Hubschrauber Selber Fliegen
Euro-Heli, Jesenwang

30.06.07


Am Samstag, 30.06., ist es soweit; am Flughafen Jesenwang bin ich angemeldet bei EUROHELI. Wie bei einem 'guten Training'(tm) üblich gibt es erst einmal eine Theorie. Die lässt sich kurz so zusammenfassen: wer glaubt, Motorradfahren wäre irgendwie auch nur ansatzweise schwierig, hat sich noch nie mit der Steuerung eines Helikopters auseinandergesetzt. Beim Motorradfahren, das wissen wir alle, ist die wesentliche Einflussgröße 'das Gas ist rechts!'. Den Rest erledigen Getriebe, Lenkimpuls und Kreiselkräfte. Da ist mancher eher mit zielgenauem Einparken im Auto überfordert.

Kreiselkräfte spielen, was nicht wirklich verwundert, natürlich auch beim Hubschraubern eine wesentliche, um nicht zu sagen tragende Rolle. Der Hubschrauberpilot, nicht unbedingt aber der Aspirant, ist davon so begeistert, dass er gleich zwei Rotoren steuern mag. Gleichzeitig. Deren Kreiselkräfte zudem einander bedingen. Zur Steigerung der Motivation, aber auch der Nervosität des Aspiranten, steuert der Pilot den so genannten Hauptrotor, der große über einem, an dem der Hubschrauber hängt, sowohl mit der rechten wie mit der linken Hand. Der Heckrotor hingegen wird mit den Füßen bedient. Die linke Hand also steuert Hoch und Runter mittels eines 'Kollektiv' genannten Hebels. Der sieht aus wie eine Handbremse am Auto, wirkt aber nicht so. Die rechte Hand hält ein Element namens 'Cyclic', das zumindest ansatzweise aussieht wie ein Steuerknüppel. Oder wie der Laie sich eben einen Steuerknüppel vorstellt. Jedenfalls beeinflusst der Cyclic Vor und Zurück und Rechts und Links. Leider ohne jegliche Rückmeldung an den Piloten. Der hat dafür Instrumente, die über Steig- und Sinkgeschwindigkeit, Höhe, Schräglage(!) etc. Aufschluss geben. Das ist insofern sinnvoll als jede Verstellung am z.B. Kollektiv auch eine Nachsteuerung am Cyclic nach sich zieht. Und wenn schon der Cyclic bedient wird ist es fast überflüssig darauf hinzuweisen, dass umgehend auch die Füße die Wirkung des Heckrotors korrigieren müssen.
Recht beiläufig wird in der Theorie auch darauf hingewiesen, dass die Hände und Füße *immer* an den Steuerelementen zu verweilen haben alldieweil die sonst in ihre Nulllage zurück gingen. Das will der Pilot wohl nicht. Nicht wenn der Hubschrauber fliegt jedenfalls. Hubschrauberfliegen ist also nichts für Nasenbohrer ...
Soweit die Theorie, etwa 15 schweißtreibende Minuten.

Die Praxis stellt sich dann vor in Form eines Robinson R-22. Der hat etwa die Größe eines Gerätes, in das man Kinder setzt und sie für 50 Ct. schaukeln lässt, was ihnen den Glauben vermittelt, sie flögen selber. Ein Eindruck, oder besser Glaube, der sich in Folge auch beim Aspiranten verfestigt. Die Kanzel ist auch nicht wirklich geräumig, vollverglast wie sie ist macht sie allerdings einen optisch größeren Eindruck. Der Eindruck größerer Stabilität allerdings will sich nicht einstellen. Und an Stabilität wäre dem Aspiranten wirklich gelegen, denn die Flugbewegungen eines Helikopters sind weit entfernt von jeglicher Stabilität. Vermutlich entziehen sie sich sogar nach wie vor einer physikalischen Beschreibung.

Ungeachtet dessen vermittelt der Fluglehrer aber ein gewisses Vertrauen in die Eigenschaften des Gerätes. Dieses Vertrauen ist groß genug, um den Aspiranten nach Anlegen des Gurtes aufzufordern, nun doch den Kollektiv zu ziehen, so dass der Helikopter sich majestätisch erhebe. Gezogen ist so ein Hebel schnell. Wie sich herausstellt, zu schnell. Da die Füße noch keinen Kontakt mit den Pedalen aufgenommen haben und auch die rechte Hand den Cyclic bestenfalls 'lässig' hält, beantwortet der Robinson den Befehl des Kollektivs mit einem leichten Kippen über die rechte Seite und einem eleganten Schwenk des Hecks nach links. Majestätisch habe ich den Hubschrauber im Stand um 90° gedreht. Immerhin.
Also gut, wenn ich den Kollektiv ziehe muss ich auch den Cyclic leicht nach vorne gebe. Und wenn ich Kollektiv ziehe und Cyclic nach vorne gebe, muss ich die linke Pedale etwas treten, um den Heckrotor stärker anzustellen. Der soll sich anstellen, nicht ich mich. Unter Berücksichtigung all dieser Einflussfaktoren fliegen wir jetzt dann plötzlich. Die Vermutung, dass der Fluglehrer ähnlich eingriff wie ein Fahrlehrer im Auto bei der ersten Fahrstunde, ist allerdings nicht völlig aus der Luft(!) gegriffen ...

Einmal in der Luft reagiert der Robinson wie ein kleines Sensibelchen. Groß ist er ja eh nicht, also teilt er vergnügt mit, wenn ihn ein Windstößlein trifft. Dann wippt die ganze Zelle lustig auf-ab, vor und zurück. Hände und Füße sind jetzt gefragt, um den Hubschrauber in einem Zustand zu halten, den stabil zu bezeichnen am Boden wohl niemandem einfiele, der aber deutlich stabiler ist als das Tanzen im Wind. So geht es, in etwa 600 Fuß Höhe, über den Ammersee. Während der Fluglehrer sich bemüht den Aspiranten mit ein wenig Small Talk, siehst du den alten hölzernen Sprungturm rechts unten am Strand?, nein, sehe ich nicht, interessiert mich nicht, das Hubschraubergerät möge einfach nur ansatzweise mal meinen Befehlen Folge leisten, vom konzentrierten Starren auf Neigungsmesser, Horizont und Cyclic abzulenken, ist jener damit befasst, intuitiv Windstöße vorauszuahnen und im Voraus abzufangen. Das funktioniert soweit auch ganz gut, nur dass keine Windstöße da sind. Somit auch nicht abgefangen werden müssten. Aber Robinson hat auch am Abfangen Spaß, jedes Manöver führt zu einem Hüpfer, Kipper oder sonstigem Flugzustand, bei dem sich eine Beschreibung wie 'stabil' von selbst verbietet.

Wir sind jetzt südlich von Andechs, beherztes Ziehen am Kollektiv hat uns auf 3.600 Fuß gebracht. Wenigstens irritieren wir die Segler auf dem See nicht mehr so. In einer langen, wie mir scheinen will sogar ansatzweise eleganten Linkskurve, jedenfalls kippt der Helikopter nicht zappelnd von einer auf die andere Seite sondern folgt weitgehend der Richtungsempfehlung des Fluglehrers, kongenial umgesetzt vom Aspiranten, geht es langsam schon wieder zurück Richtung Jesenwang. Was dem Fahrschüler im Auto das rückwärtige Einparken ist, das ist dem Flugschüler das Landen. Viel zu schnell schießen wir über die Landebahn, die ein Hubschrauber ja eh nicht braucht. Das geht sich nie aus. Geht sich doch aus. Cyclic etwas zurück nehmen, Kollektiv etwas nach unten, rechtes Pedal leicht treten, die Fahrt wird herausgenommen, der Robinson schwebt noch leicht über der Stelle. Nun gut, 'über der Stelle' ist so gesehen eine eher relative Angabe und so zu verstehen, dass 'die Stelle' doch etwa die Größe eines Fußballfeldes abdeckt. So möchte man nicht landen. Der Fluglehrer greift ein letztes Mal ein, jetzt schwebt der Helikopter wirklich auf der Stelle und setzt supersanft auf. So einfach also ist das.

Und es hat einfach nur Spaß gemacht!


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07.07.07