From: Manfred Handschuher, ManfredH@t-online.de
Subject: Wintersport oder: Wie halte ich mein Mopped aufrecht
Date: 24 Feb 1997 00:00:29 GMT
Organization: Telekom Online Internet Gateway

Hi drm!

Nach Ralf Ohmann's Winteralptraum ist mir heute etwas aehnliches
passiert, gluecklicherweise ohne Folgen. Das kam so:

Sonntag mittag, strahlend blauer Himmel und das Thermometer am Fenster
zeigt 12°. Hoechste Zeit, dass ich mich auf die Socken mache, damit
ich von dem schoenen Wetter noch was mitbekomme. Gestern habe ich
anlaesslich eines Verwandtenbesuches schon mal ein bisschen geuebt,
heute soll es etwas mehr werden.

Die Strecke ist ziemlich klar: Sauerlach, Endlhausen, Dietramszell,
Bad Toelz, Jachenau, Walchensee, Wallgau, Vorderriss, evtl. einen
Abstecher zum Ahornboden zwecks Kaffee und Kuchen und dann ueber den
Aachenpass und den Tegernsee zurueck.

Das Fahren bei dem Wetter macht tierisch Laune! Endlich so gut wie
ueberall trockene Strassen, bis auf ein paar Walddurchfahrten. Ich
lasse es trotzdem vorsichtig angehen, weil in manchen Kurven
vielleicht noch Split rumliegt, der bei Schraeglage nicht so ganz
gesund sein soll.

In der Jachenau wird es leider merklich kuehler. Kein Wunder bei der
geschlossenen Schneedecke beiderseits der Strasse! Vor der Bergkulisse
ziehen Langlaeufer ihre Spuren durch den glitzernden Schnee. Mit einem
Wort: traumhaft!

Hinter dem Ort Jachenau geht es bergauf Richtung Walchensee. Waehrend
ich eine Dose ueberhole, bemerke ich unregelmaessige Flaechen auf der
Fahrbahn. Was ist das? Kurz vor dem Drueberfahren erschrecke ich nicht
schlecht: EIS! IGITT! Gerade noch rechtzeitig kann ich den Eisplatten
ausweichen. Es handelt sich zum Glueck nur um einzelne Ueberbleibsel
aus kaelteren Tagen.

Direkt am See ein riesiger Auflauf von Ausflueglern mit ihren Dosen.
Am Parkplatz wieder eine Eisplatte, diesmal allerdings ohne
Ausweichmoeglichkeit, weil die gesamte Strasse bedeckend. SCH*****!!!
Mein Adrenalinspiegel steigt und ... - geschafft. Viel Luft war da
nicht mehr.

Weiter geht es am See entlang. Die Eisplatten werden zahlreicher und
ich fahre die Stuetzen auf den Boden aus. Als ca. 1 km weiter wieder
eine Dose entgegenkommt, versuche ich, mich rechts zu halten. Was ist
das? Das Hinterrad weigert sich, der Spur des Vorderrads zu folgen und
geht seine eigenen Wege. Die Leitplanke neben der Strasse kommt
bedrohlich nahe. Dank der geringen Geschwindigkeit gelingt es mir,
gegenzulenken und das widerborstige Hinterrad wieder auf seinen Kurs
zu zwingen. Irgendwie werde ich das schon durchstehen, denke ich mir.
Die Strecke auf der Suedseite des Berges zwischen Wallgau und
Vorderriss (eine meiner Lieblingstrecken) ist durch die Suedlage
sicher schnee- und eisfrei und wird mich fuer die Schlitterpartie hier
mehr als genug entschaedigen.

Aber noch ist die Strasse am Rande des Walchensees noch nicht zu Ende.
An einer Walddurchfahrt wird aus den einzelnen Eisplatten dann eine
geschlossene, mehrere hundert Meter lange Eisdecke. Na Mahlzeit. Die
Fuesse sind jetzt dauernd am Boden und ich versuche, das Hinterrad am
Ausbrechen zu hindern, was mir leidlich gelingt.

Als die Strasse schliesslich zu Ende ist, atme ich tief durch. Auf dem
folgenden Stueck nach Wallgau kommt dann wieder richtig Freude auf:
trockene und ausreichend breite Strasse, um etlichen Dosen mein
Ruecklicht zu zeigen. Die Strecke nach Vorderriss wird bestimmt super!


Wird sie auch, aber in anderer Weise, als ich mir gedacht habe. Auch
hier bremsen zunaechst einzelne Eisplatten meinen Vorwaertsdrang. Die
Eisplatten gehen in Eisbaender mit schmal Fahrstreifen ueber. Ich habe
ausreichend damit zu tun, in der Spur zu bleiben. Hin und wieder komme
ich an den eisigen Rand mit dem Effekt, dass das Vorderrad weg will.
Krampfhaft halte ich den Lenker fest.

Es dauert nicht lange, und aus den Spurrillen wird eine geschlossene
Eisdecke. Aha, so ist das also, wenn man auf Eis faehrt. Ist doch gar
nicht so schlimm. 2 Gang, wenig Gas, Fuesse auf dem Boden. An einer
Steigung blitzt das Eis richtiggehend. Ob ich da raufkomme? Nur Mut,
wird schon gehen. Es geht auch.

Kurz danach passiert es: Die Strasse ist in der Mitte ziemlich
ueberhoeht und ich fahre von der Mitte zur Seite, um eine Dose
vorbeizulassen. Schliesslich will ich mit meiner Zitterpartie ja nicht
die ganze Strasse blockieren. Kaum ist der Dosenfahrer vorbei, gibt es
auf der seitlich abfallenden Strasse kein Halten mehr und ich finde
mich in 90°-Schraeglage wieder. Der Motor laeuft noch und ich
betaetige auch schoen brav den Killschalter (Zuendschluesel haette es
auch getan, aber der Killschalter war griffguenstiger). Ich rapple
mich auf und habe Muehe, auf den Beinen zu bleiben. Natuerlich moechte
ich sofort mein Mopped aufheben. Ist aber nicht. Auf dem Eis ist
absolut kein Halt zu finden und ausserdem befindet sich das Hinterrad
etwa einen halben Meter hoch im Schneehaufen steckend.

Der Dosenfahrer, den ich vorbeigelassen habe, hat angehalten (beim
Sturz bin ich zufaellig an die Hupe gekommen, weshalb er wohl in den
Rueckspiegel geschaut hat), steigt aus und hat ebenfalls Muehe, seine
aufrechte Position zu behalten. Ich bitte ihn, mir beim Aufheben des
Moppeds zu helfen. Zu zweit geht es. Schadenskontrolle: Rueckspiegel
verstellt und der linke Koffer haengt etwas traurig in der Gegend rum,
gehalten nur noch durch das Schloss. Hat sich einfach ausgehaengt.
Also Rueckspiegel zurechtgerueckt und Koffer wieder eingehaengt.

Wenn nur alle Stuerze so glimpflich abgingen! Ich schwinge mich wieder
auf's Bike und fahre/rutsche weiter. Eine Besserung der
Strassenverhaeltnise ist absolut nicht in Sicht. So geht es weiter,
Kilometer um Kilometer. An exponierten, der Sonne voll zugaenglichen
Stellen gibt es zwischendurch mal ein paar Meter trockene Fahrbahn.
Aber schon bei den naechsten Baeumen ist damit wieder Schluss.

Als die Bewaldung geringer wird, werden anstatt durchgehender
Eisflaeche wieder Spurrillen geboten. Ehrlich gesagt war es mir vorher
lieber. Immer wieder touchiere ich die Eisraender und habe Muehe,
nicht abzusteigen. Schliesslich kommt es, wie es kommen musste: Nach
einer Beruehrung des Eisrandes liege ich zum zweiten Mal auf der Nase,
diesmal vollkommen ohne Folgen. Mein Mopped kann ich auch alleine
aufheben und so steht einer Weiterfahrt nichts im Wege.

Irgendwann hoert der Horrortrip dann auf und ich habe wieder Asphalt
unter den Raedern. Ein paar Moppedfahrern, die mir entgegenkommen,
rate ich von einer Weiterfahrt dringend ab. Schliesslich komme ich zum
Ende der Mautstrasse. Der Wegweiser gibt mir Auskunft ueber die
zurueckgelegte Strecke: 13 km! Davon waren ungefaehr 10 mit
geschlossener Eisdecke. Auch ein Rekord.


Zurueck geht es dann ueber den Sylvenstein-Stausee und den Aachenpass,
der micht mit seinen wenigen Kurven doch etwas fuer die Zitterpartie
entschaedigt. Danach dann nur noch der bekannte Dauerstau vom
Tegernsee bis Holzkirchen, den ich auf der Gegenfahrbahn hinter mich
bringe. Kurz nach vier Uhr bin ich dann wieder zuhause.


Fazit:
Solange die Strasse einigermassen eben ist, kann man auch bei Glatteis
fahren. Stuerze sind harmlos, solange keine Dosen in der Naehe sind
und zusaetzlichen Schaden verursachen.

Manfred