From: hwicht, wicht@em.uni-frankfurt.de
Subject: Thüringen - ein touristisches Loblied
Date: 21 Sep 1999 14:34:44 +0200
Organization: Computing Centre, University of Frankfurt/Main, Germany, EU


Ein touristsiches Loblied auf das Thüringer Land.

Während hier der Katzenkrieg tobte, hat die Wochenendtour uns drei (mein
Süsse, die pissgelbe Schwuchtel aka Varadero und mich) 950km durch's
sächsische und thüringische Land geführt.
Hinzu's BAB FFM-Leipzig (da ist z.Zt. 'ne sehenswerte Austellung mit
Bildern von Volker Stelzmann im Museum für bildene Kunst, Grimmaische
Straße, echt gut), zurück über Naumburg, Jena, Saaletal, Rudolstadt,
Schwarzatal, ein Schlenker nach Osten (Probstzella/Lichtentanne), zurück
nach Westen, Neustadt am Rennweg, Rennsteig, Zella-Mehlis, Meiningen und
heim durch die bayrische Röhn (Bad Brückenau), den Nordspessart (Bad Orb)
nach Mainhattan.

Ei der Daus! Ich war ja schon im letztes Jahr und auch in diesem Frühling
im Thüringischen, aber das wird ja jedesmal schöner, wenn man da
vorbeikommt! Die Städte, Städtchen und Dörfer putzen sich 'raus, daß man
meinen könnte, der Soli würde ausschließlich in "unser Dorf soll schöner
werden"-Projekte gebuttert. Und wenn man südwestlich von Meiningen die
ehemalige Zonengrenze passiert, und von Ost nach West in die bayrische Rhön
wechselt, dann hat man den Eindruck, den man früher hatte, wenn man von
West nach Ost wechselte: ein neuer Putz und ein bischen Farbe könnten nicht
schaden...

Meine Süsse ist dem Charme von Land, Leuten, Bratwurst und Kartoffelklößen
gänzlich erlegen, und hat unterwegs fleißig die Adressen malerisch
gelegener Hotels gesammelt -- für die nächste Reise. (Sie ist Schweizer
Staatsbürgerin, und als solche eigentlich moralisch dazu verpflichtet und
auch dazu neigend, die Schweiz für das schönste Land der Welt zu
halten...voila, ein dickes Kompliment an Thüringen). Mir ging's auch ans
Herz. Ist zwar grauenhaft kitschig, aber wenn man so über Dorf und Land
brummt, vorbei an Feldern, Wäldern, Kirchen und Dorflinden, dann summt
einem, ganz ohne Walkman und Bordradio, dauernd ein Lied durch die Ohren
("Kein schöner Land zu dieser Zeit, als hier das uns're weit und
breit..."). Vorbei an der Dorfkirmes, den Duft von Bratwurst in der Nase,
vorbei an Plakaten, die ankündigen daß eine Band namens "Biba und die
Butzemänner" (genial!!) nächstes Wochenende in der Turnhalle von sowieso
zum Tanze aufspielen, vorbei an Gasthäusern (Aufschrift:
"Gasthof/Pension/Fleischerei/Hausschlachtung" -- DIE Kombination wirkt
wirklich einladend), vorbei an verträumten Winkeln, vorbei am malerischen
Meininger Marktplatz, vorbei am thüringischen Sonntagabend...vorbei,
vorbei, Scheisse, wir können nicht bleiben, wir müssen heim nach Frankfurt.
Schade.   

Natürlich gibt es noch ein paar sozio-kulturelle Defizite, unter denen das
post-realexistierend-sozialistische Thüringen leidet: beispielsweise gibt
es kaum Zigarettenautomaten mit Camel-Filter drin. Dafür wären manche
Sträßchen (z.B. durch's Schwarza-Tal) ohne weiteres für die Camel-Trophy
geeignet -- die ellenlangen Federwege an der pissgelben Schwuchtel machen
sich bezahlt. Einige Damen und Herren Autofahrer in dieser Gegend sind
offensichtlich dem Rausche der Beschleunigung zur Gänze erlegen: an
grünwerdenden Ampeln wurde mit Wonne hastewaskannste-reifenquietschend
losgehetzt, wie ich's von anderswo nicht kenne. Naja, über Land wird dann
genauso 'rumgeschwuchtelt wie anderswo auch: geradeaus blödsinnig schnell,
und in den Kurven blödsinnig langsam. Dosisten halt.

Also: Hut ab vor Thüringen (das meinten auch die Hüte der Hutmuttern an den
Fußrasten und haben sich endgültig verflüchtigt), mein Neid gilt denen, die
da leben, mein Rat an die, die es noch nicht kennen: hinfahr'n!

--
Helmut Wicht 
wicht@em.uni-frankfurt.de