From: Christoph Niessl, bigtwin@rrr.de
Subject: Re: Freizeitvergnügen mit zahlreichen Gefahrenmomenten
Date: Thu, 22 Jul 1999 18:50:47 GMT
Organization: not organized at all

On Wed, 21 Jul 1999 22:04:14 CEST, bernd@sledge.phiger.com (Bernd
Sluka) wrote in de.rec.motorrad:

[..angepasste Geschwindigkeit..]
>Deswegen muß es einen gesellschaftlichen Konsens in dieser Frage geben

Belibt die Frage, warum es den den geben _muss_. Ich sehe das bis
jetzt nciht, Pluralismus ist auch was feines, im Gegensatz zu solch
faulen Konsensen, in ihrer schlimmsten Form als 'gesundes
Volksempfinden'[1] bekannt.
 
>und den stellt letztendenes die StVO dar. 

Bei der Menge an StVO-Uebertretungen, die jeden Tag vielmillionenfach
passieren, glaub ich das ernstlich nicht. Das Volk glaubt
offensichtlich nicht daran, an die StVO gebunden zu sein, damit hat
sich das Wort 'Konsens' von selbst erledigt. 

Dadurch, dass das Volk dumm und im zweifelsfall unvernuenftig handelt,
wird es aber immer noch kein Konsens. 

>Insbesondere gibt sie für
>eine angepaßte Geschwindigkeit gerade noch tolerable Höchstgrenzen
>(unter günstigsten Umständen) an, während sie die Anpassung an andere
>Umstände dem einzelnen überläßt.

Aber warum dann nur die Anpassung nach unten? Seit der Zeit, als z.B.
Tempo 100 auf Landstrassen eingefuehrt wurde haben sich
erhelblicheRandbedingungen veraendert, speziell die Guete der
Fahrbahnene und der Fahrwerke. beides ist i.allg. besser geworden,
also warum nicht schneller fahren? Vorausgesetzt natuerlich, dass z.B.
die Verkehrsdichte niedrig genug ist und der Fahrer gut genug. 

und die 100 km/h sind sicherlich nciht die hoechstgrenze dessen, was
ein sehr guter Fahrer (als Beispiel ein Formel-1/GP-Fahrer) in einem
sehr guten Fahrzeug (strassenzugelassene Rennmaschinen, etwa ein
Mc-Laren F1 oder ein SB-Motorrad mit z.B. in Oesterreich legalem Kit)
bei ansonsten optimalen Bedingungen schaffen kann. 
Es waere doch nur zu vernuenftig, die dabei erreichbare
Geschwindigkeit als Obergrenze zu definieren, und jedem anderen es zu
ueberlassen, seine persoenlichen Modifier fuer Strassenguete,
Fahrzeugguete, pers. Fahrkoennen, Wetter, Verkehrslage, etc.
entsprechend anzuwenden. Die Anwendung der Modiefier ist ja ohnehin
vorgeschrieben, also ist das keine wesentliche Aenderung gegenueber
vorher.

Ausser dass hier wieder ein Bereich des Lebens unreglementiert bliebe,
was anscheinend einer grossen Anzahl von Buerokratiefetischisten (oder
auch Sortiernerds) unlieb ist. Speziell im Strassenverkehr, wo als
Beispiel das Uebermass an Schildern innerhalb geschlossener
Ortschaften dienen kann; gluecklicherweise wird das so langsam
abgebaut, wenn auch nur gegen erheblichen Protest der jeweiligen
Stellen, die diese Schilder aufgestellt haben (lassen). Der Protest
ist ja verstaendlich, denn besagten Stellen ist ja damit
offensichtlich Unfaehigkeit bei der Verfuegung dieser Schilder
nachgewiesen, das laesst sich hier so gern niemand vorwerfen.


>Wer sich hier seine eigene "angepaßte" Geschwindigkeit definiert, 
>stellt sich außerhalb des Rechts und damit auch letztendlich außerhalb 
>der Gesellschaft, die dieses recht definiert, 

Ein von einer Gesellschaft definiertes Recht muss nicht sinnvoll sein;
genauso wird 'Recht um des Rechtes willen' in jeder Diktatur ad
absurdum gefuehrt, diese Regeln koennen also nicht absolut gelten. Du
bezeichnest mit dieser Floskel zum Beispiel alle Frauen, die sich fuer
ihre noch immer nicht gegebene Gleichstellung einsetzen, im uebrigen
als ausserhalb der Gesellschaft stehend, denn die Gesellschaft setzt
ja gerade die Ungleichbehandlung. Ist nicht gerade sehr p.c. 
Ein anderes Argument gegen Recht um des Rechtes willen ist die Frage,
wodurch dann jemals ein Fortschritt erzielt werden soll, die
Legislative ist hierzulande offensichtlich unfaehig, so etwas aus
eigener Kraft ohne Druck von der Strasse (durch dann deiner Ansicht
nach ausserhalb des Rechts und der Gesellschaft stehnede Buerger). 

Diese Aburteilung deinerseits sagt also genau gar nichts aus.

>auch wenn er das 
>aufgrund der auf den Straßen vorherrschenden Gruppennorm erst nach
>einem Unfall, dann aber umso schmerzhafter erfährt.

Ach ja? Und mit angepasster Geschwindigkeit kann einem das nicht
passieren? Etwa dass einem die Vorfahrt genommen wird, oder dass ein
Verkehrsteilnehmer ploetzlich auf die Gegenfahrbahn geraet (vielleicht
sogar durch dessen unangepasste Geschwindigkeit?). Es nuetzt mir
nichts, wenn auf meinem Grabstein steht, dass ich angepasst fuhr. Also
kann ich auch gleich so fahren wie ich es fuer vernuenftig halte.

Ciao Christoph

[1] Das ist kein Grund fuer einen Godwin, dieser Begriff war auch vor
dem 3. Reich schon negativ besetzt.