Sinn und Unsinn bei Leistungsmessungen

Im folgenden Text soll ein wenig Licht ins Dunkel der Leistungsmessungen auf Rollenprüfständen gebracht werden

Anm.: ich habe weitestgehend auf die formal korrekte Terminologie der Meßmethodik zu Gunsten der Verständlichkeit für den Laien verzichtet. Physikerkollegen, spart Euch also die Kommentare :)

Der statistische Meßfehler

Eine Leistungsmessung ist -nomen ist omen - eine Messung. Zu einer Messung gehört immer ein (Meß)Fehler.
Dies sei an einem Beispiel erklärt:
Im Leistungsmeßdiagramm ließt man 105,7 PS Maximalleistung ab. Wird der Meßlauf unter den gleichen Bedingungen wiederholt, ist es quasi sicher, daß diesmal ein anderer Wert gemessen werden wird.
Dies liegt an mechanischen und elektronischen Toleranzen des Prüfstandes, an einer kurzzeitigen Methanzufuhr, nachdem der Mechaniker neben der Airbox gepupt hat, usw usw.
Nehmen wir an, der Prüfstand hat einen Meßfehler bzgl. der Maximalleistung von 2% (ich erspare dem Leser genauere Ausführung über Sigma-Toleranz, Standardabweichung und deren Ermittlung), was i.d.Fall. ca. 2 PS entspricht. Das heißt, daß die Angabe des Wertes 105,7 PS nicht nur unsinnig, sonder meßmethodisch sogar falsch ist, da zu genau (der Meßfehler liegt bereits vor der Kommastelle, d.h. die Nachkommastelle darf schon nicht mehr angegeben werden).

Die korrekte Angabe wäre hier: Maximalleistung = 106 PS +/- 2 PS (bzw. in anderer Schreibweise: 106(2) PS)

Ins Deutsche übersetzt heißt diese Zeile:
Bei einem Meßlauf liegt die tatsächliche Leistung mit einer Sicherheit (Wahrscheinlichkeit) von knapp 70 Prozent zwischen 104 und 108 PS.
Die Zehntel-PS kann man sich also getrost in den Allerwertesten stecken :)

Durch Erhöhung der Anzahl der Messungen kann man diese Angabe immer präziser machen: bei 10 Messungen unter gleichen Bedingungen wird der Fehler bereits auf 0,7 PS reduziert, gleichzeitig strebt die Maximalleistung auf einen Mittelwert zu. Da man jetzt genauer wird, wird auch die Nachkommastelle wieder relevant.

Beispiel:
Aus 10 Messungen kann ein Mittelwert von 105,1 PS errechnet werden, der Fehler beträgt 0,7 PS, d.h. die Angabe der Maximalleistung lautet: 105,1 PS +/- 0,7 PS. Mit einer Sicherheit von 70 % liegt die tatsächliche Leistung also irgendwo zwischen 104,4 PS und 105,8 PS.

Bei nur einem Meßlauf ergibt sich zudem die Gefahr z.B. durch einen unbemerkten Meßfehler einen sogenannten "Ausreißer" zu erwischen, z.B. eine zufällige Leistungsspitze in der aufgenommenen Kurve, die weit entfernt von der tatsächlichen Maximalleistung ist.

Weitere Fehler bei der Messung bzw. Angabe der Leistung

Zu dem eigentlichen Meßfehler des Messstandes kommen jetzt hinzu:

Ein neuer, frisch geeichter, top-qualitativer Rollenprüfstand wird unter pingeliger Einhaltung der Meßvorschriften so um die 1-2% Fehler haben. Angaben von Meßgenauigkeiten von 0,1 PS, wie man sie geflissentlich in Anzeigen lesen kann, sind ein reiner Marketingtrick: hier werden die angezeigten Stellen der Digitalanzeige des Messtandes als "Genauigkeit des Prüfstandes" ausgegeben, beim Kunden wird der Eindruck erweckt, es handele es sich dabei um die Meßgenauigkeit.

Real sieht es so aus:

Man muß sich vor Augen halten, daß ein Rollenprüfstand keine Präzisionsmessung sondern eher einen Gewaltakt ist.

Serienstreuung seitens der Motorradhersteller

In diesem Zusammenhang sei auch ein Auge geworfen auf die Aussagekraft der "Serienstreuungsvergleiche" von Motorrädern, wie sie regelmäßig in Motorrad, MO oder PS durchgeführt werden.

Ein Beispiel:
zwei 2000-er Yamaha R1 werden auf dem gleichen Prüfstand getestet. Der Meßfehler des Prüfstandes beträgt 2% (das entspricht bei einer Motorleistung von rund 140 PS ungefähr 3 PS).
Es wird je 1 Meßlauf pro Motorrad durchgeführt.
Die erste R1 wird gemessen mit 141 PS +/- 3 PS
Wenn die Messung der zweiten R1 einen Wert ergibt, der zwischen 138 und 144 PS liegt, heißt das nun nichts anderes, als daß die Leistungen der beiden R1 innerhalb der Meßtoleranz des Prüfstandes gleich sind!
Oder anders ausgedrückt: in diesem Falle ist der gemessene Leistungsunterschied mit hoher Wahrscheinlichkeit auf dem Meßfehler des Leistungsprüfstandes zurückzuführen.
Erst wenn die Messung der zweiten R1 signifikant unterhalb von 138 PS bzw. oberhalb von 144 PS liegt (normalerweise geht man von dem doppelten bis dreifachen Toleranz-Intervall aus = 2x3PS = 6PS, d.h. unter 135 PS bzw. über 147PS), kann von einer nachgewiesenen Leistungsdifferenz der beiden Motoren gesprochen werden!

Eine vernünftige Aussage über eine Serienstreuung kann man korrekt nur durch die Messung einer größeren Anzahl Motorräder (z.B. 10 Stk.) und mehreren Messungen pro Motorrad machen.

Die (genormte) Serienstreuung bei Motorrädern sollte unter 5 % liegen. Für ein offiziell mit 150 PS angegebenes Motorrad hieße das, daß ca. 70 % aller ausgelieferten Exemplare zwischen 142 und 158 PS haben dürfen. Seltsamerweise scheinen sich diese 70 % regelmäßig um den unteren Wert zu gruppieren, wie sich z.B. bei der Ymamha R1 bestätigte (Leistungsmessungen allesamt bei rund 140-145 PS).
Wie sind nun die 150 PS des R1-Werbeprospektes entstanden?
Nun, durch die Messpraxis der Hersteller:
Zuerst muß man sich die Norm zu Auge führen, mit der die Messwerte korrigiert werden: hier wird oft die gewählt, die den günstigsten Wert liefert.
Aber viel effizienter ist die Trickserei mit dem Motorrad selbst: Die für die Werks-Leistungsmessung zur Verfügung gestellten Motorren werden bereits im Vorfeld aus den Serienteilen mit der optimalsten Fertigungspräzision zusammengestellt. Dann werden Motorteile feinbearbeitet: Zylinderköpfe und Vergaserkanäle geströmt, Kolben/Pleuel und Kurbelwellen feingewuchtet, Vergaser u. Einspritzanlagen individuell optimiert. Leistungsfressende Anbauteile wie Anlasserfreilauf oder Lichtmaschine werden für die Leistungsmessung erst gar nicht montiert (klar, wozu braucht ein Serienmotorrad auch so was ;)). Und schwups kommen wir auf Fabel-Werksangaben von bis zu 15 Mehr-PS gegenüber den käuflichen Serienmodellen.
Anzumerken sei noch, das Firmen wie z.B. BMW, MZ und Ducati (zumindest bei den luftgekühlten Motoren), die vom "Leistungswettrüsten" weniger betroffen sind, weitaus realistischere Leistungsangaben machen, so liegen z.B. fast alle 1100S Sport-Boxer von BMW 1-3 PS über der offiziellen Leistungsangabe von 98 PS, und auch die 900-Duc-Motoren liegen richtig gut im Futter.


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