From: Manfred Handschuher, manfred.handschuher@mch.sni.de
Subject: Kann man den Winter nicht ausfallen lassen?
Date: Wed, 20 Nov 1996 07:35:30 GMT
Organization: personal opinion

Hai!

Nach den Berichten gestern abend im Fernsehen ueber Schnee und Eis im
Norden dieses unseren Landes muss ich mal meiner sadistischen Ader
nachgehen und einen kleinen Bericht aus dem Sueden liefern.

Der gestrige Tag begann hier in Muenchen wie die vorhergehenden auch:
grau und trist, also genau richtig fuers Buero. Irgendwann am
Vormittag faellt mein Blick aus einem Fenster hier in Data-Sibirsk
Richtung Sueden. Der Ausblick ist zwar nicht neu, aber trotzdem immer
wieder berauschend: Die Alpen zeigen sich dank Foehn in ihrer ganzen
Schoenheit.

Spaeter am Vormittag die ersten blauen Stellen am Himmel, mittags
scheint dann voll die Sonne. Ich werde immer unruhiger, die rechte
Hand kribbelt (warum wohl?). Soll ich oder soll ich nicht? Gibt es
heute noch etwas, das man nicht genauso gut morgen erledigen koennte?
Antwort: nein. Also um 13:00 raus aus dem Buero, nach Hause und Kombi
anziehen. Der Blick auf den Thermometer zeigt durchaus akzeptable 6
Grad. Dann rauf aufs Mopped und ab Richtung Alpen!

Gleich zu Anfang werde ich an einer etwas schneller gefahrenen Ecke
mit der reduzierten Reifenhaftung bei niedrigen Temperaturen
konfrontiert. Ok, also langsamer. Zunaechst geht es ueber Dietramszell
nach Bad Toelz (Strecke ist einigen Alpentouris bekannt). Traumhaft!
Bei Walddurchfahren ist der Spassfaktor allerdings nicht so gross.
Trotz vorsichtiger Fahrweise bricht auf der feuchten, fast glitschigen
Strasse in Kurven beim Beschleunigen immer mal wieder das Hinterrad
aus.

Von Bad Toelz fuehrt mich mein Weg Richtung Jachenau/Walchensee. Die
Mautstelle hinter Jachenau ist um diese Jahreszeit mangels
Ausflueglern/Touris nicht mehr geoeffnet und ich kann 5.- Maut sparen.
In dem Masse, wie die Strasse jetzt ansteigt, wird der Schnee am
Strassenrand mehr und die Temperatur niedriger.

Am Walchensee angelangt, warnt ein Schild am Strassenrand vor
erhoehter Glatteisgefahr. Kaum bin ich an dem Schild vorbei, sieht die
Strasse etwas komisch aus. Vorher noch feucht, ist sie jetzt etwas
gesprenkelt. Gruebel! Erst mal zum Test beidseitig die Stuetzen
ausgefahren. Eine nennenswerte Reibung zwischen Stiefelsohlen und
Fahrbahnbelag ist nicht mehr festzustellen. Sch*****! Vielleicht
sollte ich doch etwas langsamer fahren, schliesslich habe ich am
Vormittag erst den Bericht von Ralf Ohmann in drm gelesen. Also
zweiter Gang und vor dem Einkuppeln wieder die Beine auf den Boden.
Geht gut. Ufff! Die Pfuetzen am Strassenrand haben eine schoene
Eisschicht. Gluechlicherweise ist auf der Strasse kein richtiges
Glatteis, vielmehr handelt es sich um einen Zustand, den man glaube
ich ueberfrierende Naesse nennt. Kein Wunder, die Strasse liegt an der
Nordseite eines Berges und bekommt um diese Jahreszeit den ganzen Tag
keinen Sonnenstrahl ab.

Waehrend einer kleinen Pause berausche ich mich am grandiosen Blick
auf den Walchensee und dem Herzogstand im Hintergrund. Danach geht es
mit aeusserst angepasster Fahrweise weiter. In Wallgau biege ich auf
die Mautstrasse an der Isar entlang Richtung Vorderriss ab, eine
meiner Lieblingsstrecken (sollte den erwaehnten Alpentouris ebenfalls
bekannt sein). Auch hier kostet es keine Maut.

Sonne und leichter Nebel ueber der Isar wechseln sich ab, die Strasse
ist weitgehend trocken, keine Dosen unterwegs und so kommt echte
Fahrfreude auf. Am Ende der Mautstrecke verwerfe ich angesichts der
fortgeschrittenen Stunde den Gedanken, noch einen Abstecher zum
Ahornboden zu machen, hin und zurueck immerhin weitere 50 km.

Die Abzweigung am Sylvenstein-Speicher Richtung Bad Toelz lasse ich
links liegen und fahre am See weiter Richtung Achenpass. Schoeoeoen!
Hinter dem Achenpass, die Sonne ist mittlerweile hinter den Bergen
verschwunden, kriecht mir langsam die Kaelte in die Knochen und ich
ueberlege, ob es nicht moeglich waere, den Winter mal ausfallen zu
lassen. Auch bin ich hin- und hergerissen, ob ich mir nicht vielleicht
doch eine Thermokombi kaufen soll. Trotz Skiunterhose und Fleecepulli
ist es in der Lederkombi auf Dauer doch etwas kalt. Und die Kaelte
wirkt sich leider auch negativ auf die Reaktionsfaehigkeit aus.

In Tegernsee genehmige ich mir zum Aufwaermen einen Kaffee samt
Apfelkuchen und geniesse dabei den Blick auf den Tegernsee. Kurz nach
17:00 Uhr bin ich wieder zuhause, etwas geschafft, aber happy.

Fazit: die 3,5 Stunden und 200 km haben sich heute echt gelohnt!

Manfred

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Manfred Handschuher, GRR #4 (GGRR), BMW K75 '95 ('94), 23 Mm
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