From: Bernard M. Piller, piller.b@magnet.at
Subject: Bericht Bruenn
Date: Sun, 7 Jul 1996 23:02:09 +0200
Organization: bmp System Support

Wie langatmig in der vergangenen Woche angekuendigt ("Daumendruecken
fuer Hoss"), habe ich das vergangene Woche wieder auf meiner
Haus-Rennstrecke, dem neu asphaltierten Masaryk Ring in Bruenn
verbracht.


SAMSTAG:
Die Anreise war schnell und problemlos, dank einer neu fertiggestellten
Schnellstrasse ist die Fahrzeit um ca. 30 Minuten, die Distanz um ca. 30
km reduziert. Mit dabei waren Berndi (FZR 600R) und Peter (ein Freund
von Berndi, Raoul und mir). Peter ist eben in den
Anschaffungsvorbereitungen fuer sein erstes Sportmotorrad und hat am
Ring ziemlich Lunte gerochen (er ist ein Langzeit-Motorsport-Kranker).
Im Fahrerlager traf ich dann noch einige Freunde und Bekannte, gute
Stimmung war programmiert. Die traumhafte, suechtigmachende Atmosphaere
im Fahrerlager war durch die grosse Gruppe (Kinder auf
Kindermotocrossmaschinen) und Zeltlager noch verstaerkt. Man muss das
vermutlich erlebt haben um es zu lieben.

Wir waren also puenktlich vor 9:00 Uhr im Fahrerlager, Bestaetigung
abgeben und Stempel holen, Bikes abladen.
Dann noch etwas Zoegern, eine feuchte Fahrbahn vom Regen der Nacht
verhinderte vorerst einen Einsatz meiner mit Slicks bestueckten CBR. Ich
schleiche durch die Boxenstrasse und will spionieren, wann die ersten
auf Slicks hinausgehen. Aber es ging relativ schnell, der sehr rauhe,
neue Belag wurde rasch trocken und wir sind hinaus.
Ich bin dann langsame Aufwaermrunden gefahren, Slicks bei den kuehlen
Verhaeltnissen sorgfaeltig warmfahren und die neuen Bodenwellen suchen.
SUPER, der neue Asphalt ist ein Traum, ueberhaupt nicht schmierig
(obwohl innerhalb einer Woche aufgetragen), alle alten, boesen
Bodenwellen und Risse sind weg, lediglich Ausgangs der ersten Kurve sind
neue, leichte Wellen.
Das Rennen "Pro 600" (nur Hubraumlimit, keine technischen
Einschraenkungen) war fuer Sonntag 12:00 angesagt, kein Qualifying.

Berndi und ich sind dann ueber den ganzen Tag trainieren gewesen, ich
habe eine neue persoenliche Bestzeit erzielt (2:27:23) und damit ein
Ziel fuer das Wochenende erreicht. Das Oehlins-Federbein, die geaenderte
Uebersetzung und die andere Vergasernadelstellung funktionieren bestens.
Sensationell der Bernd, der an seinem zweiten Bruenn Wochenende bereits
mehrere 2:33er Runden abspulte und einmal im "Sog" eines schnelleren
Kollegen sogar eine 2:30 hinschmetterte.
Diese Vorstellung ermutigte Peter und mich, Bernd zu ueberreden das
Einsteiger-Rennen am Abend zu bestreiten. Mittlerweile war Bernd's
Freundin Dani angekommen, sie war von dieser Idee nicht ueberzeugt.
Das Rennen war gut besetzt, der chaotische Massenstart nach
Reitwagen-Modus (alle Starter auf 2 Reihen starten 200m vor der ersten
Kurve durch Flaggensignal) ging ohne Sturz von sich. Ende der ersten
Runde, Berndi ist an 6. Stelle und krallt sich in Kurve Eins den
Fuenftplazierten. Dani und ich sitzen auf der Haupttribuene und stoppen.
In der 2. Runde kommt kein Berndi vorbei...fast eine Minute vergeht,
Dani loechert mich mit entsetztem Blick und nervoesen Fragen: "Hoss,
heisst das es ist ihm was passiert". Ich beruhige: "Passiert ist ihm
nix, sonst waere der Krankenwagen hinausgefahren, wahrscheinlich Sprit
ausgegangen", Dani: "Er hat vorher getankt", ich: "dann irgendein
anderer Defekt". Ploetzlich kommt er in langsamer Fahrt und faehrt in
die Box, die Yamaha offensichtlich unbeschaedigt, er besieht das
Vorderrad. Wir stuerzen zu ihm, Bernd: "Ich wollte unten eingangs
Karusell aussen ueberholen, er hat mir keinen Platz gelassen und ich
musste durchs Kiesbett, hab's aber derhalten". Ich: "Ausgebremst wird
innen, und warum gibst auf?", Ausrede: "Ich habe mir die Schulter
verrissen".
Im Rennen waren dann 3 Fahrer in Front, die atemberaubende Rundenzeiten
erzielten und in Folge dessen aus der Wertung des Einsteigerrennens
genommen wurden. Bernd haette einen Podestplatz (und damit auch einen
netten Sachpreis) erhalten.

Der als Abendprogramm angekuendigte grosse "Wheelie-Bewerb" entpuppte
sich als One-Man-Show. Lange, schnelle Wheelies und Stoppies wurden
dennoch gezeigt.

Nach den ersten Bieren haben Peter und ich dann einen kleinen
Abendspaziergang unternommen. Auf der Strecke um die Strecke,
eineinviertel Stunden auf der Ideallinie um den 5400m langen Ring. Ein
sehr interessantes Unterfangen, mehfach blieben wir stehen um
Linienvarianten zu diskutieren. Ueber der Strecke, die in einer
huegeliegen Waldlichtung liegt, zu dieser Zeit ein toller
Sonnenuntergang. Die letzte Kurve der Strecke, die neu gestaltet ist,
haben wir uns besonders genau angesehen. Ich vermutete eine neue Linie
fahren zu koennen, die durch die hoehere Ausgangsgeschwindigkeit auf die
Start-Ziel-Gerade 5 Zehntel bringen muesste.
Ein bisschen Sorgen machte ich mir um meine Reifen, die rechts ziemlich
abgefahren waren und ich befuerchtete das Rennen am Sonntag Mittag mit
den Pirelli Dragon bestreiten zu muessen (ohne vorher mit ihnen
ausreichend trainiert zu haben).


SONNTAG:
Ich bin gleich um 9:00 hinaus und bin ein gemuetliches fuenf Runden Set
gefahren um zu sehen, wie stark die Slicks abbauen und ob sie das 10
Runden Rennen (+2 Einfuehrungsrunden) noch aushalten werden.
In der Box lichtete sich mein Blick, die Reifen zeigten Standfestigkeit
und ich pruegelte sie noch einmal 10 schnelle Runden. Ich bin durch
Zufall mit einem schnellen CBR Piloten zusammengekommen, mit dem ich
dann einige super Runden hinlegte und eine 2:26:71 erzielte (war das die
halbe Sekunde aus der letzten Kurve?).
Dann Pause eingelegt, Fahrwerk etwas haerter gestellt um die Reifen zu
schonen (zeigten Spuren eines zu weichen Setups, die Sonne war
herausgekommen) und den Luftfilter gewechselt.

Es war 11:00, noch eine Stunde bis zum Start, Nervositaet stieg im sonst
so coolen Hoss auf. Es waren Samstag 170 Fahrer gemeldet, ich gehoerte
wie immer zu den schnellen, wenige hatten mich auf der Strecke
ueberholt. Leider ist es aber so, dass man ja im Pro-Rennen nicht gehen
die 120 Nasenbohrer faehrt sondern gegen die paar schnellen, die nicht
so auffallen.

Bereits bei der Aufstellung zum Vorstart war mir klar, dass es da fuer
mich nicht viel zu holen gibt. 26 Starter, der Grossteil wirkte alleine
optisch (Fahrzeug, Fahrer) schon sehr schnell. Der Modus war wie gehabt,
2 flotte Einfuehrungsrunden, dann Aufstellung auf 2 Linien 200m vor der
1. Kurve und Flaggenstart.
Also beruhige ich mich: "Beim Start keine Kollision, nichts mit der
Brechstange, das Rennen ist lang, die Reifen schonen". Ausserdem waere
ein Sturz vor allem wegen der bevorstehenden Alpentour sehr bloed.

Der Start klappt wider Erwarten gut, ich komme links aussen (Ideallinie)
gut weg, leider ist die Linie bei so einem Start aber ein Nachteil, da
das ganze Feld wie ein Bienenschwarm nach innen strebt. Es geht sehr
disipliniert zu, alle passen auf, es kommt zu keiner Kollision. Nach der
ersten Schikane oben am Huegel faedelt sich das Feld langsam auf. Die
ersten Ausritte in den Kies sind im Vorderfeld zu beobachten.
Ich bin hinter einem CBR und einem Thundercat Fahrer, meine Position
weiss ich natuerlich nicht.
Der CBR Fahrer lowsided in einer Linkskurve, Thundercat und Hoss kommen
aber problemlos durch. Der Thundercat Fahrer haelt mich zu Beginn
ziemlich auf, ich riskiere aber keinen Ueberholversuch, die YZF geht auf
der Geraden extrem gut., wir fahren 2:30/2:31er Zeiten. Ein
Schulterblick ab und zu sagt mir, dass die "Verfolger" bereits
abgerissen sind. Lediglich ein ZX6-R Fahrer mischt uns irgendwann
plotzlich auf, keine Ahnung wo der her kam, vielleicht war es jener, der
in der ersten Runde in den Kies musste.
In den kurvigen Passagen kann ich auf die Thundercat jedesmal
aufschliessen, der Typ faehrt einen altmodischen Stil, wenig Hang-Off,
starke Schraeglage, Funken spruehen, das Heck der Yamaha ruehrt. Es ist
ca. Runde 6, ich versuche Druck zu machen. Meine Onboard-Stoppuhr sagt
mir 2:29er Rundenzeiten. Leichtes Wackeln aus den Rechtskurven erinnert
mich an meine Reifen: "sachte, sachte, es ist erst Halbzeit".
In Runde 8, hinausbeschleunigen auf die Start-Ziel-Gerade, ich denke mir
noch "weite Linie, schau dass Du in den Windschatten der Thunny kommst,
die Reifen werden halten, probieren wir's". Schaltpunkt 4. Gang, ca.
140km/h ein Riesenslide des Yamahapiloten und die Thundercat zerfetzt es
in 1000 teure Platikteile am Weg ins Kiesbett. Er am Hintern rutschend
hinterher. Ich denke mir "hehe!", drehe mich um "keiner mehr da" und
fahre die letzten 2 Runden locker zu Ende. 15. Platz.

Bei der Siegerehrung stellt sich heraus, dass der Sieger (Rundenzeiten
2:19!) Honda-Cup Fahrer ist und der Zweitplazierte eine Teilnahme an der
Supersport Staatsmeisterschaft vorbereitet. , na bei so einem
Starterfeld muss man nicht gewinnen. Immerhin haette ich nach dem
FIM-Reglement 1 WM Punkt erreicht! :-)

Euer Hoss.

* Hoss (rrr#33)           Vienna, Austria *
* '92 Honda CBR 600F2 & '95 Honda XR 600R *
*    http://members.magnet.at/piller.b/   *
* Power is Macintosh           1995-06-18 *