Die Brems-Frage    


Auch diese Frage gehört zu den Fragen der Motorradgeschichte, über die sich die Motorradgemeinschaft die Köpfe einschlägt:

hinten Bremsen oder vorne Bremsen, und bei welcher Technik ergibt sich der kürzeste Bremsweg.

Nachfolgend soll diese Frage wieder physikalisch analysiert werden. Dabei kann mit einigen vorgefassten Meinungen ("die hintere Bremse ist unnütz") aufgeräumt werden.

  M := Massenschwerpunkt des Motorrades + Fahrer
  h := Höhe des Massenschwerpunkts über dem Boden
  l := xo := Radstand
  xf := Abstand vorderer Radaufstandpunkt - Massenschwerpunkt (normale)
  xr := Abstand hinterer Radaufstandpunkt - Massenschwerpunkt (normale)

  FGM := Gesamtgewicht des Motorrades
  FGof := Ruhe-Gewichtskraft am Vorderrad, Motorrad im Stand (= (1 - xf/xo) FGM)
  FGor := Ruhe-Gewichtskraft am Hinterrad, Motorrad im Stand (= (1 - xr/xo) FGM)
  FL := Hebe-Kraft ("lift") am Hinterrad durch Bremsung (Stoppie-Effekt)
  FGef := effektive Gewichtskraft am Vorderrad während Bremsung (= FGof + FL)
  FGer := effektive Gewichtskraft am Hinterrad während Bremsung (= FGof - FL)

  a := Beschleunigung
  g := Graviationskonstante (= Erdbeschleunigung)
  μ := Reibbeiwert  (Bsp trockenerAsphalt: μ = 1)
  ηf := Bremswirkungsgrad (= wie stark die vordere Bremse zieht) Vorderrad, Werte = [0,1]
  ηr := Bremswirkungsgrad (= wie stark die hintere Bremse zieht) Hinterradrad, Werte = [0,1]

Kap I: Bremsung NUR HINTEN

Negative Beschleunigungskraft Fa im Massenzentrum = Reibkraft am Hinterrad
  (I.a)    Fa = m a = μ ηr FGer 
Effektive Gewichtskraft am Hinterrad:
  (I.b)    FGer = FGor  - FL
Drehmomentgesetz (Hebelgesetz) : Beschleunigungskraft und Lift-Kraft
  (I.c)    Fa h = FL xo
Gewichtsverteilung in Ruhe zwischen Vorder- und Hinterrad:
  (I.d)    FGor = FGM (l-xr)/xo
aus (I.a) + (I.c) folgt:
  FL = FGer μ ηr (h/xo)
mit (I.b):
  FGer = FGor  -  FGer μ ηr (h/xo)

                   1                    1 - (xr/xo)
  FGer = FGor ————————————————  = FGM  ————————————————
              1 + μ ηr (h/xo)           1 + μ ηr (h/xo)
                   

Beispiele:

Kap II: Bremsung NUR VORNE

Negative Beschleunigungskraft Fa im Massenzentrum = Reibkraft am Vorderrad
  (II.a)    Fa = m a = μ ηr FGef
Effektive Gewichtskraft am Vorderrad:
  (II.b)    FGef = FGof + FL
Drehmomentgesetz (Hebelgesetz) : Beschleunigungskraft und Lift-Kraft
  (II.c)    Fa h = FL xo
Gewichtsverteilung in Ruhe zwischen Vorder- und Hinterrad:
  (II.d)    FGof = FGM (l - xf)/xo
aus (II.a) + (II.c) folgt:
  FL = FGef μ ηf (h/xo)
mit (II.b):
  FGef = FGof  +  FGef μ ηf (h/xo)

                   1                    1 - (xf/xo)
  FGef = FGof ————————————————  = FGM  ————————————————
              1 - μ ηf (h/xo)           1 - μ ηf (h/xo)
                   
Beispiele:

Kap III: Bremsung VORNE UND HINTEN

Negative Beschleunigungskraft Fa im Massenzentrum = Reibkraft gesamt an Vorder- und Hinterrad
  (III.a)     Fa = m a = μ η FGM = μ η m g    → a = μ η g
Gesamtgewichtskraft:
  (III.b)    FGM = FGef + FGer 

Anteil Bremskraft vorne:

  FGef = FGef + FGM μ η (h/xo) =   FGM ( xr/xo + μ η (h/xo) 

Anteil Bremskraft hinten:

  FGer = FGer - FGM μ η (h/xo) =   FGM ( xf/xo - μ η (h/xo) 
Beispiele:

Kap IV: Die Obergrenzen der Verzögerung

Kap V: Dynamische Betrachtung des Bremsvorgangs

Die obigen Rechnungen gelten für einen gleichförmigen (statischen) Zustand. Insbesondere am Anfang des Bremsens verändert sich dieser allerdings dynamisch. Das liegt daran, daß Gabel/Federbein, Räder, Reifen etc. nicht starr sind und mit einer gewissen "Trägheit" reagieren. Wärend des Eintauchens der Gabel resp. Austauchens des hinteren Federbeines erfolgt hier ein Gewichststransfer von hinten nach vorne in endlicher Zeit.

Energetische Betrachtung

In der Ein/Austauchphase wird die "Bremsenergie" nicht nur in Bremsbeschleunigung umgesetzt, sondern zunächst in eine Drehbeschleunigung (Drehmoment) des Motorrades um seinen Massenschwerpunkt (mehr oder weniger...). Das Abbremsen dieser Drehbeschleunigung durch die Dämpfer/Reifen verbraucht nun wiederum Reibungsengerie innerhalb der Dämpfer und Reifen.

D.h. aus energetischer Sicht, kann, bis das Motorrad eine "stabile Neigung" eingenommen hat, nicht die ganze Bremsleistung in Bremsbeschleunigung umgesetzt werden.

Dynamische Radlastverteilung

Bedingt durch die Massenträgheit der Räder, Gabeln/Schwinge, Reifendeformation etc erfolgt der Transfer des Motorradgewichtes auf die vordere Reifenaufstandsfläche nicht instantan sondern in einer Zeitspanne τ. D.h. Zu Beginn einer Vorderradbremsung liegt zunächst nur das statische Motorradgewicht von ca FGM/2 auf dem Vorderrad, dementsprechend kann auch nur die halbe Bremsleistung übertragen werden. Dies ist mit ein Grund dafür, daß "plötzliches Anreissen" der Vorderradbemse zum Überbremsen des Reifens führt (ein weiterer Grund ist die Trägheit des Reifenkautschuks, der eine endliche Zeit benötigt, um die sich vergrößernde Aufstandsellipse optimal der Straße anzupassen)

Kap VI: Zusammenfassung


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