From: Christoph Niessl, niessl@mathematik.tu-muenchen.de
Subject: Re: Stoppie und ABS / Telelever??
Date: Thu, 01 Oct 1998 02:21:51 +0200
Organization: [posted via] Leibniz-Rechenzentrum, Muenchen (Germany)

Christoph Niessl wrote:
> 
> Steffen Hoffmeister wrote:
[..]
> > Kann man mit ABS eigentlich einen Stoppie machen?
> > Und wenn nicht, wie sieht es mit Telelever und ohne ABS aus?
> 
> Nein, ich fall auf den Koeder nicht herein. ich nicht!

Hallo Christoph ;->

Naja, ich bin doch reingefallen und wollte wissen, was es denn fuer eine
Auswirkung hat - ja, so richtig mit Zahlen, meine Profession laest mich
doch nicht los, wenn die Gabel beim Stoppie voll einsinkt (und auch das
Heck ausfedert) gegenueber dem Zustand beim Telelever.

Also folgende Grundannahme: Das Motorrad hat einen Radstand von 1400mm,
Raddurchmesser v/h gleich bei 600mm, Achslastverteilung (mit Fahrer)
bei 50/50, und (sollte eine realistische Annahme sein) der Schwerpunkt
(SP) liegt auf ca. 70 cm Hoehe. Wenn diese Geometrie so ziemlich gleich
bleibt (wie bim Telelever), liegt der SP immer 70 cm hinter und ueber
dem vorderen Radaufstanspunkt, das ist ein Winkel von 45 Grad, und man
braucht demnach eine Verzoegerung von 1g (anders gesagt, der noetige
Reibbeiwert liegt bei mu = (tan(45grad))^(-1) = 1), um das Hinterrad
gewichtsfrei zu bekommen. Bremst man staerker (so das geht) gibts (so
das ABS nicht eingreift) nen Stoppie. So einfach. 

Wie sieht das aus wenn die Geometrie sich veraendert?
Interessant ist nur der Winkel vom der Strecke zwischen SP und dem
vorderen Radaufstandspunkt vRAP zur Fahrbahn. Ich habe mal angenommen,
dass die Gabel einen Lenkwinkel von 60 Grad hat, vorne der Federweg von
8 cm voll aufgebraucht wird und das Heck 4 cm ausfedert (das heisst, v/h
je 12 cm Gesamtfederweg mit der Einstellung 1/3 Negativ, 2/3
Positiv-Federweg, also der uebliche Standard) Wegen des Lenkkopfwinkels
gibt das ungefaehr eine Radstandsverkuerzung um 4 cm (cos(60grad)=1/2,
das Ausfedern hinten macht praktisch nix aus) und die Front geht nur um
ca. 7 cm nach unten. Das heisst, dass der SP kaum nach unten geht
(vorher warens 70 cm, jetzt 69.6cm), aber ein ganzes Stueck nach vorne,
naemlich um ganze 13.1 cm. (Die Rechnungen dazu spar ich mir, sie sind
eh nur auf einer nicht ganz durchkonstruierten Triangulierung aufgebaut,
aber es ist auch schon spaet. Aber in der Groessenordnung kommts gut
hin), das macht bei o.a. Winkel zwischen der Strecke (SP,vRAP) und der
Fahrbahn eine Aenderung von 45 auf 56.4 Grad aus. Weil der SP also
weiter vorne liegt, braucht man auch weniger Kraft, um die Fuhre ueber
das Vorderrad zu kippen, man muss nur mit mehr als mu =
(tan(56.4grad))^(-1) ~= 0.816 g verzoegern (oder braucht mindestens
diesen Reibbeiwert von 0.816), damit ein Stoppie hinkommt. und der
Unterschied ist BETRAECHTLICH!

Gut 80% zu Bremsen schafft jeder Dorftrottel, nahe an 1g zu kommen ist
hart, weil man da an derGrenze des Reibbeiwerts liegt, der ist wirklich
kaum groesser als 1 [die Messwerte der Bremsleistungen per
Data-recording in diversen Zeitschriften, die Werte > 9.81 m/s^2
angeben, liegen IMAO am Luftwiderstand, der mitbremst. Was da also
allein vom Reifen auf die Strasse gebracht wird, liegt also noch gut
unter 1g], selbst mit Warmgefahrenen Klebstoff-Reifen und Verzahnung.
Mehr ist _offensichtlich_ nicht drin als diese knap 11 m/s^2, sonst
wuerden die SuperBike-Leute das doch auch erreichen, oder? Und der gut
eine m/s^2, den man damit ueber 1g liegt, den kannman guten gewissens
dem Luftwiderstand zuschreiben.

Und wenn man dann noch bei einm Stoppie alles Gewicht des Fahrers ueber
den Lenker wirft, gehts folglich noch einfacher. ich bin hier davon
ausgegangen, dass der Fahrer sich am Lenker abstuetzt, also seine
Sitzhaltung nicht veraendert.

Ciao Christoph, mit ABS und Telelever doppelt gestraft - aber NUR in der
Beziehung auf Stoppies.
-- 
       _/    _/_/_/   Christoph Niessl (rrr#24, wd#24, kk#3)
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