From: François Hendrickx, hendrick@crpcu.lu
Subject: Erste Ausfahrt mit der VFR (Outing, lang)
Date: 19 Aug 96 20:07:08 GMT
Organization:

Hallo allerseits,

Dieses Wochenende war die erste Ausfahrt mit der neuen VFR angesagt.
Wie schon berichtet, ist sie vorletzten Sonntag geliefert, eine
schwarze RC24 (1989, 35.000Km, sieht top aus, kein kratzer). Sie
musste noch zugelassen werden in Luxemburg, also letzter Urlaubstag
aufgenommen und am Freitagmorgen zur Zulassungsstelle in Esch
(natürlich hatte ich sie am vorigen Abend noch mal blitzeblank
geputzt und gewachst, und [outing mode on] geküsst [outing mode off]).
Und derart herausgeputzt ging's dann nach Esch, Luxemburger Nummernschild
schon dran, alle Papiere dabei. Der Papierkram war in 7 Minuten erledigt, 
allerdings hatte die Gute nach der Umschreibung 3 Kw und 4 Kg. zulässiges
Gesamtgewicht hinzubekommen. Jetzt hat sie durch einen Federstreich 77 Kw.
statt deren 74, wie vorher (ach ja, ich habe die Maschine in Köln gekauft,
sie hatte also eine Deutsche Zulassung mit allem dazugehörigen PiPaPo, 
sowie eine bescheinigte Gesamtleistung von 74 Kw (offen)). Über diesen
mühelosen Leistungszuwachs freute sie sich sichtlich, in der Hauptunter-
suchung blinzelte sie aufgeregt mit den Blinkern. Die HS war im 
übrigen eine Farce, in Vergleich dazu ist der Deutsche TüV eine
sehr seriöse Angelegenheit (und seitdem ich in Saarbrücken mein
altes Polo-unseligen-Angedenkens zugelassen hatte, weiss ich wie's
_dort_ zugeht). Geprüft wurden: Abgaswerte, Licht, Bremsen.
Letzerer Test musste ich selber auf einem für A***s gemeinten Rollenprüfstand 
durchführen, dabei ist mir bei der Vorderradbremsung natürlich die
Maschine fast abgeschmiert weil sie in keinster Weise gesichert war.
Das war dem Prüfer dann wohl auch zu doof, er meinte, wär schon ok,
ich wüsste schon was ich mache, gell?

Enfin, war alles ok, ich konnte den neuen Fahrzeugbrief abholen und
lossfahren. Gesagt, getan, und dort stellte ich fest dass es auf
einmal auch keine Reifenbindung mehr gab, alles ist erlaubt. Als ich
den Prüfer daruf ansprach, meinte der nur, dass man '... in Deutschland
immer einen ganzen Roman im Fahrzeugbrief schreibt über was man darf und 
was nicht, das ist uns zuviel Aufwand. Die Motorräder sind ja heutzutage
alle so sicher, da spielen die Reifen gar keine Rolle mehr'. 
Ich liebe dieses Land!

Und somit stand dann nichts mehr meine erste Ausfahrt im Weg. Die sollte
durch Nordluxemburg und die Eiffel, am Ring vorbei nach Recklinghausen 
führen, zu den Schwiegereltern (liess das noch mal: wer hat schon Schwiegereltern
die einem zu einen solchen 'Umweg' zwingen?). 
Jetzt sollte man vielleicht noch wissen, dass ich vorher immer
'Klassiker' (=spät-70er Motorräder) gefahren bin. Der Umstieg auf eine 
moderne Strassenmaschine ist daher nicht ganz so einfach wie ich mir
das erhofft hatte. Nach zirka 60 Km.: schmerzende Handgelenke, schmerzender
Rücken/Nacken (Muskeln verkrampft hoch im rechten Schulter, nahe der 
Wirbelsäule, tut ziemlich weh, weiss jemand Entspannungs/Dehnungsübungen?),
Arme schmerzen, wegen dem Stummellenker ist die Maschine zunächst nicht so 
handlich wie meine Klassiker (die alle einen überbreiten Lenker hatten),
und mein Vertrauen in Testberichte ist erst mal dahin. 
Erste Pause. Schweissgebadet steige ich ab, mache einige Dehnungsübungen
und versuche, mir das was ich in der Fahrschule gelernt habe, wieder
zu verinnerlichen (bin ja schlussendlich drei Jahre gar nicht mehr
gefahren). Vielleicht wäre eine Enduro doch besser gewesen? Vielleicht
bin ich einfach zu bequem zum Motorradfahren geworden? Zweifel, Reue.

Nach einigen Minuten denke ich mir: Ach was, du versuchst es einfach noch 
mal von vorne, entspannen, locker bleiben, nicht zu schnell fahren. 
Und siehe da: ab dann ging's wesentlich besser. Klar, die Schmerzen in
den Handgelenken kamen wieder, genau wie diese verflixte Verspannung
im Schulter (tut echt weh, was macht Ihr Sportsmen und Sportswomen
da?), aber wenn man sich erst einmal an den breiteren und flacheren
Reifen gewöhnt hat (Klassiker: hinten 120er oder so, Diagonalreifen
von [outing mode on] Continental [outing mode off]), dann ist die VFR
tatsächlich ziemlich viel handlicher als meine Klassiker es je waren.
Vor allem hat die VFR ein Fahrwerk, und Bremsen die wirklich funktionieren.

Letzteres kam mir nach zirka 1.5 Stunden gerade recht. Ich war mittlerweile
bis in die Eiffel vorgedrungen (von Prüm auf dem Weg zur A1), ich wurde müde,
alles schmerzte (mittlerweile hatte sich auch das Allerwerteste diese
Symphonie in D-moll angeschlossen), aber es ging immer besser, almählich
fing ich an, mir und die Maschine zu vertrauen, da wurde das, was
bis dahin eher wie ein Eiertanz ausgesehen hatte, zu einer Achterbahnfahrt.
Und es war wirklich irre schön wie leicht und einfach das alles ging:
auf die Kurve zu, etwas bremsen, auf dem Scheitelpunkt Gas auf, und
auf zur nächsten Kurve, easy! Der Motor ist wirklich eine Wucht und
stellt alles was ich bisher gefahren bin weit hinten im Schatten. 

Aber wie gesagt, ich war müde, wurde almählich unkonzentrierter
ohne es richtig zu merken, da habe ich meine erste Warnung gekriegt.
Während der Achterbahnfahrt ging es durch einem Waldstück auf die
nächste Kurve zu. Sonniges Wetter, warm, abwechselnd Schatten und
direktes Sonnenlicht, Landstrasse, griffiger Asphalt. Ich hatte gut
90 drauf, würd' ich sagen. Da seh ich plötzlich, dass sich mitten in der
Kurve, auf dem Scheitelpunkt, der Belag wechselt von griffigem Asphalt
zu Asphalt ohne Splittbelag. Zum Bremsen war's eigentlich zu spät, habe 
trotzdem gebremst so fest ich mich traute und habe nur gedacht: hoffentlich
hält der Reifen, hoffentlich hält der verdammte Reifen...

Ich konnte aber nicht vermeiden dass ich aus der Kurve 'rausgetragen wurde
und auf die Gegenfahrbahn landete, wo mir eine Dose entgegenkam, auch mit 
geschätzte 60-70 Kaemha, Holländische Touristen, was sonst. Die haben sich die
Landschaft angeschaut und sich über ihren Urlaub gefreut, na ja, wer will's
ihnen verbieten, gell? Mich haben sie allerdings erst gesehen als es schon 
fast zu spät war (ich hatte vergessen zu Hupen, auch so'n Anfängerfehler),
und ich bin in Todesangst auf denen zu, wie in einer Zeitlupe sah ich sie 
auf mich zukommen... Zum meinem Glück ist der Dosenfahrer rechtzeitig aufgewacht, 
hat gebremst was das Zeug hielt (rauchende Reifen, habe ich noch nie gesehen), 
und ich bin harscharf an denen vorbei. Ich habe dann erst mal angehalten bis 
der argste Rappel vorbei war, und habe mir gründlich überlegt was ich alles 
falsch gemacht hatte. Mich selbst überschätzt. Zu Müde geworden. Die Reifen und 
das Fahrwerk der VFR unterschätzt (was meint Ihr?). Unkonzentriert gefahren, 
dazu zu schnell. Wenn ich eins richtig gemacht habe, dann ist es wohl dass 
ich in der Schrecksekunde nicht auf die Dose geschaut habe, sondern rechts 
daneben auf der Fahrbahn, dort wo ich hinwollte. Aber das war auch schon alles. 
Sonnst habe ich alles falsch gemacht was man falsch machen kann. Ich schaemte 
mich, hatte Angst weiter zu fahren, dazu auf der Scheisskiste wovon ich eigentlich 
ziemlich enttäuscht war. Bis mir dann klar wurde, dass das Problem nicht das 
Krad war, sondern der Fahrer. Und der war jetzt aufgewacht, hatte wie gesagt
seine erste Warnung gekriegt, und ich hoffe die reicht für eine lange, lange
Zeit. 
Na ja, nach einer Viertelstunde und zwei Zigaretten habe ich mich dann 
aufgerafft. Die Dose war weitergefahren, ich hätte mich so gerne bei den
Leuten entschuldigt und bedankt, ich kam mir so was von dämlich vor, Ihr
glaubt's gar nicht. Jedenfalls war ich, wie gesagt, jetzt wach, aber der  
Rest der Fahrt hatte nichts mehr von der vorangegangenen Achterbahnfahrt. 
Es war wieder ein Eiertanz geworden. Hinterher ist dann zwischen mir
und der VFR trotzdem alles gut geworden, aber das ist eine andere Geschichte, 
die erzähl ich vielleicht später mal, wenn Ihr sie denn hören möchtet.

Unbequemer als ich gedacht hatte finde ich sie immer noch, aber das ist
vielleicht eine Sache der Gewöhnung? Sonnst bin ich von dem Motorrad
begeistert, obwohl sie einige Ecken hat die mir nicht so gut gefallen.
Aber Donnerstag geht sie zur Inspektion, vielleicht ist hinterher alles ok?

Bis denne,



Francois


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Francois Hendrickx, CRP/CU
13, Rue de Bragance
L-3440 Luxembourg
hendrick@crpcu.lu