From: Franz J. Waldmann, waldi@rrr.de
Subject: Nordschleife mit dem Action-Team (lang)
Date: Mon, 09 Aug 1999 12:51:42 GMT
Organization: News Observation Center Mannheim

Liebe Zielgruppe,

viele routinierte Moppedfahrer mit denen ich ueber das
Nordschleifen-Fahrtraining des Motorrad Action Teams gesprochen habe,
waren davon recht angetan, gar jedes Jahr dabei. So wollte ich es
dieses Jahr selbst wissen und meldete mich fuer das 1095,- DM teure
August Training "Fit und Frisch" an. Fuer weitere 300,- DM buchte ich
noch Uebernachtung im Dorint Hotels mit all seinen Annehmlichkeiten.

Erster Tag: Check-in und Referat
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Am Tag der Anreise abends check-in beim Action-Team (AT). "Hier
unterschreiben" murrte einer der beiden AT-Leute bei der Anmeldung,
deutete auf den Haftungsauschluss, drueckte mir meine Startnummer,
einige Aufkleber, die Gruppenuebersicht und ein widerlich gruenes
T-Shirt in die Hand. Davon ab, dass Sandra das Shirt auch recht
grausam fand, meinte sie, nachdem es nichtmal in ihrer Groesse
verfuegbar war, dass es sich gar prima als Putzlappen fuer die Moppeds
eigne - die ersten toetliche Blicke trafen uns. Aber es sollten noch
mehr werden. 

Da ich den Zeittafel zuhause vergessen hatte, fragte ich nach einem
Ersatzexemplar - leider vergens. In der Trainingsbeschreibung war wohl
ein Reifendienst und ein Service fuer kleinere Reperaturen
angepriesen, dieser war aber nicht zusicherter Umfang der Leistung des
AT. So hatte ich selbstredend alles von der Wasserflache bis zum
Drehmomentschluessel dabei. Auf meine Frage, wo ich den meinen
Transporter parken koenne und ob ich dort Strom bekommen koenne,
schaute man mich nur verwundert an und bejahte unbeherzt, was mich
dazu veranlasste genauer nachzuhaken, wo man sich den treffe und wo
genau ich mit dem Transporter hinfahren solle. Ich blieb allein mit
meinen Fragen, nur der neue Zugang zur Nordschleife solle es wohl
sein.

So goennte ich dem Knecht und mir ein bisschen Ruhe und schluerfte
einen Kaffe in der Lounge, bis der Ansturm auf den Check-In ein
bisschen abgeflaut war. Voller Tatendrang und immer noch guten Mutes
fragte ich, ob es denn moeglich sei, zumindest am Vorderrad, Slicks zu
fahren. Gar boese Blicke toeteten mich, aber man wolle bei Alan
nachfragen - negativ. 

Gegen spaeter war im Pressezentrum eine Begruessung fuer alle
Teilnehmer anberaumt. Nachdem man mit akademischen Titeln einiger
Instuktoren und Helfer um sich geworfen hat, Gott und der Welt dafuer
dankte, dass man wieder Nordschleife fahren duerfe, wagte ich Alan,
nachdem er seine Danksagung beendet hatte, im Foyer zu fragen, was
denn nun mit Slicks sei - wieder negativ. Doch als ich mich erfrechte
nach einer Begruendung zu fragen verwies man mich auf StvZO und
versicherungstechnische Probleme dabei. Dummerweise kamen Alans Worte
nicht sehr ueberzeugend an mein Ohr, so dass ich nachhakte und das
Fegefeuer ueber mich ergehen lassen musste. Letztlich lies ich ab und
beschloss dem Gott der Tourer ein Pirelli Profilopfer zu bringen.

Leicht schlecht gelaunt, leicht amuesiert ueber Alan haarstraeubenden
Geschichten, kehrte ich zurueck zum Vortrag ueber den Kammschen Kreis,
Gleit- und Haftreibung, Ideallinie und mehr. Bernt, der den Vortrag
hielt, hatte nur Glueck, dass kein Physiker in den Reihen der Audienze
sass, der von Bernts merkwuerdigen Vergleichen der Fahrphysik mit
einer Kugel in einer Schale sicherlich angetan gewesen waere. Doch
wenn man davon absieht, dass der gute Mann mehr vor dem Projektor
stand als das Bild auf die Leinwand fallen zu lassen, waren seine
Erlaeuterungen gar nicht mal so schlecht.

Wie aus der Uebersicht der Gruppeneinteilung zu entnehmen war, sollte
Helmut Daehne einer der Instruktoren sein. Auf die Freude, sogleich
die Ernuechterung, dass er und drei andere Instuktoren ausschliesslich
die "Metzeler-Gruppen" leiten wuerde.


Zweiter Tag: Sektionstraining und Nordschleife
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Gruppe 12 zum sammeln, hies. Alois, unser Instuktor, ehemaliger Trial,
dann Sport- und, zusammen mit Helmut Daehne, Langstreckenfahrer  lies
auf nette zwei Tage hoffen.

Die einstimmenden Entspannungsuebungen waren leicht absolviert, ist
doch 07:45 Uhr gar nicht meine Zeit, so dass ich wenigstens 15 Minuten
des versaeumten Schlafes auf meinem Mopped zubringen konnte. 

Kurz darauf ging es los zum Sektionstraining. Bremsen ueben war
angesagt. Nur hinten, nur vorne, auf dass es blockiere. Da ich es
nicht besonders prickelnd finde mit 50 solcherlei Ueberungen zu
machen, gab ich mal flott Gas. 80, 90 oder 100 km/h sollten es schon
sein. Doch Alois war es nicht geheuer, dass ich mit dem Hinterrad in
der Luft angeflogen kam und zeigte mir an, dass ich das ganze
behutsamer angehen lassen solle. So strich ich den Spass und bremste
political correct von 60 km/h auf Null.

Dann kurze Besprechung, wie man denn richtig bremse. Alois hat zwar
viele Geschichten zu erzaehlen, die er auch unentwegt zum besten gab,
ein guter Zuhoerer ist er allerdings nicht, sonst haette er vernommen,
dass ich DVR-Moderator/Instruktor bin und es nicht unbedingt das
sinnvollste ist, ausgerechnet mich zu fragen, wie man nach Lehrbuch
bremst. Der zweite Teil des Sektionstrainings, das bis kurz vor Mittag
ging, war dann schon interessanter - das Karusell und die Linie.
Selbst fahren, den anderen zuschauen, wieder fahren. 

10:30 Uhr ging es endlich mit der Norschleifenhatz los. Das zunaechst
gemaechliche Tempo war auch insoweit ok, um den Ring ein bisschen
naeher kennenzulernen. Vor allem die vielen blinden Ecken, die
teilweise richtig schnell gehen, sind fuer Ringneulinge nicht ganz
ohne. Nur dumm, dass wir im Laufe des Vormittags nicht wirklich
schneller wurden. Nur auf den Geraden oder solche Steckenabschnitte,
die man als solche faehrt, wuerde mal angedrueckt. Meine 600er hatte
zwischen den 1000ern kraeftig zu tun, bis ... ja bis vor der Kurve
wieder maechtig der Anker geworfen wurde und das Knie noch Welten vom
Boden entfernt war. Das war mir nichts, so beantragte ich den Wechsel
in eine schnellere Gruppe.

Mein Flehen wurde erhoert und man steckte mich nach dem Mittagessen,
welches selbst zu finanzieren war, in Gruppe 10. Nach dem obligaten
Entspannungsuebungen legte Axel ein zuegig flottes bis sportliches,
aber nicht rennmaessiges Tempo vor. Immer noch wurde das Tempo frueh
vor den weiten Kehren zusammengebremst und recht spaet ans Gas
gegangen. Unsere Rundenzeit lag dennoch bis zum abend deutlich unter
10 Minuten, es fing an Spass zu machen. 

Abends, vor dem Abendessen, gab Dr. Ebenspaecher einen Vortrag ueber
mentale Geschehnisse beim Fahren zum besten. Ein gar kurzweiliges,
sehr interessant gestaltetes Referat, welches zwar keine grossen
Aha-Erlebnisse hervorbrachte, den Zuhoerer aber dennoch irgendwie
fesselte.

Dritter Tag: Sektionstraining und Norschleife
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07:45 Enstpannungsuebungen. Gluecklicherweise wurden wir beim Tanken
etwas aufgehalten, so dass Sandra und ich fuenf Minuten zu spaet
kamen. Irgendwie machte es keinen Spass mehr das virtuelle 5,- DM
Stueck in den Ar*** zu klemmen es beim Ausatmen und Entspannen wieder
zu verlieren.

Sektionstraining mit der neunen Gruppe 10. Lauter Schwaben um mich
herum, die dem Eifelgeist am vorabend zu stark gefroent hatten und
lustlos auf der Strecke und im Grad herumlagen. Einer der, wohl nicht
ganz so trinkfesten Spaetzlefresser vertrug das morgendlich
eingeworfene Aspirin nicht so gut und weilte kotzend an der Leitplanke
waehrend sich der Rest debattierte, ob man die Langsamfahruebung denn
nun wirklich machen muesse. Nach gut 20 Minuten recht ordentlichen
Temperaturen und einigen Flaschen Wasser intus, merkte selbst unser
Instruktor, dass wir nicht so richtig zu motivieren waren, gab und
noch die Zeit einer Zigarettenlaenge und forderte dann zum Kampf der
Tourenschwuchteln. Das Ziel war das gegenueberliegende Ende der
Fahrbahn so langsam wie moeglich zu erreichen, und dass wo wir doch
alle nur angasen wollten. Nach fuenf Versuchen, klappte das dann auch
und wir konnten uns wieder der Sektionsstreckenhatz hingeben. Da ich
in einer anderen Gruppe als am Vortag war, musste ich das Karusell
nochmals absolvieren, diesmal aber in einer flotteren Gangart.
Kurz vor Mittag kreisten wir noch drei, viemal im Nordschleifenkreis
und begaben und dann zum grossen Fressen.

13:45 Uhr, Entspannungsuebungen. Ich hatte es satt mich zu entspannen
und quakte Sandras Instruktorin an, ob ich ein zwei Runden hinter
Sandra herfahren duerfe, um mir ihre Fortschritte anzuschauen.

Danach wieder zurueck zur Gruppe und bei sengender Hitze die
Norschleife besichtigt. Leider steigerten wir das Tempo, das wir am
vorabend vorgelegt hatten, an diesem Nachmittag nicht wesentlich. Es
war nett, hat Spass gemacht, aber ausser die Nordschleife
kennengelernt zu haben, blieb der weitere Lernerfolg aus.

Abends, die Verabschiedung. Alle Teilnehmer waren versammelt und einer
der AT-Leute dankte mal wieder Gott und der Welt. Vergab
Trinkglaeserpreise an die langsamten des Sektionstrainings am morgen
und danke, dankte, dankte. Die grosse Danksagung zog sich ca. eine
halbe Stunde hin. Danach durften wir unseren Bewertungsbogen, den wir
bei der Anmeldung ueberreicht bekommen haben, ausgefuellt abgeben, ein
Begleitbuch oder Video mitnehmen, ueberteuerte Bilder kaufen und/oder
allerlei Motorrad- und Moto-Mania-Kommerz ueber uns ergehen lassen.


Resume:
~~~~~~~

Da ich ohne grosse Erwartungen zum Training ging, wurden auch keine
enttaeuscht. Diejenigen, die mir die letzten Jahre ein Action-Team
Training ans Herz gelegt haben und alle Jahre wieder eines besuchen,
kann ich nicht verstehen. Der Preis steht in keiner Relation zum
Lernerfolg, zumindest wenn es sich bei den Teilnehmern um routinierte
und vielleicht auch flotte Fahrer handelt. Es sei denn man sieht die
Veranstaltung als Training zum Befahren der Norschleife an.

Fuer weniger routinierte Fahrer und Fahrer mit offensichtlichen
Unsicherheiten mag das Action-Team Training eine Alternative zu
normalen Sicherheitstrainings oder Sicherheitstrainings im Realverkehr
sein. Allein der Preis rechtfertigt sich in meinen Augen nicht.

Ich moechte nicht abstreiten, dass die zwei Tage Nordschleife Spass
machen, aber diesen Spass kann ich auch guenstiger und mit weniger
Auflagen (z.B. Stv(Z)O) auf anderen Strecken und Kursen haben. Auch
fuer diejenigen, die unbedingt dem Mythos der "Gruene Hoelle" relativ
gefahrlos erlegen sein moechten, mag das Action-Team Training die Wahl
der Stunde sein.

Auffallend ist die straffe und bis ins Detail aufgekluegelte
Organisation des Trainings. Leider mangelt es den Organisatoren an der
Faehigkeit von der Richtschnur abzuweichen. Geaergert hat mich der
Vorwand, dass ich wegen der StvZO nicht mit Slicks fahren duerfe,
waehrend ein nicht unbekannter Instruktor ohne amtliches Kennzeichen,
ohne Blinker und Spiegel unterwegs war.

Auch wenn die Organisation sichtlich bemueht ist, dem Teilnehmer ein
anderes Bild zu vermitteln. so ist das Training des Motorrad Action
Teams ist eine durch und durch kommerzielle, gewinnorientierte
Veranstaltung, fuer eine ganz bestimmte Zielgruppe, zu der ich nicht
gehoere.

--
Waldi, DoD#3908 on Yamaha FZR600R, ABK 2,1
mailto:franz@waldi-online.de * http://www.waldi-online.de/
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