswaschen/Reinigen der
Arbeitsger"ate. Ein Satz Karosserie-Spachteln in verschiedenen Breiten 
lohnt erst bei gro/3fl"achigen Arbeiten, dann aber wirklich.

Zum Formenbau:
F"ur 'einmalige Gelegenheiten' ist meines erachtens Gips am besten
geeignet. Er ist leicht zu verarbeiten, daf"ur "uberstehen die Formen 
meist nur den einmaligen Gebrauch. Soll eine gr"o/3ere Anzahl Teile
hergestellt (man spricht von laminieren) werden, lohnt sich auch die
Negativform aus GFK zu bauen.

WICHTIG!
Sog. Hinterschneidungen sind zu vermeiden!

\            /           /         \  Falsch!
 \          / OK        /           \ fertiges Teil und Form lassen 
  ----------            ------------- sich nicht trennen!

Konkret zum Kettenkasten:
Zum Form abnehmen w"urd' ich ihn einmal von der Au/3en- und einmal von 
der Innenseite in eine flache Schale mit Gips dr"ucken ("Offnungen vorher
verkleben). Das gibt dann beim fertigen Teil zwei H"alften, die man mit 
'nem Streifen Gewebe und etwas Harz zusammensetzen kann.

Arbeitstechnik:
Als erstes die Form gut mit Trennmittel einstreichen/-spr"uhen. 
Bei Verwendung von Bohnerwachs kann man nach einer gewissen Trockenzeit
polieren, was eine erstklassige Oberfl"ache gibt.

Immer nur kleine Portionen Harz mit dem H"arter anmischen! Wenn die
Mischung verreckt (=Einsetzen des Gelier- und H"arteprozesses) kann ein
noch vorhandener Rest nicht mehr weiterverwendet, sondern mu/3 weggeschmissen 
werden.

Soll die Oberfl"ache der fertigen Teile gut beschleifbar sein oder
relativ kleine Details der Form randscharf abbilden (z. B. gepr"agte
Schriftz"uge am Seitendeckel), empfiehlt sich eine sog. Gelcoatschicht
aufzubringen. Daf"ur gibt es spezielle F"ullstoffe, mit denen das Harz
'angedickt' werden kann. Ich verwende meist normales Talkum (500g-Dose)
- ist wesentlich billiger und geht genauso gut.
In das Harz (noch ohne H"arterzugabe) F"ullstoff einr"uhren, bis die
gew"unschte Konsistenz erreicht ist. Dann den H"arter zumischen und die
Mischung in der Form verstreichen.

Kurz warten, bis die Gelcoatschicht zu gelieren beginnt. Nicht ganz aus-
h"arten lassen - neigt dann zum Verziehen.

Aus den Glasfasereinlagen je nach Aussehen der Form Streifen, Dreiecke etc.
schneiden (NICHT Mutters beste Schneiderschere verwenden - gibt A"rger :),
in die Form legen und mit einem Pinsel (bei gro/3en Fl"achen: Spachtel)
mit angemischtem Harz tr"anken. Dabei darauf achten, m"oglichst alle
eingeschlossenen Luftblasen zu entfernen. Da die Fasern von Vlies und
Matten 'gern' am Pinsel haften kann zum Andr"ucken/Blasen entfernen ein
Streifen Silikonpapier (Tr"agerpapier von Aufklebern) verwendet werden.

Bew"ahrt hat sich als erste Lage das d"unne Vlies - gibt eine saubere
Oberfl"ache. Dann eine Lage K"opergewebe. F"ur sehr d"unnwandige Teile
reicht das schon. Sind gr"o/3ere Wandst"arken gew"unscht weitere Lagen
Matte oder Gewebe aufbringen; mit Gewebe abschlie/3en.

Eventuell "uberstehende Gewebest"ucke k"onnen NACH EINSETZEN des H"arte-
prozesses mit 'ner alten Schere/einem SCHARFEN Messer VORSICHTIG entfernt
werden. Will man das erst nach dem Aush"arten tun, oder zum nachtr"aglichen
Ausschneiden von "Offnungen etc. nimmt man am besten eine diamantierte 
Trennscheibe.

Nach dem Aush"arten (~2 Stunden, besser "uber Nacht) mit Hartholzkeilen 
(kleinem Brecheisen, Schraubenzieher ...) zwischen Form und Laminat
VORSICHTIG Druck ausl"osen um das Teil aus der Form zu l"osen.

Ben"otigt man Befestigungspunkte, z.B. bei Verkleidungsteilen, so kann
man Schrauben, normale Muttern, besser aber sog. 'Einschlagmuttern' 
mit ein paar Streifen Glasgewebe aufkleben. Dabei das Gewinde von 
Schrauben mit Fett/Klebeband sch"utzen; in Muttern eine gut gefettete
Schraube eindrehen.

F"ur den Kettenkasten (kein tragendes Teil, nur Schutzfunktion) sollten 
meiner Meinung nach 1, max. 2 Lagen Gewebe ausreichen. Die Buchse f"ur die
Steckachse am besten von 'nem alten Kettenkasten nehmen oder ein in
Durchmesser und Wandst"arke passendes Rohrst"uck einlaminieren.


Viel Erfolg!
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