From: H S, test@motor.de
Subject: Anneau du Rhin (Bericht, lang)
Date: 28 Sep 1998 10:34:11 GMT
Organization: Ericsson Eurolab Germany


Hi!

Wir waren letzte Woche zwei Tage in L'Anneau du Rhin - die Rennstrecke bei
Colmar im Elsass. Es handelt sich ja dabei um eine private Rennstrecke, also
kein grosses Fahrerlager, keine Boxengasse aber ein erstklassiger und
anspruchsvoller Rennkurs von 2,919km Laenge.

1. Tag:
Erstmal einfahren auf diesen Kurs. Die Kurven sind echt nicht trivial
und es kommt auf Linie an. Viele der Kurven bedingen, dass man lange
aussen bleibt und erst spaet hineinzieht, sonst muss man einen Ausflug
ins Gelaende einschieben. Eine sehr schoene Aneinanderreihung von Rechts-
und Linkskurven unterschiedlichster Radien und Geschwindigkeiten bis hoch
auf fast 200km/h mit Knie am Boden. Es gibt eine laengere Gerade von ca. 800m,
ansonsten stoesst eine Schraeglage an die naechste. Das ist durchaus
mit Arbeit verbunden und macht viel Spass.
Nach einiger Zeit beginne ich den Kurs mir im Gedaechnis einzupraegen und
suche die Punkte, wo ich wie optimieren kann und prompt reite ich
innerhalb von zwei Runden 2x aus. Einmal fahre ich das "Flick-Flack" in der
ersten Links zu weit innen an (bei ca. 160km/h) was sich sofort raecht und
man den anschliessenden Rechtsbogen ueberhaupt nicht mehr schafft. Also
unbedingt raus aus dem Sattel und geradeaus ueber die Wiese und bloss nicht
lenken und wieder zurueck auf die Strecke rollen lassen! Eine Runde spaeter
verbuegele ich den Bremspunkt vor den Fahrerlager und steche geradeaus
ins Kies (mind. 20 Zuschauer jubeln - und ich bleibe COOL ;-))) )
Also mit buddelndem Hinterrad und nach langen - und umjubelten Sekunden -
schaffe ich mich wieder aus dem Kies zu befreien. Sollte ich doch
Enduro fahren lernen? ;-)

Naja, ich fahre wieder los und lege erstmal ein paar passable Rundenzeiten
hin, wobei ich aber noch ca. 2 Sek ueber meinem Zeitziel fuer die Tage bleibe.

Anschliessend muss ich erstmal wieder Luft schnappen und Kristina faehrt
raus. Sie faehrt wie uebelich, also wie ein Uhrwerk Rundenzeiten, die
eine Differenz von weniger als einer halben Sekunde haben. Sie legt
dann eine Kohle nach und erreicht ein enorm hohes Potential. Sie kommt
meinen Zeiten nun langsam bedrohlich nahe. Sie ist mit Abstand die schnellste
Frau und mischt auch eine Menge anderer Fahrer auf.

So geht es nun den Tag ueber. Ich finde noch locker eine Sekunde nach der
Mittagspause, bin ganz gluecklich, weil mein Wunschziel doch recht erreichbar
erscheint. Ansonsten kuemmere ich mich um Kris, die mit einem Freund noch ein
paar Trainingsrunden macht und nun wirklich schnell wird. Ich trainiere
im Gegenzug seine Freundin, die auch noch etliche Sekunden abbaut.

Naja, dann kommt Kristinas grosse Stunde und sie schnappt sich den einen
um den anderen, wobei sie beim Herausbeschleunigen dann unschalgbar wird bis...
ja bis sie dann doch etwas schnell an Gas dreht und direkt vorm Fahrerlager
und 20m von mir entfernt die Reifenhaftung auslotet. Naja, Kris rutscht und
reitet etwas merkwuerdig herum, die Kiste wirft sie ab, Kris kugelt
kurz aus, die CBR schiesst geradeaus, knapp hinterm Kies, ueber die
Einfahrrampe in den Acker und reisst sich dort die Oelwanne, Fusswaste und
Bremshebel auf bzw. ab.

Hm, Kris geht's gut und grinst schon wieder feist und ich eile zur Maschine
um zu sehen, was los ist. Zum Glueck geht das Oel nicht in Flammen auf.
Nun, ein Oelwechsel haette ich mir anders vorgestellt!
Schei**e, Schei**e - wo soll man auf die Schnelle eine neue Oelwanne
herbekommen. Die Kumpels bequatschen mich aber doch mal herumzutelefonieren
und es wenigstens zu probieren. Rainer T. schiebt gerade Telefondienst zuhause
in Aachen und kann mir auch ein paar Hondahaendler in der Gegend Freiburg
ausfindig machen. Nach etwas Bequatsche habe ich dann auch den grossen
Haendler in Freiburg soweit, dass er eine Maschine schlachtet (was er in den
naechsten Tagen vorhatte) und ich so zu einer gebrauchten Oelwanne komme.

Kris bekam derweil die Maschine (CBR600) von Axel und Julia, damit sie
gleich wieder ein paar Runden drehen konnte und nicht erst einen 
Schock entwickelt - Fand ich eine tolle Aktion!!!


2. Tag
Abholen der Oelwanne bei Morgenstund vorm Fruehstueck. Dann zurueck zur
Rennstrecke und erstmal die Maschine zerlegt. Dank der Sturzprotektoren
(diese runden Poller an den Seiten der Maschine) ist die Verkleidung
fast kaum beschaedigt und auch sonstiges kaum verwundet.
Also Auspuff ab, Oelwanne getauscht, neues Oel rein, die abgefahrenen
Reifen gewechselt, Gabel entspannt. Kurz vorm Mittag ist dann die
Maschine fast wie neu und mit neuem Oel!
(Dank an Axel, Julia, Martin, Andre die solange den kleinen Hendrik
zwischen ihren Rennrunden hueteten, waehrend ich unter der Maschine lag
und Kris die Reifen tauschte.)

So, mittags ging es dann wieder vorsichtig raus; neue Reifen einfahren
und testen, ob die Maschine noch tadellos laeuft. Sie war tadellos!
Nach 30 Runden und einem erneuten Ausritt wegen physischer Erschoepfung
kam ich dann wieder rein. Fix-und-foxy. Ich hatte garnicht gemerkt, dass
ich fast 100km am Stueck eine Runde nach der naechsten mit gutem Tempo
gefahren bin.
Dabei ueberholt mich die GSX-R des PS-Testteams, die gerade den 2. Teil
des Tune-Up's fuer's Nov.-Heft produzierten. Mensch, wenn die 98er GSX-R
nicht so elendig mehr Leistung auf der Geraden gehabt haette, haette
ich sogar eine Chance besessen laenger dran zu bleiben.
Naja eine 93er CBR600 ist halt nicht mehr das, was fuer Motorleistung
steht. Ausserdem sind die Jungs von der PS, der Stefan, nun auch nicht
gerade die Nasenbohrer! War aber nett mal deren Linie etwas zu studieren.

Da freut man sich als kleiner Rennpimel doch mal, wenn die grossen
Schreiberlinge, deren Verse man monatlich auswendig lernt, einem
einen kleinen Einblick in das geben, auf das sie ihre Reime fußen. %-)

Dann ist Kris wieder aufgestiegen und (etwas verhaltener als gestern)
gefahren. Naja, es fehlten einige Sekunden aber langsam war
sie immernoch nicht.
Anschliessend bin ich wieder raus und brannte nun ein paar gute
Runden in den Asphalt. Dabei unterschritt ich mein persoenliches
Wochenziel sogar um eine ganze Sekunde. Leider stuerzte dann
ein Kumpel vom Axel mit seiner CBR900 (highsider) mittelpraechtig
und die rote Fahne war draussen (er tat sich aber nichts schlimmes, was
nicht schnell wieder heilen wuerde - seine Kiste hat eine krumme Gabel
und etwas kaputtes Plastik; etwas fuer die Winterstunden).

Danach schnallten wir die Kamera auf Axels Motorrad (er ist ein begnadeter
Rennfahrer und legt mal so eben aus dem Handgelenk Rundenzeiten hin, die
mir raetselhaft erscheinen) und wir beide gehen nochmal auf die Strecke
raus. 15 min bis zum Schluss bleiben mir fuer ein wenig Hollywood.
Dabei sind wir so gut eingefahren, dass ich gleich nochmal mich eine Sekunde
verbessere und nun wirklich ein paar Traumrunden hinlege - und alles auf
Video!     ...    Ende. :-(



Nun, als Fazit bin ich vollauf zufrieden. Der Abflug von Kris war nicht so
toll, aber wir haben trotzdem sehr viel Spass gehabt und und an dieser praechtigen
und anspruchsvollen Strecke sehr erfreut.

Die Knieschleifer sind runter, die Reifen (Michelin Race3) machten richtig
Laune, die alte CBR ist zwar leitungsmaessig etwas unterlegen aber dafuer
kann man sich auf seine Fahrkunst konzentrieren.
Aber ich weiss auch noch, wo ich die eine oder andere Sekunde beim naechsten Mal
holen kann.

  /Has