From: Martin Theodor Ludwig, martin-theodor.ludwig@gmx.de
Subject: Reisebericht Muenchen-Malaga
Date: Fri, 27 Mar 1998 00:31:32 GMT
Organization: only speaking for myself

Hi all!

Nach dem Vorbereitungsbericht im vorangegangenen Posting kommt hier
nun der Bericht, wie zwei Personen (O.K. und ich selber) und zwei
Motorräder unter Zuhilfenahme mehrerer Autoreisezugetappen von
Süddeutschland nach Südspanien kommen.

Los geht es am Freitag, den 13. ;-) März. Aber die (schon lange für
diesen Tag geplante und nicht verschiebbare) Besprechung im Büro
dauert natürlich nicht wie gedacht eine Stunde, sondern beinahe drei.
Bis ich mitsamt Motorrad die Münchner Stadtgrenze hinter mir habe, ist
es nahezu 13 Uhr. Angesichts der drastisch gefallenen Temperaturen
(immerhin ist es trocken) nehme ich vorsichtshalber auch noch die
Thermokombi mit (aber halte es dann doch gerade so noch aus, ohne
diese anzuziehen). Oder hätte ich doch das andere Motorrad nehmen
sollen? Da hätte ich wenigstens Heizgriffe und Handprotektoren dran
;-) Durch den verspäteten Aufbruch bleibt nicht mehr viel anderes
übrig als die Autobahn bis Stuttgart und dann ein Stück Richtung
Singen. Von Horb aus verständige ich kurz meine Eltern Nähe
Freudenstadt (damit das verspätete Mittagessen schon warm ist, bis ich
komme ;-) und lasse meinen Winteranzug dort (ich werde das Zeugs doch
nicht nach Spanien mitschleifen, wo schon sommerliche Temperaturen
herrschen ...). In aller Eile nehme ich dann noch die Strecke bis Kehl
unter die Räder. Ergebnis der ganzen Hetzerei: ich bin eine
Viertelstunde *vor* dem vereinbarten Zeitpunkt an der Tankstelle, wo
kurz darauf auch mein Mitfahrer namens O.K. aus Heidelberg eintrifft.
Gemeinsam geht es dann die letzten Meter über den Rhein.

Am Bahnhof Strasbourg geben wir die Motorräder ab, nachdem wir noch
den nötigen Kleinkram für die Nacht ausgepackt und an uns genommen
haben. Mit der eigentlichen Verladung haben wir gar nichts zu tun, die
Motorräder werden vom Bahnpersonal mit vereinten Kräften auf den
Transportwaggon geschoben und dort verzurrt. Die Reifen kommen in
Spezialhalterungen, die ein Wegrutschen sowohl seitlich als auch nach
vorne bzw. hinten unterbinden, anschließend wird das Ganze mit
mindestens vier Riemen kräftig in die Federn gezogen. (Macht irgendwie
einen überzeugenderen Eindruck als die Münchner Art, wo die Motorräder
auf ihrem eigenen, ggf. wackeligen Ständer stehen und zwei Riemen zur
Verzurrung reichen müssen.) Neben vier anderen Motorrädern (alle aus
Deutschland) sind auch noch zwei oder drei Autos auf dem Zug. Im
Autoreisezug-Abfertigungsraum (angenehm warm nach der Kälte bei der
Anfahrt :-) studieren wir noch etliche Landkarten, um die Fahrstrecke
für den nächsten Tag festzulegen. Dann geht es in den Zug, wo unser
Liegewagenabteil mit 5 Personen belegt ist. O.K. hat offensichtlich
noch nicht viele Nachtzugfahrten absolviert und meint dann am Morgen,
er hätte schlecht bis überhaupt nicht geschlafen :-(

Am Samstagmorgen (14. März) ist in Narbonne ist dann erstmal ein
Bustransfer angesagt, um vom einen Ende des bahnhofs (mit den
Bahnsteigen) zum anderen (zur Verladestelle) zu kommen. Dort bekommen
wir das serviert, was die Franzosen Frühstück nennen. Mittendrin kommt
die Durchsage, die Motorradfahrer müßten zur Laderampe kommen. Nanu,
wer wird denn so eine Hektik veranstalten? Wir essen in aller Ruhe
fertig und finden dann die Motorräder neben dem Zug stehen, mit
steckenden Schlüsseln - und keiner interessiert sich mehr dafür, als
wir (oder jemand Unberechtigtes??) damit davonfahren.

Für die Strecke von Narbonne nach Barcelona haben wir (abzüglich einer
Reserve fürs Verfahren) stark 5 Stunden Zeit. Statt der direkten
Autobahn (ca. 220 km) nehmen wir erstmal die Landstraße bis Perpignan.
Die dortige Umgehungsstraße ist ein Graus. Alle Nase lang so dämliche
Kreisverkehre, die noch dazuhin nach außen abfallen. Wie schlimm muß
da erst die Stadtdurchfahrt sein ... Aber dann geht es über le Boulou
und die D115 weiter zum Col d´Ares, wo wir die Grenze nach Spanien
überqueren. Immerhin steht da noch ein Schild, daß man hier eine
Staatsgrenze überfährt, das ist auf kleineren Straßen längst nicht
(mehr) selbstverständlich. Über Ripoll und an Vic vorbei nähern wir
uns Barcelona. Am Stadtrand wird nochmal getankt und die Karte
studiert, in der auch ein Stadtplan enthalten ist. Das Abenteuer der
Bahnhofssuche in einer unbekannten Großstadt kann beginnen.

Aber wir finden den Bahnhof Barcelona Sants, ohne uns auch nur einmal
zu verfahren. Man muß dazu auf die (den?) Carrer Aragó, eine
innerstädtische küstenparallele Hauptstraße. Diese ist mit schwarzer
Schrift auf weißem Grund deutlich ausgeschildert, zumindest aus
unserer Richtung bereits ab dem Stadtrand. Eine Weile später geht es
leicht rechts ab (nach "Sants Estació" in blauer Schrift auf weißem
Grund) zum Bahnhof. Die Zufahrt zur (unterirdischen) Verladestation
liegt allerdings zwei Querstraßen weiter und braucht eine Extrarunde,
bis wir sie finden. Nach Abholen der vorbestellten Fahrkarten werden
wir zu tatkräftiger Mithilfe bei der Motorradverladung herangezogen
(irgendwie erstaunlich, nachdem ich im Jahr davor auf meiner Fahrt von
Malaga nach Barcelona alles von Eisenbahnern erledigt worden ist und
ich an den Transportwaggon überhaupt nicht herangekommen bin). Das
spanische Befestigungssystem entspricht dem französischen. Zusätzlich
sind die Waggons seitlich verkleidet und haben auch eine Tür an der
Einfahrt. Da kann also keiner mal einfach so unauffällig am
abfahrbereiten Zug entlanggehen und mit einem scharfen Messer schnell
ein paar Befestigungsriemen durchschneiden ;-)

Die Zeit bis zur Abfahrt wollen wir nutzen, um uns noch etwas in der
Stadt umzusehen. Die Metro-Fahrkartenautomaten sind nicht auf
(Hoch-)Spanisch beschriftet, sondern auf Katalanisch. Bevor wir uns
darüber ernsthaft den Kopf zerbrechen können, naht jedoch eine
freundliche ältere Dame und erklärt uns auf Englisch, wie wir an
Metrotickets kommen. Mit denen fahren wir dann zur Sagrada Familia,
bevor wir und wieder auf den Rückweg zum Bahnhof und zum
Abfahrtsbahnsteig machen.

Im Zug nach Sevilla gibt es (im Gegensatz zu Strasbourg-Narbonne) auch
einen Schlafwagen, zu dessen Buchung wir uns entschlossen haben. Woher
kommt mir bloß die Abteileinrichtung so bekannt vor? Ach ja: das ist
ziemlich genau das, was ich vom (selber noch nie benutzten) deutschen
ICN bzw. dessen Wagenskizzen kenne. Und der ICN stammt ja vom gleichen
Hersteller wie die Talgo-Züge, die in Spanien schon länger fahren. Vor
dem Schlafengehen ist noch eine Runde Duschen im Abteil angesagt. Am
nächsten Morgen (das ist jetzt Sonntag 15. März) erreichen wir Sevilla
und dessen anläßlich der Weltausstellung 1992 neu gebauten Bahnhof
Santa Justa. Dort suchen wir uns erstmal eine Bar zum Frühstück (das
ist hier im Gegensatz zu Frankreich nicht im Fahrpreis eingeschlossen,
aber dafür ist letzterer auch nur stark halb so hoch wie in
Frankreich, zumindest bei Bezug auf die gleiche Schlaf- bzw.
Liegewagenklasse). An der Verladerampe erfolgt das Entfestigen der
Motorräder wieder mit unserer tatkräftigen Beteiligung. Dabei kippt
O.K.s Transalp beinahe um, als sie beim (zunächst einseitigen)
Auftrennen der Befestigungsriemen ausfedert, wogegen sich meine Vmax
davon ziemlich unbeeindruckt zeigt. Durch das Fußgängertor verlassen
wir das (teilweise eingezäunte) Bahnhofsgelände, und ...

Andalusien, wir sind da!  :-)

(Was jetzt natürlich noch fehlt, ist der Bericht über den eigentlichen
Aufenthalt dort. Aber erstens ist der ausschließlich motorradbezogen,
und zweites habe ich dazu heute nacht keine Lust mehr ;-)

Bis dann, Martin