From: Tom Bihr, bihr@informatik.hu-berlin._das_weg_.de
Subject: BMW K12 - Die Mutter aller Tourer! - laenger
Date: Mon, 04 May 1998 20:46:49 GMT
Organization: Humboldt University Berlin, Department of Computer Science

Hallo Leute

notgedrungen habe ich in der vergangen Woche eine BMW K12 probefahren müssen.
Etwas mehr als 3000 km sind zusammengekommen, darunter waren ca. 500
Nürburgring-Nordschleife. Was kann ich sagen?

Um es zusammenzufassen: 
Ich bin konvertiert, habe die Religion gewechselt. Vollverkleidete Maschinen
sind zukuenftig erlaubt, wenn sie K12 heissen. :-) 

Aber der Reihe nach:

Zunaechst mal war ich sehr ungluecklich bei der Übernahme der Maschine. Das
ist so überhaupt nicht meine Welt (gewesen). Schwer und vollverkleidet. Die
Fahrt heim war grauslich im Stadtverkehr Berlin. Alles so ungewohnt. Die
Sitzposition, der Motor, selbst die Armaturen. 
Daheim dann die erstmal die Daten betrachten: 98 PS (o.k.) 285 kg Trockenmasse
(naja) 500 kg zulaessige Gesamtmasse (hmm). Ein ordentlicher Halbtonner also.
Sehr respekteinfloessend. Dazu das Aussehen. Das Ding sieht aus wie der
Versuch von BMW, der Bundeswehr einen Zweiradpanzer zu verkaufen. Wenn man an
die Verkleidung pocht, ist man irgendwie enttaeuscht, dass es nicht metallisch
plingt. Schnoedes Plastik! Offensichtlich hatte die Bundeswehr keinen Bedarf.
Da ist man bei BMW wohl auf den Gedanken gekommen, die Mutter aller Tourer zu
bauen. Und DEN Titel hat die K12 wahrlich verdient.

Nagut. Am naechsten Tag sollte es nach Thueringen gehen. Tat es auch, nachdem
ich mir fuer den Tankrucksack eine notduerftige Befestigungsmoeglichkeit
gebastelt hatte. Die als Tank getarnte obere Verkleidung ist naemlich nicht
aus Blech. Magnetrucksaecke taugen da nicht. 
Kaum raus aus der Stadt verwandelte sich meine Skepsis in Neugier. Die Masse
spielt beim Fahren auf der Landstrasse keine Rolle. Das Ding faehrt. Und zwar
praechtig. In der Duebener Heide tauchen die ersten Kurven aus. Ich erwarte
ernsthafte Diskussionen des Metalls ueber die einzuschlagende Richtung.
Fehlanzeige! Das Ding faehrt. Und zwar dahin, wo man hin moechte. Es ist
einfach nicht zu glauben. Die Masse ist wie weg. Man braucht an die Kurve nur
zu denken und das Teil lenkt wie von selbst ein. Man kommt sich vor wie auf
dem Fahrrad. Ich habe immer gedacht, bei den BMW-Boxern waere bereits
fahrwerkstechnisch sowas wie ein Maximalstand erreicht. Weit gefehlt. Die K12
kann's noch besser. In Thueringen dann Berge und Spitzkehren. Die Kehren
funktionieren, wenn man sich traut. 
Die Steigungen offenbaren das naechste Highlight der K12: Der Motor. Sowas von
Zug habe ich noch nicht erlebt. Leistung (sprich: Drehmoment) im Ueberfluss in
allen Drehzahlbereichen. Man koennte meinen, es waere eine Getriebeautomatik
eingebaut. Nach dem Anfahren den vierten Gang einlegen und das Schalten ist
fuer die weitere Fahrt vergessen. Es passt immer. 
Du bist auf der dunklen Seite der Macht!
Und dann die Bremse: Ich wusste nicht, dass BMW neuderdings Kawasakibremsen
nachbaut. Endlich mal eine mit sehr heftigem Biss. Wenn man da ordentlich
reinlangt, dann spuelte es einen samt seiner edelsten Teile den Tank hoch.
Dank ABS bleibt das aber unkritisch -  bis auf die Option, wieder im
Knabenchor zu singen. 

Am naechsten Tag geht es weiter in die Eifel. Es regnet heftigst. Und es
offenbart sich eine weitere Besonderheit der K12: die Verkleidung. Man ist
optimal geschuetzt. Obergenial sind die seltsamen Ohren der K12, in denen sich
die vorderen Blinker befinden. Es stellt sich heraus, dass diese Ohren die
Funktion eines Windabweisers fuer die Haende haben. Und das wirkt
beeindruckend. Trotz heftigsten Regens bleiben die Haende trocken. Man darf
nur nicht stehenbleiben. :-) Aber wozu auch?
Bei hoeheren Geschwindigkeiten (man faehrt auf der Landstrasse eigentlich
staendig versehentlich 160) habe ich es als angenehm empfunden, dass der
Kopf/Helm nicht von Verwirbelungen der Scheibe getroffen wird. Es ist angenehm
ruhig im Vergleich zu meiner leider verflossenen GS. 

Auf der Nordschleife dann bei Trockenheit (leider nur ein halber von zwei
Tagen) zuegige Fahrweise. Die Maschine kann weit mehr als ich. Irritationen
gibt es einfach nicht. Einmal in Fahrt, bewegt sich das Teil ohne jeden
Widerstand. Die nuerburgringueblichen Reifenabriebgnubbel (es bilden sich so
kleine Gummiwuelste am Reifen) stellen sich umgehend ein.

Naja, meine Umgebung (Waldi, Andreas, Wag, Dirk) mussten wohl ein wenig unter
meiner Begeisterung leiden. Aber ich konnte nicht an mich halten. Kurz gefasst
die weiteren Auffaelligkeiten:

Positiv:
* Ergonomie: 
Das Teil wirkt sehr durchdacht. Die Armaturen sind wieder ueberarbeitet worden
und noch ein wenig leichter zu bedienen. Die Blinker-Aus-Funktion ist
veraendert worden (Daumendruck nach vorn statt nach oben). Die Sitzposition
ist offensichtlich sehr gruendlich ueberlegt worden. Nach 660 km
Stuttgart-Berlin ueber Landstrassen nur mit zwei kurzen Pausen zum Tanken
konnte ich ohne Muehe absteigen. Es tat nichts ernsthaft weh. Weder Hintern
noch Kniee noch Handgelenke.
* Kaltstartautomatik: 
Obwohl BMW seit Jahren seine Motoren vollelektronisch kontrolliert, durfte man
noch mit dem Choke spielen. Das ist bei der K12 vorbei. Knopfdruck. An.
Losfahren. Eine mir sehr angenehme Neuerung.
* Elektronik: 
Solange sie funktioniert, ist die Elektronik sehr vertrauenerweckend. Das wird
sicherlich auch hervorgerufen durch die zahlreichen Kontrollampen, die beim
Starten angehen, um sich nacheinander (nicht gleichzeitig) wieder
auszuschalten. Man hat das Gefuehl, da prueft ein Zentralrechner die Systeme
und gibt sie dann frei. Zuletzt uebrigens die Tankleuchte. Das gefaellt mir
sehr gut, weil man bei jedem Start sieht, dass die Lampe noch funktioniert.
Wie gesagt, handelt es sich um gefuehlsmaessiges Wohlbehagen, was da bei mir
erzeugt wurde. Hat mit der tatsaechlichen Funktion wohl wenig zu tun.

Negativ:
* Masse: 
Im Fahren vollkommen problemlos. Beim Rangieren laestig bis aergerlich. Ich
habe nach nur wenigen Rangierversuchen gelernt, so zu parken, dass ich
vorwaerts mit Motorkraft wieder wegkomme. Dank der vergleichsweise niedrigen
Sitzbank kommt man zwar gut mit den Fuessen auf den Boden. Es ist trotzdem
hoechst anstrengend, mehr als 300 Kilo durch die Gegend zu zerren.
* Verarbeitung:
Die Maschine die ich hatte, war ein Jahr alt und hatte knapp 8000 km auf der
Uhr. Es sabberten beide Standrohre vorn Oel (vermutlich Simmeringe hinueber).
Ebenso die Oeleinfuellschraube (vermutlich zuviel eingefuellt) und die
Kardanentlueftung hinten (nur Oelnebel, vermutlich auch zuviel Oel). Im
Leerlauf und beim Beschlaeunigen klappert es (nach Aussagen des Haendlers
Motorelektroniksteuergeraet der ersten Serie mit zu geringer
Leerlaufdrehzahl). Die Kupplung rutscht schon etwas, was sich insbesondere
beim Bergauffahren stoerend bemerkbar machte. 
Alles eigentlich keine Probleme, wenn die Werkstatt funktioniert. Aber es ist
laestig und ob des Preises nicht so ohne weiteres zu akzeptieren.
* Preis:
Ich kenne den genauen Listenpreis nicht. Er duerfte bei ca. 28 kDM liegen. Das
ist ausgesprochen viel. Allerdings bekommt man dafuer auch ein
aussergewoehnliches Mopped.


Das war's soweit. Ich kann nur empfehlen, sich ein eigenes Bild von der
Maschine zu machen. Fahrt mal Probe. 

Mein persoenliches Fazit:

Etwas dick, etwas teuer, super fuer die Landstrasse, fuer die Autobahn viel zu
schade. 

Geil! Haben wollen!

Gruss, Kaept'n Tom

**   DoD#27513 rrr#5 GUS#15 hc ** no Red BMW R1100GS after 75 days   **
**        http://www.informatik.hu-berlin.de/~bihr/bihr.html         **
Have you ever dropped your bike in the presence of 2 other people? (+2)