From: Hannes Deeken, hd@cool.de
Subject: "Kick Radler? Kick Dose!" oder "Ein Motorrad namens Eisberg" (lang)
Date: 24 May 1999 15:35:11 +0200
Organization: Cool, Inc.

Es lief einfach zu gut. Es war Megafeten-Sonntag, bestes Wetter, die
Strassen im Odenwald waren nicht sonderlich bevoelkert (zumindest die,
auf denen wir fuhren :), die Truppe war recht homogen und angenehm zuegig
unterwegs, und der Restalkohol war spaetestens nach dem Mittagessen
auch verflogen. Das haette mir zu denken geben sollen. Aber nein.
Wir (MDvP, Kathinka, desert und meine Wenigkeit) schlichen gerade gemuetlich
ueber die auf grossen Teilen mit Rollsplit verseuchte Strasse zwischen
Rothenberg und Beerfelden, als in einer gar nicht mal engen Linkskurve
ploetzlich eine Dose auf meine Spur rueberdriftete. Ausweichen war nicht mehr
moeglich, und so rammte sein linker Kotfluegel mein linkes Bein und sein linker
Aussenspiegel meinen Kupplungshebel. Dank der niedrigen Geschwindigkeit
(vielleicht noch 30km/h) ist mir ein Sturz erspart geblieben.
Kurze Begutachtung der Bandit ergab primaer mal eine gebrochene Traegerplatte
an der linken Fussraste und ein verbogener Schalthebel. Eine weitere kurze
Begutachtung des Fahrers ergaben einen zerfetzten Reissverschluss am
linken Stiefel, Abschuerfungen an Stiefel und Hose, Prellungen unterhalb des
Knies, aber keine gebrochenen Knochen. *schweissvonderstirnwisch*
Die Dose war in der Zwischenzeit wieder zurueckgekommen, und es stieg ein
aelterer Herr aus (schaetzungsweise irgendwo zwischen 70 und 90). Auf die
Frage hin, was er eigentlich auf meiner Spur gewollt habe, gab er sich irritiert
und behauptete, dass er gar nichts getan haette, und ich auf seine Spur
gewechselt haette, um dem Rollsplit auszuweichen. Ich glaub, so perplex
wie da hab ich schon ne Weile nicht mehr gekuckt. In Anbetracht der Tatsache,
dass wir uns nicht auf den Unfallhergang einigen konnten, wurde die Polizei
gerufen, die auch nach der odenwaldueblichen 3/4-Stunde auftauchte.
In der Zwischenzeit konnte ich mir die Schaeden an der Dose genauer anschauen.
Der Kotfluegel war auf ganzer Laenge tief eingedrueckt, und die Delle auch 
mit schwarzen Streifen uebersaet. Der Aussenspiegel war komplett desintegriert
worden, und es war nur noch die Halterung zu sehen. Desweiteren war die
Radkappe vorne links zertruemmert. Anscheinend ist mein Motordeckel, der ja
bei der Bandit bekanntermassen sehr weit raussteht, dort eingeschlagen.
In Anbetracht der Delle im Kotfluegel bin ich jetzt noch verbluefft, dass mir
nicht mehr passiert ist. Anscheinend taugt das Blech bei Ford nix ;)
Beim Warten auf die Polizei kamen dann auch Michael und Kathinka zurueck, die
ueberhaupt nichts von dem Geschehen hinter ihnen mitbekommen hatten (Duc-Treiber
brauchen anscheinend keine benutzbaren Spiegel ;)
Die dann irgendwann aufgetauchte Polizei nahm dann den Unfall auf. Der
Dosentreiber versuchte zwar bis zuletzt, den beiden Beamten seine Story ins Ohr
zu schrauben, teilweise mit wilden Thesen, wie denn die ganzen Splitter und
Unfallspuren auf meine Fahrbahn kamen, aber die Spuren waren eindeutig, und ich
hatte einen Zeugen, womit seine Bemuehungen auf eher unfruchtbaren Boden
fielen.
Nachdem alles aufgenommen war, und die beiden Polizisten endgueltig keine Lust
mehr hatten, mit dem Dosentreiber zu diskutieren, loeste sich die Versammlung
langsam auf. Da der Bandit nur der Schalthebel und die Raste fehlte, sie aber
ansonsten noch voellig fahrtuechtig war, entschlossen wir uns, sie erstmal
nach Beerfelden zu fahren, um sie evtl. dort abzustellen. In Beerfelden
angekommen, disponierten wir um und fuhren weiter nach Worms. Gluecklicherweise
reicht der 2. Gang bei der Bandit zum Anfahren (meine arme Kupplung :( ), und
geht im Notfall bis 110km/h, was mir die Rueckfahrt mit dem linken Fuss auf
der Soziusraste ermoeglichte. (An dieser Stelle nochmal Dank an die geduldige
Begleitmannschaft. 80 auf der Landstrasse ist wirklich ermuedend ;)
In Worms angekommen, nahm sich dann das MF-Werkstattteam unter Leitung von
MechGyver aka BigTwin der Fussrastenbrocken an, und wir restaurierten die
Traegerplatte mit Hilfe von Kaltmetall und dem Blech einer Dose Spam :))
so weit, dass man die Fussraste wieder montieren und den Schalthebel benutzen
konnte. Fotos von dieser Aktion hat uebrigens Radbert gemacht, auch von dem
Ergebnis der Montage, inklusive der Abspannung mit Draht. Danke nochmal an
alle Beteiligten.

Naja, nun bin ich wieder daheim, habe mein Bein von mir gestreckt, schreibe
an diesem Posting, und versuche damit fertigzuwerden, dass mir jetzt auch
mal das passiert ist, was sonst immer nur den anderen passiert. Bei meinen
bisherigen Stuerzen war ich immer selbst schuld, und konnte hinterher den
Finger auf den Punkt legen und sagen: DAS hast Du falsch gemacht, DAS musst
Du aendern. Aber jetzt gibt es da keinen Punkt. Ich habe nichts falsch gemacht,
und ein Schweineglueck gehabt. Dieses Gefuehl der Hilflosigkeit saugt massiv.

Conclusio: Schutzkleidung RULEZ, Ford-Blech taugt nix, Altersschwachsinn ist
auch ne Unfallursache, Ducatifahrer sind nach vorne orientiert ;) und mein
Schutzengel hat offensichtlich auch entdrosselt.

Hannes
P.S.: Beim Rumstehen kam der Vergleich zwischen der Dose und der Titanic auf.
      Nun heisst die Bandit "Eisberg" :)
-- 
Hannes Deeken aka Glenlivet                         '97 blue GSF600S "Eisberg"
                                        RRR#86 GUS#21 WD#86 TSB#86
"ABS, wenn ich das schon höre, man muß doch die Chance haben, gepflegt auf die
 Schnauze zu fliegen! ;-)" --- K.D. in de.rec.motorrad