From: Bernhard Beutler, no@bulk.mail.any.more
Subject: Re: Falschparken mit Motorrad
Date: Fri, 20 Jun 1997 04:06:59 +0200
Organization: na logo!

In article <33A7D788.1AC46557@linux.zrz.TU-Berlin.DE>, Ulf Hildebrandt
 wrote:

>Bernhard Beutler wrote:
>>[...snip...] Und dabei kann die Behörde eben zu dem
>> Ergebnis kommen, daß Du mit Deinem Widerspruch recht hattest, und alles
>> einstellen. 
>
>Ist das in der praxis schon mal passiert, ohne das ein rechtsanwalt
>sich der sache angenommen hat??? Ich glaube nicht.

Jawoll! Ich spreche aus Erfahrung!!!

Ich nehm' das jetzt als Gelegenheit, diese leider etwas lange, aber sehr
schöne Anekdote zu erzählen:

Ich fahr mit meinem allererstem Mopped (leider ne Yamaha) friedlich die
Flughafenstraße (Berlin-Neukölln) hoch, als der Gaszug reißt (sic!).
Weiterfahren is also nich, reparieren auch nich; da ich in Neukölln wohne,
stell' ich die Karre also aufm Bürgersteig ab und lauf nach Hause -
nachdem zwei Moppedfahrer an mir vorbeigefahren sind, ohne auf mein Winken
zu reagieren. :-(

Ich hatte in der Zeit viel auf meiner Arbeit zu tun und konnte das Mopped
nicht abholen. Gut eine Woche später will ich das Mopped abholen, und es
ist weg. Ich rufe bei der Polizei an: Es ist "umgesetzt", sprich
abgeschleppt worden, weil ich Trottel in der Aufregung das Mopped genau da
hingestellt habe, wo eigentlich die Fußgänger bei grün über die Ampel
gehen hätten sollen... Aber wegen mir halt nicht konnten.

Der Trachtenverein sagt mir, wo die Karre steht: Der Stadtplan sagt mir,
daß das entschieden zu weit ist, um die Karre nach Hause zu schieben. Also
vergehen wieder ein paar Tage, bis ich endlich einen Transporter geliehen
habe und dahin fahren kann, um das Mopped einzuladen. Ich fahr die Straße
dreimal ab, rufe bei den Bullen an, wo das Mopped denn nun genau stehe,
Ergebnis: Nix Mopped. Die Straße ist eine lange und - für Berlin -
ungewöhnlich dunkle Seitenstraße; kurz und gut: der Trachtenverein hat das
Mopped am Arsch von Berlin abgestellt und dort wurde es prompt geklaut.
Natürlich meldete ich das als Diebstahl der Polizei.

Ich habe daraufhin mich mit einem Anwalt beraten in der Frage, ob ich das
Land Berlin auf Schadenersatz verklagen sollte: Die Straße, auf der ich es
abgestellt hatte, war eine vielbefahrene, beleuchtete Hauptstraße, und ich
war der Ansicht, daß die "Umsetzung" in eine unbeleuchtete Nebenstraße
ursächlich für den Diebstahl Anlaß war. Aber Staatshaftung in Deutschland
ist so ein Ding für sich, es gab noch ein bißchen Briefwechsel und es kam
nicht viel dabei heraus.

In der Folge bekam ich drei (!) Bußgeldbescheide: Einen ersten über 50,-
DM, weil ich, andere behindernd, falsch parkte; einen zweiten einen Tag
später über 75,- DM, weil ich, andere behindernd, mehr als eine Stunde
lang (sic!) falsch parkte; und den dritten ein paar Tage später aus
demselben Grund ("Fahrzeug behinderte Fußgänger erheblich"), und bei der
dritten Gelegenheit wurde das Mopped eben auch umgesetzt.

Ich legte - ohne anwaltliche Hilfe - Widerspruch gegen alle drei Bescheide
ein mit der Begründung, daß _drei_ Knöllchen wegen Falschparken bei
_einmal_ Falschparken, wenn auch über längere Zeit und verkehrsbehindernd,
wohl gegen den Grundsatz verstoßen würden, daß ein einmaliges
Fehlverhalten auch nur einmal geahndet werden könne.

Das ging alles über ca. 2 Monate hin und her, schließlich tat sich ne
Weile nichts, bis ich einen neuen Bußgeldbescheid bekam: "Ihnen wird
vorgeworfen, [bla] nicht rechtzeitig zur HU (=TÜV) angemeldet zu haben"
usw. Ich stutze und lese dann: "Tatort: Morusstraße, Tatzeit: ..."
...lange nach dem Diebstahl! Ich fahre sofort zu dem angegebenen "Tatort"
und stelle fest, daß dort mein Mopped steht, mit immer noch defektem
Gaszug, mittlerweile abgelaufener TÜV-Plakette und mit aufgebohrten
Schlössern.

Eine telephonische Nachfrage bei der KriPo ergab nur die Antwort: "Was ham
da die Kollegen von der Streife wieder Scheiße gebaut", und nach ein paar
Formularen konnte ich mein eigenes Mopped wieder in Besitz nehmen, Monate
nachdem ich es falsch geparkt hatte.

Ich legte Widerspruch gegen den neuesten Bußgeldbescheid (dem wegen der
TÜV-Plakette ein) mit der Begründung, daß ich das Mopped ja gern über den
TÜV gebracht hätte, wenn es mir nicht geklaut worden wäre, was der Polizei
ja bekannt war. In diesem Widerspruch verwies ich auch auf die immer noch
schwebenden Verfahren wg. Falschparken unter Angabe der mittlerweile fünf
verschiedenen Vorgangsnummern (Aktenzeichen). Am Ende dieses Briefes
schrieb ich, Zitat:

"Nebenbei und ohne Anerkennung jeder Rechtsfolgen möchte ich anmerken, daß
ich für Ihre Verwarnung nichtsdestotrotz dankbar bin, da erst sie zum
Auffinden meines gestohlenen Fahrzeugs beitrug. Daß Ihrem
beweisaufnehmenden Beamten PANG VÜD Nowak, A55, zwar die ungültige
Prüfplakette aufgefallen ist, nicht jedoch, daß das Fahrzeug als gestohlen
gemeldet und das Zündschloß aufgebohrt war, ist sicherlich
ermittlungstaktischen Gründen zuzuschreiben, deren Kenntnis sich mir als
Laien entzieht."



Daraufhin kamen noch ein paar Bescheide, daß das jeweilige Verfahren
eingestellt sei, ich aber die Verfahrenskosten in Höhe von jeweils DM 29,-
zahlen müsse. 8-)

Ich habe einfach nicht gezahlt und nie wieder etwas von von ihnen gehört.

Für juristisch Interessierte, besonders aber für unsere Mitleser von
Polizei und Verfassungsschutz: Die entsprechenden Vorgangsnummern,
Aktenzeichen und Schriftwechsel stelle stelle ich auf Anfrage sehr gern
zur Verfügung. ;-)
Meine Email-Adresse ist aus der .sig ersichtlich.

Quintessenz:
Ride on, hab' Mut, wehr dich und glaube nicht, daß die anderen
intelligenter seien als du selbst.

meint
   Bernhard

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