From: Andreas Portz, portz@fibronics.de
Subject: Erlebnisbericht: Colle di Finestre
Date: Mon, 30 Sep 1996 10:37:53 -0700
Organization: Fibronics Kommunikationssysteme

Hallo d.r.m!

Meine Alpentour war zwar schon Ende Mai direkt nach Oeffnung aller 
Paesse, aber bisher bin ich einfach nicht zum Tippern gekommen. Deshalb 
sei jetzt noch ein kleine Anekdote nachgereicht.
Ich war in Norditalien auf der Strecke zwischen Sestričre und Perosa 
unterwegs. Von dort aus hatte ich mir vorgenommen direkt ueber den 
Gebirgszug nach Norden Richtung Susa und dann weiter in die Schweiz zu 
fahren. Zu diesem Zweck habe ich mir extra ein kleines aber feines 
Straesschen aus dem Atlas ausgesucht. Die Karte war Masstab 1:750 000, 
d.h. die halben Alpen auf zwei Din A4-Seiten. Man sollte also an	
nehmen, dass jede Strasse, die hier eingezeichnet ist auch als solche 
existiert. Aus der Legende der Karte war dazu zu entnehmen:

Graue Linie: sonstige Strasse (hier haette ich eigentlich stutzig werden 
sollen, aber wie gesagt: der Masstab)
Gruene Beilinie: landschaftlich reizvoll (und nicht nur landschaftlich, 
dass kann ich sagen!)

Ich also kurz vor Mentoulles links abgebogen und auf einer erstklassig 
geteerten, wunderbar an den Berg geschmiegten Strasse emporgeklettert. 5 
km spaeter wurde der Wald dichter, die Strasse enger und ungepflegter. In 
einer langgezogenen Rechts stand dann am Wegesrand (mehr als ein Weg 
warīs wirklich nimmer!) ein verwittertes Schild, auf dem ich im 
Vorbeifahren auf italienisch und franzoesisch gerade noch sowas in 
Richtung "Ab hier Weiterfahrt auf eigene Gefahr und nur mit 
allradgetriebenen Vehikeln empfohlen!" lesen konnte. Was sollīs, denke 
ich mir, īne XJ 900 F ist schon gelaendetauglich genug fuer soīn 
Eselspfad . Das Grinsen sollte mir aber nochmal gehoerig aufstossen!

Kurz danach - ich war gerade damit beschaeftigt 270 kg Mopped und Gepaeck 
wieder in die Spur zu bringen, weil mich der Schotter am Ende der 
Teerstrecke hinter der Kurve *etwas* unkonzentriert erwischte - kam mir 
eine Gruppe Wanderer entgegen. Die haben mich ziemlich entgeistert 
wahrgenommen und kopfschuettelnd "vorbeigelassen".

Ab hier warīs dann wirklich nur noch eine Strecke fuer Crosser und 
Gebirgsziegen: Geroell bis zur Groesse eines Kopfes, Schlagloecher, die 
auch solche Wackersteine problemlos aufnehmen konnten und jede Menge 
Wasser/Matsch. Die Steigung war noch relativ harmlos, genauso wie die 
paar Murmeltiere, die mir hinterhergrinsten. Wohlgemerkt, auf dieser 
Seite des Berges!

Unterwegs kam ich an einer Gabelung vorbei, wo mich ein Schild davon 
ueberzeugte, dass ich immer noch auf dem richtigen Weg war. Nach ca. 30 
Minuten stand ich schliesslich neben einem total verfallenen Haeusschen 
oben auf dem "Pass". Leider gabīs hier weder ein Bikertreffen noch 
Postkarten :-)). Ohne so richtig auf den weiteren Weg zu achten, bin ich 
dann mit ca. 7-10% Gefaelle talwaerts geeiert. 100m habe ich gerade noch 
geschafft, als ich weitere 100m vor mir etwas unfreundliches auf der 
Piste liegen sah: So īne kleine, handliche Lawine. 10m Breit und 1m hoch. 
Ich also angehalten und die Muehle geparkt. Gar nicht so einfach, in 
einer Lederkombi, mit dickem Pullover darunter, sich soweit zu buecken, 
dass man einen passenden Stein unter den Seiterstaender legen kann!

Beim Begutachten des Hindernisses zeiten sich dann einige Spuren von von 
Fussgaengern und Moutainbikern. Waehrend ich noch darueber nachdachte, ob 
die Stollenreifen nicht vielleicht doch von īner kleinen Enduro .. und 
eventuell auch īne grosse XJ ..?
Aber der ausschweifende Blick die Serpentinen runter ueberzeugte mich 
davon, dass die in der Karte vermerkten 15% Gefaelle gepaart mit Schnee, 
Geroell, einbrechender Daemmerung und Ortsunkenntnis ueber die weitere 
Streckenfuehrung doch etwas viel waren ... Ach ja, der wohlbekannte Mt. 
Chaberton, den ich leider nur aus der Literatur kenne, war auch nur ca. 
40 km Luftlinie entfernt.

So! Das niederschmetternde Gefuehl des Rumdrehenmuessens hatte sich 
gerade wieder gelegt, da wurde ich mir darueber klar, dass mein Mopped in 
die falsch Richtung stand. Talwaerts, voll beladen, aufīm knapp 2m 
breiten Geroellstreifen ... Aechzt, schnauf, rumwucht, hin- und herschieb 
... Prima, ohne hinzufallen schon nach wenigen Minuten quer zur Piste! 
Kurz abstellen und verpusten war nicht, denn so abschuessig wie das 
Gelaeuf dort war, passte der Seitenstaender irgendwie nicht zum Boden.

Nach īner weiteren kleinen Ewigkeit hatte ich die Kiste wieder auf Kurs 
und erfreute mich einem herrlichen Abendrot auf einer angenehm flach zu 
Tal fallenden Geroellstrecke. Leider auf der falschen Seite der Berges 
und mit einigen Murmeltieren am Streckenrand, deren freches Grinsen mir 
verdaechtig bekannt vorkam ...

 

  -Andreas


Eigentlich ist DOS nur ein besserer Tastaturtreiber,
der netterweise in der Lage ist, auch Daten von Floppys
und Festplatten zu besorgen und sie dort ablegen zu lassen