From: Martin Theodor Ludwig, martin-theodor.ludwig@gmx.de
Subject: Reisebericht Suedspanien 15.-21.3. (lang)
Date: Fri, 10 Apr 1998 07:43:43 GMT
Organization: only speaking for myself

Der Alltag hat mich wieder (und bereits mehrfach verhindert, daß ich
diesen Beitrag früher fertigbekomme) - aber hier sind nun endlich
einige Notizen zu meiner Saison(?)auftakt(??)tour durch den Süden
Spaniens. Begleitet wurde ich und meine Vmax dabei von O.K. und seiner
Transalp. Die Anfahrt in mehreren ARZ-Etappen bis Sevilla (bzw. zurück
ab Málaga) und deren Vorbereitung habe ich ja schon weiter oben im
Thread beschrieben.

Zur Übernachtung haben wir jeweils ein Verzeichnis der Vereinigung
ländlicher Hotels in Andalusien herangezogen, das ich letztes Jahr
eher zufällig mal gefunden habe (das aber dieses Mal nirgends mehr zu
haben war). Es handelt sich dabei oft um einzelstehende historische
(oder nachempfundene) Gebäude, die als Hotel umgebaut worden sind und
uns nicht enttäuschen. Drei Nächte verbringen wir bei Ronda, die
vierte in Torrox (östlich Málaga an der Küste). Zum Frühstück bekommen
wir auf Nachfrage (zu der uns der Kellner am ersten Morgen selber
ermuntert hat) tortilla francesa, also ein kleines Eieromelett im
Brötchen (an Stelle des sonst etwas mickrigen landesüblichen Kaffees
mit Toast). Der Kollege am nächsten Tag hat Zweifel, daß er das
ebenfalls hinbekommt, aber diese Zweifel erweisen sich als
unberechtigt. In Orgiva haben wir allerdings Pech, das gewünschte
Hotel ist von Reisegruppen ausgebucht (und das offensichtlich auf
Monate im Voraus). Kurzentschlossen steuern wir das Feriendorf in
Bubión an. Das ist mit 75 Mark pro Nacht und Nase zwar etwas teurer,
aber dafür sind wir zwei Nächte lang Besitzer eines ganzen Hauses in
einem originalgetreu nachgebauten Bergdorf.

Der andalusiche Straßenbelag ist mit Vorsicht zu genießen. Immer
wieder bricht beim Beschleunigen oder Bremsen das Hinterrad aus (und
das bei meiner bekanntermaßen zurückhaltenden Fahrweise ;-). Einmal
ist es (obwohl trocken!) derart rutschig, daß ich beim Anhalten und
Absteigen Mühe habe, mich auf den Beinen zu halten. Auch auf freier
Strecke kommt gelegentlich das Gefühl auf, die Maschine würde nicht
genau dorthin fahren, wo man sie hindirigiert. Am Mittwoch erwischt es
meinen Mitfahrer ziemlich übel, als ihm auf einer kurvigen Bergstraße
das Vorderrad weggeht und er sich wohl schon etliche hundert Meter
tiefer im Gelände aufschlagen sieht. Aber dann greift der Reifen bzw.
der Belag doch wieder, und er fährt ganz cool weiter. Ich dachte noch:
was schlägt er denn für seltsame Haken - versucht er etwa, die
Benzin-Reservemenge von der einen Seite (ohne Benzinhahn) im Tank auf
die andere zu verfrachten?

Ein weiteres eindrucksvolles Beispiel für die Griffigkeit des
Straßenbelags bekommen wir bei Ronda in einem Ort namens Arriate
vorgeführt. Dort ist die Straße im Ortskern nur einspurig, und das
ohne irgendwelche (funktionierende) Ampelregelung. Hinter einer
scharfen Linkskurve geht es steil bergauf. Und die Dosentreiberin vor
uns sieht wohl unerwarteten Gegenverkehr, so daß sie erstmal anhält -
genau an der steilsten Stelle, wo es noch dazu halbseitig feucht ist.
Bei ihren wiederholten Anfahrversuchen bringt sie lediglich das rechte
Antriebsrad zum Durchdrehen und kommt keinen Millimeter vom Fleck.
Nach ein paar Minuten mogeln wir uns vorbei, der Stau in Gegenrichtung
ist bereits beträchtlich ...

(15.3.) In Sevilla gilt es zunächst die richtige Ausfahrt zu finden,
in diesem Fall Richtung Utrera. Das klappt auch ganz gut, aber die
Straßennumerierung ist etwas seltsam: wir haben die gleiche Karte aus
verschiedenen Jahren (Michelin 1.400.000, was AFAIK die beste
Spanien-Karte ist - 1:200.000 oder kleiner sind mir unbekannt, es soll
da gerüchteweise Karten von Firestone geben; und die 1:300.000 von RV
hat ein total chaotisches Kartenbild und dem Vernehmen nach massenhaft
Fehler). Auf beiden Karten hat die gleiche Straße eine andere Nummer,
und irgendwo findet sich auch ein Hinweis, die spanischen Straßen
würden zur Zeit komplett neu numeriert. Aber die tatsächliche Nummer
an der Straße ist keine der beiden Nummern aus den Karten, sondern
nochmal eine andere.

Am Stausee von Zahara vorbei erreichen wir Setenil. Nach Bezug des
Quartiers geht es nach Ronda zu einer kurzen Stadtbesichtigung (die
Altstadt besteht aus zwei Teilen, die durch eine tiefe Schlucht
voneinander getrennt sind). Anfangs sind viele Leute auf den Straßen,
aber zu Beginn der spanischen Mittagspause gegen 14 Uhr leert es sich
schlagartig. Auf kleineren Straßen fahren wir über El Burgo, Richtung
Coín und Monda ans Meer nach Marbella und auf der gut ausgebauten C339
über San Pedro de Alcántara wieder zurück nach Ronda. Die Sonne steht
schon ziemlich tief und blendet, was den Vorwärtsdrang etwas bremst.
Uns entgegen kommen zahlreiche mutmaßliche Tagesausflügler auf ihrem
Rückweg nach Marbella bzw. Málaga. Es sind relativ wenig Dosen
unterwegs, aber einige Reisebusse und in erster Linie Motorradfahrer.
So viele Moppels (und vielleicht auch andere Fahrzeuge) wie auf diesen
50 Kilometern sollten wir die gesamte darauffolgende Woche bis kurz
vor der Rückfahrt am Samstag nicht mehr zu sehen bekommen.

(16.3.) Auch für die beiden nächsten Tage hat sich O.K. bereits im
Vorfeld die Mühe gemacht, interessante Tagestouren auszuarbeiten. Über
eine andere Strecke als tags zuvor geht es wieder zum Stausee von
Zahara und dann nach Ubrique. Dann kommt eine üble Schlaglochstrecke,
die erst ab dem Puerto de Galis wieder besser wird, dann aber abrupt
an einem neu angelegten Stausee endet (jaja, *dieses* Schild mit
"carretera cortada" wäre ausnahmsweise ernstzunehmen gewesen). In
Jimena de la Frontera suchen wir die Burg bzw. deren Reste, was aber
im Gewirr der Altstadtgassen erst gelingt, nachdem wir ca. 20 Meter
Einbahnstraße in Gegenrichtung gefahren sind. Nördlich von El Colmenar
lassen wir uns von einem handgemalten Wegweiser dazu verleiten, falsch
abzubiegen. Es handelt sich um einen Forstweg, der weil trocken ganz
gut fahrbar ist. Aber bei Regen müßte man sich abschnittsweise durch
tief zerfurchten Schlamm kämpfen - darauf hätte nicht einmal O.K. mit
seiner Transalp Lust, von meiner Vmax ganz zu schweigen. Als wir
schließlich wieder eine normale Straße erreichen, beginnt das große
Rätselraten. Wegweiser gibt es keine, und mit Mühe kann ich einen
alten übertünchten Kilometerstein soweit entziffern, daß ich eine
(alte) Straßennummer zu entdecken glaube, die sich auch in der Karte
findet. Es stellt sich heraus, daß wir genau dort sind, wo wir
eigentlich hinwollten (aber auf etwas anderem Weg). Die Strecke
zwischen Ubrique und (an Grazalema und Ronda vorbei) Setenil fahren
wir bereits im Dunklen.

(17.3.) Am Río Guadiaro entlang nach Südwesten kommen wir nach Los
Ángeles (in nicht allzugroßer Entfernung gibt es auch ein San
Francisco). Auf dieser Straße scheinen sich kaum einmal Touristen zu
verirren - jedenfalls gibt es in respektvollem Abstand gleich einen
ziemlichen Auflauf, als wir mal kurz halten und die Karte studieren.
Irgendwo unterwegs ist die ganze Ortsdurchfahrt eine Baustelle, was
vor allem den Nachteil völlig fehlender Wegweisung mit sich bringt,
und auch ein anderes Mal gibt nur der Wegweiser zum (außerhalb
gelegenen) Bahnhof den Hinweis auf die gewünschte Richtung. Castellar
de la Frontera besteht im wesentlichen aus einer größeren Burganlage,
die von Nicht-Einheimischen (darunter auch etlichen Deutschen) vor dem
drohenden Verfall gerettet und wieder bewohnt wurde bzw. wird. Über
ein Nuevo Guadiaro und ein San Martín geht es wieder Richtung Los
Ángeles. Die weiß und schmal eingezeichnete Straße (was sich anderswo
schon mal als eine vollwertige Aut*bahn herausgestellt hat) ist hier
mehrere Kilometer weit eine Schotterstrecke mit größeren Löchern -
ideales Terrain also für eine Vmax ;-) aber nach meinem letztjährigen
Ausflug auf den Colle Sommeiller lasse ich mich so schnell von nichts
mehr abschrecken. In Gaucín geht es wieder hinunter Richtung Meer nach
Estepona - nach drei Tagen im Gebirge mit den kleinen weißen Dörfern
trifft es uns schon wie ein Kulturschock, als wieder die ersten
Bettenburgen in Sicht kommen. In Estepona läßt sich die Straße nach
Jubrique nur mit Hilfe eines Stadtplans und Erläuterungen finden, die
wir uns in der Tourist-Information besorgen. Die Straße geht
sinnigerweise nicht direkt von der Umgehungsstraße ab (obwohl es die
Karte so vermuten läßt), sondern beginnt irgendwo mitten im Ort. Und
die einzige Beschilderung besteht aus "Baustelle auf 16 km Länge" -
ey, aber unsere tägliche Schotteretappe haben wir doch heute schon
hinter uns! Hilft nix, bis Algatocín gibt es keine andere Möglichkeit.
Ein letztes Mal an Ronda vorbei, und wir sind wieder in Setenil.

(Mi 18.) Gut, ich fasse mich jetzt etwas kürzer. Die heutige Strecke
ist Setenil - Estación de Setenil - Cuevas de B. - C341 Ost - MA442
Ardales - MA442 Süd - Schotterstrecke (ungefähr Ri. Hacho) - MA441
Ardales - El Chorro - Álora - C337 Antequera - C3310 Villanueva -
MA436/MA435 Colmenar - A352 Ost und zurück - C345 Málaga - N340 Torrox
Costa. Unterwegs sorgt für etwas Verwirrung, daß es auch einen Ort
namens Vélez Málaga gibt, wo wir doch Richtung Málaga ohne Vélez
wollen. In Málaga geht die Straße wieder ohne Anschluß über die
Autobahn und endet (bzw. beginnt) mitten in der Stadt. Interessant
daran ist, daß sie zweimal sich selber überquert, außerdem ist sie gut
von sportlichen Radfahrern frequentiert. Es kommt, was kommen mußte:
ein solcher Rennradler, den ich weiter oben überholt habe, klebt mir
nach einiger Zeit wieder hartnäckig am Hinterrad, und zieht
schließlich in einer langgezogenen Kurve an mir vorbei ...

(19.3.) Torrox Costa - MA437 - Archez - MA158/MA126/MA125 Viñuela -
C335 Ventas de Z. - C340 Alhama - C340 Embalse de los Bermejales -
Jayena - Otívar - Lobres - N352 Vélez de B. - L451 Orgiva - GR421
Pampaneira - Bubión.

(20.3.) Also wenn wir jetzt schon hier sind, dann wollen wir mal
sehen, wie weit wir auf der Schotterpiste Richtung Pica Veleta kommen
(mit über 300 Metern der höchste anfahrbare Punkt). Teilweise liegt
natürlich noch Schnee am Rand, aber es ist offensichtlich bereits eine
Schneefräse am Werk gewesen. Dreizehn Kilometer oberhalb Capileira ist
dann Schluß an einer Schranke. Die ist zwar geschlossen, aber nicht
abgesperrt. Sollen wir ... ? Aber wir befolgen die Sperrschilder und
machen uns auf den Rückweg und dann nach Trevélez. Dort verschwindet
O.K. in den Gassen der Altstadt. Manche Biegungen sind so eng, daß ich
bei dem großen Wendekreis der Vmax mehrfach rangieren muß. Dann geht
es steil wie ein Dach hinunter, und dann - links oder rechts? Von O.K.
ist nichts mehr zu hören (geschweige denn zu sehen), aber auf dem
nächsten größeren Platz finde ich ihn wieder. Weiter geht es durch die
Alpujarras Altas nach Osten und Norden bis kurz vor den Puerto de
Ragua, durch die Alpujarras Bajas und Orgiva wieder nach Bubión.

(21.3.) Samstag, unser letzter Tag! Auf der Abfahrt von Bubión nach
Orgiva kommt uns eine endlose Kolonne von Reisebussen entgegen.
Zunächst geht es ans Meer bei Castell de Ferro zu einer ungewöhnlich
langen Pause, und dann auf der Küstenstraße westwärts. Bei den
Tropfsteinhöhlen von Nerja ist aber gerade Siesta, als wir kommen.
Statt dessen gibt es noch einen kurzen Abstecher nach Frigiliana, und
dann weiter auf der N340 Richtung Málaga. Dieses wird zu drei Vierteln
auf der Umgehungsstraße umrundet, um dann auf dem (hoffentlich)
kürzesten Weg zum Bahnhof hineinzustechen.

(So 22.) In Barcelona heißt es zunächst mal sieben Achtel eines
Kreisverkehrs zu umrunden. Das dauert ein paar Minuten, denn an jeder
Zufahrt halten einen zwei Ampeln auf. Bis zum Platz de los Glòries
geht alles gut. Dann verirren wir uns zweimal, aber finden die N152
wieder. Vielleicht wäre es über die Autobahn leichter zu finden
gewesen, die allerdings für ca. 10 km bereits 265 Ptas Gebühren
gekostet hätte :-( Weiter geht es über Caldes de M. - B143 Moià -
L'Estany - Sta. Eulália - Vic - C153 Sant Esteve - C152 Olot - N260
Figueres - N260 Portbou (Grenze) - N114 Perpignan - N9 Narbonne. Der
Bahnhof wird wieder einmal umgebaut, es gibt keinerlei Schließfächer.
Notgedrungen nehmen wir Helme und Tankrucksäcke mit auf die Suche nach
einem Restaurant. Davon gibt es in direkter Bahnhofsnähe eine ganze
Reihe, und wir entscheiden uns für einen Vietnamesen, bei dem wir die
einzigen Gäste sind. Erst kurz bevor wir wieder gehen, strömen noch
ein paar Verstreute herein.

(Mo 22.) Von besonderer Qualität ist dann noch meine letzte Etappe,
die von Strasbourg über Freudenstadt nach Stuttgart führen soll.
Anfänglich ist es nur bewölkt, dann beginnt der Regen. Kurz hinter
Oppenau kommt der erste Schneepflug entgegen. Und etwas später wird
mit zunehmender Höhe der Schneematsch immer dicker, schon bei leichtem
Gasgeben rutscht das Hinterrad unkontrolliert durch die Gegend. Bis
oben ist es noch ein ganzes Stück, und das mit meinem 300-Kilo-
Brocken? Dann doch lieber wenden, so gut es eben auf der steilen und
schneebedeckten Straße möglich ist. Erstmal geht es zurück, dann durch
die Stadt der grünen Radwege, und über Hausach erreiche ich
Freudenstadt auf einer (bis dahin noch) schneefreien Strecke. Bis ich
nach einer starken halben Stunde wieder weiterfahren will, ist der
Regen in Schnee übergegangen und das Motorrad mit einer Schneedecke
überzogen. Eine geschlossene Schneedecke und Schrittgeschwindigkeit
erwartet mich dann auch auf den anschließenden Kilometern. Aber in
Freudenstadt selber sind zumindest Reifenspuren schneefrei, und ab
Dornstetten ist es "nur" noch naß. Dafür kann ich jetzt nur noch
einhändig fahren - die zweite Hand ist permanent damit beschäftigt,
ein Zuschneien des Visiers zu verhindern. Bis Stuttgart hängen an
sämtlichen Blinkern, Spiegeln usw. dicke Schnee- bzw. Eisbrocken
(wieso habe ich bloß die Kamera nicht griffbereit?). Gegen Abend bin
ich mitsamt meinem Gerümpel wieder daheim - und einig mit O.K.: das
war eine herrliche Woche, die wir verbracht haben :-)

Bis dann, Martin (GUS#9)
-- 
3/88..7/90  GSX400S  (RT - ?? 2)  51 Mm
7/90..7/95  R80      (FDS- ?? 3)  61 Mm
seit 2/95   GSX400E  (M- ?? 261)  13 Mm
seit 4/96   V-Max    (FDS- ?? 5)  32 Mm