From: Ralf Kuehl, 100550.365@compuserve.com
Subject: BVDM Ballhupe 3/95-09 CPMI Tour - Abgeschottert und verschaukelt
Date: 20 Oct 1995 16:32:51 GMT
Organization: Bundesverband der Motorradfahrer e.V. (BVDM)

Abgeschottert und Verschaukelt?
Ostertour des CPMI
Teil 1 - "die Unbefestigte"

Freitag, 14. April.
Wieso habe ich eigentlich meinen Thermoanzug noch an? Klar, heute morgen um sieben war es in Muenchen so frostig, dass das Leder alleine keine Minute gegen mein Zaehneklappern geholfen haette. Doch jetzt sitze ich am Ufer des Gardasees und geniesse die Sonne, die zu Hause noch Monate auf sich warten laesst.
Eigentlich koennte ich hier auf den Rest unseres Clubs Partnerschaftlicher Motorradfahrer aus Ingolstadt (ùMI) warten, doch als zwei Hondas mit Barbara und Heinz vorbeibrummen sitze ich auch schon wieder im Sattel und versuche sie einzuholen.
Das gelingt auch als sie mich in den Serpentinen ueber Campione nachkommen sehen und halten. Nach kurzem Hallo und einem Begruessungs-Osterei steht fuer uns fest:
"Den Tremalzo, den pack' mer scho!"
Kurz vor dem Einstieg an der Ostflanke begegnet uns eine kleine Baukolonne mit Teermaschine und das Entsetzen steht in unseren Gesichtern. 

Wollen die Italiener diesen Schotterpass auch noch teeren? Doch keine Panik, es werden nur Schlagloecher in den Doerfern ausgebessert. Also rein  ins geschotterte Ver-gnuegen. Irgendwie ungewohnt ist das Fahrverhalten meiner BMW. 
Ob es am vollgepackten Tankrucksack liegt, dass meine Arme in den Kehren zu kurz werden?
Bei einer kleinen Pause an einer Schutzhuette wird in die Koffer umgepackt und schon geht es wesentlich besser.
Das muss es auch, denn mit zunehmender Hoehe bringt mich mein Gummikalb doch schoen ins schwitzen.

Das schaffen auch drei irrsinnige Crosser aus Tirol, die hier ihren Privatwettbewerb auszufechten scheinen. Dass dabei Mountainbiker, Wanderer und eben auch wir schaufelweise Steine abbekommen ist denen egal, die Geraeuschkulisse sowieso.
Zu gerne haette ich ein "OEsi go home" Plakat gemalt.
Kurz vor der Passhoehe bleiben Barbara und ich dann in einem Schneefeld stecken. Drei entgegenkommende Enduristen be-richten uns, dass sie ihre 250er gerade ueber ein gut 300m langes Schneefeld ge-tragen haben. 
Nachdem Heinz sich die Bescherung aus der Naehe angesehen hat, beschliessen wir auf diesen Spitzentanz am Abgrund zu verzichten und kehren um. Nachdem wir bei Tremosine noch einigen Kindern bei Trialkunststuecken zugesehen haben fuehrt unser Weg ueber Nebenstrassen - und manche Sackgasse - nach Gargnano, wo kurz darauf noch ueber 20 Leute des Clubs eintreffen. Das Hotel ist voll, seine Kueche bald schon leer und nur der Weinkeller ist staerker als wir...

Samstag, high noon - was tun?
Irgendwo beim Gardasee stehen neun CPMI'ler mit ihren Motorraedern auf einer einsamen Bergstrasse. Vor uns eine geschlossene Schranke, die zwischen Felswand und Abgrund das Weiterkommen in Frage stellt. 
Zurueck zu dem freundlichen Italiener, der uns die Route auf der Karte beschrieb koennen wir wohl nicht, denn die lange Steilabfahrt durch einen finsteren Hohlweg waere fuer die Strassenboxer von Dieter und mir aufgrund zu geringer Bodenfreiheit zu gefaehrlich. Ausserdem sitzt mir mein erster Sturz nach 130000 km, der mir zwei Stunden vorher widerfuhr noch etwas in den Knochen.
Also muessen und wollen wir an der Schranke vorbei, was Dank eines am Abgrund wachsenden Baumes und der Zuhilfenahme aller Kraefte auch funktioniert.

Reichlich verschwitzt schrauben wir uns weiter den Berg hoch, kleine Staubwolken begleiten unsere Fahrt. Als der gute Mann im Dorf uns etwas von zwei Stunden Fahrzeit fuer die - nach Karte - etwa 12 km zum naechsten Ort erzaehlte, haetten wir eigentlich stutzig werden muessen. In der Zeit schafft man auch den Tremalzo und der Weg ist laenger.
Nach einigen "schone Natur, Mensch und Maschine" - Pausen erreichen wir den hoechsten Punkt der Route und freuen uns wieder ueber den Anblick fast unberuehrter Natur. Noch ein kleines Picknick und wir machen uns auf den Weg ins Tal, der mit vielen Schotterkehren mehr Gefuehl und UEberwindung fordert als die Auffahrt vorher.

Immer wieder tauchen 2 bis 300m Abgrund vor meinen Augen auf, um bis zur naechsten Kehre hinter der tollen Vegetation zu verschwinden.
Komisch, ich bin nicht schwindelfrei, doch beim Motorradfahren im Gebirge hat mich das noch nie behindert. 
Konzentrationssache?
Ploetzlich tauchen am gegenueberliegenden Berghang einige Enduristen auf, die ebenso erfreut winken wie wir.
Etwas spaeter treffen wir uns - an einer Schranke!
Bergseits Felswand, talwaerts nichts, auch kein Baum. Was nun? Nach laengerer Plauderei mit den Wuerttembergern ueber das woher und wohin und wie geht es weiter machen zwei Expeditionsteilnehmer die rettende Entdeckung! Irgendwoher schleppen sie einen gut 4 m langen, handbreiten Balken.
Waehrend eine XT 500 noch schnell von Hand ueber die Schranke ge-reicht wird, wandern die anderen 16 Motorraeder ueber die Wippschaukel. 
Unser Sicherheitstraining macht sich bezahlt, denn keine faellt runter. Die Kollegen schuetteln den Kopf ueber die Strassen-BMW's ("Wie kommt man damit durch?") und nach einigem Haendeschuetteln geht es weiter. 

Als wir dann endlich im Dorf auf eine Teerstrasse geraten, sind ueber drei Stunden Fahrzeit fuer uns ein weiteres Indiz dafuer, dass alpine Strassen zwar aussergewoehnlich reizvoll aber eben auch oft gefaehrlich und schlecht abschaetzbar sind. 
Das bestaetigt auch ein spaeterer Kontakt mit den Schwaben, von denen einer Motorschutz und Motorgehaeuse seiner hochbeinigen Enduro im Hohlweg ruinierte. 

Wer den Motorschaden hat, dem bleibt der Schrott nicht verborgen! (Volksmund)

Aber dennoch werden wir die Risiken wieder auf uns nehmen 

- denn der Berg ruft!


           Thomas Bauer (RR z. I.)


Artikel aus BVDM Ballhupe Ausgabe III/1995. Alle Rechte verbleiben beim Bundesverband der Motorradfahrer. Für mehr Informationen PM an 100550.365@compuserve.com oder BVDM-Bundesgeschaeftsstelle, Hanauer Vorstadt 13, 63450 Hanau, Tel./Fax. 06181/257849