From: Stephan Wunsch, sw@stgl.sel.alcatel.de
Subject: Prof. VTR - auch die Zwote
Date: Mon, 04 Aug 1997 20:45:59 GMT
Organization: Simply zebra

Hi all,

das Testen von Moppeds wollen wir ja nicht nur den Ösis überlassen,
schon gar nicht Treibern von Big Block Schwergewichtsbikes, die noch
dazu temporär gar nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis sind. Heut hab´
ich mein Mopped zur 12er Inspektion abgegeben, und der Händler weiß, das
er mir so Schwuchtelgeräte wie NTV etc. gar nicht erst als Leihmopped
anbieten braucht. Deshalb hat er mir für den einen Tag eine VTR
aufgedrängt ;-)
 
Drauf und angemacht. Oioioi. Ein tiefstbaßiges Bollern, und _sehr_ laut.
Hatte ich so nicht in Erinnerung. Gekuckt. Aha, ovale Carbontöpfe von
BOS (mir unbekannt, die Firma). Hey Scheffe, ruf´ ich, jetzt ist mir
schon klar warum ich mich damit nicht aufhalten lassen soll. Er grinst,
wir verstehen uns: scheiß auf die ABE, ein bischen Spaß muß sein.

Zuerst fällt mir der sehr enge Wendekreis auf, der Lenkeinschlag ist
enorm. Der Tank ist für meine Gewohnheiten lächerlich schmal. Na ja,
eigentlich wirkt das ganze Mopped schmächtig. Setzt euch mal direkt
hintereinander auf die VTR und dann auf die Blade, dann wißt ihr, was
ich meine. Die Lenkerkröpfung ist sehr gut, die Höhe der Stummel etwas
arg bequem für ein Sportbike.

Schon auf den ersten Metern fällt mir wieder auf, wie relativ schwer das
Teil einlenkt. Im Vergleich zu meiner Referenz (ratet mal ;-)) muß man
fast gegen den Lenker treten, um in Schräglage zu kommen. Dies ist
besonders stark ausgeprägt in engen Wechselkurven, da hat die VTR
handlingmäßig in derzeitiger Abstimmung keine Chance gegen die Blade.
Die VTR ist dabei eines der Moppeds, auf denen bereits leichte Ge-
wichtsverlagerung sehr viel für die Einlenkwilligkeit bringt.

Sehr viel wohler fühlt sich die rote auf mittelschnellen Strecken, ge-
testet im einigen hier bekannten Würmtal. Sauber und absolut stabil
zieht sie ihre Linie, nur bei sich zuziehenden Kurven will sie erst mit
viel Druck am Lenker weiter runter gehen. Die Rasten setzen ausreichend
spät auf. Das Fahrwerk funktioniert sehr ordentlich, auch auf minder
guten Belag. Dies war bei meiner ersten (kurzen) Testfahrt anders,
entweder hat hier mal einer was eingestellt, oder die Feder-/ Dämpfungs-
elemente haben sich jetzt erst eingelaufen.

Bei Geschwindigkeiten ab 180 wird sie allerdings vorne vergleichsweise
unruhig, manchmal stellt sich beim Überfahren von Querfugen ein leichtes
Lenkerpendeln ein, das aber nie besorgniserregend wird. Übrigens zieht
sie bis 230 Tacho unverschämt schnell hoch. Drüber wird´s dann zäher,
also nix für unsere Highspeedfanatiker hier.

Der Motor tritt trotz nur 98PS (glaub´ ich allerdings nicht ganz, ich
kenn´ den Händeler ;-)) aus jeder Drehzahl ab 2K an, als gäbe es kein
Morgen. Wheelies nur mit dem Gas, ohne Kupplungsunterstützung, sind null
Problemo. Subjektiv beschleunigt das Ding kaum langsamer als die Blade.
Die ersten zwei Gänge drehen gefühlsmäßig gleich schnell aus als bei
dieser. Ich denke, dat kann nit sin, und gucke: 1ter bis 100, 2ter bis
150. Na ja, da haben wir´s schon: die Blade zeigt hier 130 bzw. 185.
Nur: wer wird denn das Prachtstück von VTR-Motor bis 10.5K drehen?
Zwischen 3K und 7K ist immer reichlich Dampf da. Arg vibrieren tut das
Ding, wie es sich für einen ehrlichen V2 gehört. Überall wo ein Körper-
teil mit dem Bike Berührung hat, kribbelt´s nach einer Stunde ganz arg.
Macht aber nix, da dann bald wieder Tankpause angesagt ist.

Die BOS Töpfe bringen einen Sound, der schwindlig macht. Dumpfes
Bollern, wie bei einer 916 mit den guten Carbontöpfen, im Standgas. Beim
aufziehen ändert sich das zu einem harten Schlag, der auch gut zu den
Vibs des Motors paßt. Ab 6K wird es zu einem tiefen Dröhnen. Und beim
Gaswegnehmen ein geradezu subsonisches Brummeln. Wenn die Töpfe hoch-
gezogen wären würden sie optisch noch besser kommen. Wer zum Teufel
braucht auch an so einem Bike Soziusrasten? Insgesamt ist es _genau_ das
Klangbild, das ich von einem V2 erwarte. Raoul´s M900 klingt im Ver-
gleich wie ein Säuselmonster, und die diversen Harleys mit ausgeräumten
Töpfen (sowieso) wie fahrende Kloschüsseln. Wg. lauten Töpfen und Si-
cherheit: heute haben beim Durschlängeln im Stau die Dosentreiber regel-
rechte Sätze zur Seite gemacht, als ich mit kurzen Gasstößen ange-
donnert kam, bei meiner Säuselblade ist das leider weniger ausgeprägt. 

Fazit: wenn Honda das Handling in Richtung 'scharf' verbessert (so wie
bei der GooF wäre schon genug), durch weniger Nachlauf und/oder
steileren Lenkkopfwinkel, _und_ mehr Gewicht aufs Vorderrad bringt, ist
das Fahrwerk nahe an perfekt. Der Motor sollte etwas spitzer obenrum
sein, nach wie vor ist diese zwar extrem bullige, aber sehr gleichmäßige
Art der Kraftentfaltung (für mich) etwas blutlos. So zwanzig Pferdchen
mehr wären auch nicht zuviel. Und die Töpfe würde ich auf jeden Fall
hinmachen, ABE oder nicht. Dann noch eine schöne schlanke Voll-
verkleidung, und fertig ist das Jagdgerät.

Fazit: auf passenden Strecken müssen sich bereits jetzt viele stärkere
Reihenvierer warm anziehen. So verfeinert wie oben angedeutet, wird die
VTR zum Schrecken der Sportbikeklasse. 

Stephan
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 gus#0 wts#9 gB#1 Honda is best, fuck the rest