From: Dirk Straka, dirk@news.drb.insel.de
Subject: RfD: FAQ += Daempfung
Date: Thu, 24 Apr 1997 11:21:37 GMT
Organization: Dr. Brunthaler IITech GmbH, Germany


Hallo Leuts.

Ich hab kuerzlich eine kleine Anfrage  bezueglich  Fahrwerk  erhalten und
als erstes feststellen  muessen, dass es zu diesem, doch immer wieder an-
gefragten und  diskutierten  Thema noch kein Kapitel in der FAQ gibt, auf
das man als genervter  Gefragter den vorwitzigen  Frager  freundlich aber
bestimmt verweisen kann ...  ;-)

Da ich eine etwas ausfuehrlichere Antwort gemailt habe, koennte man diese
hier vielleicht diskutieren, falls erforderlich  korrigieren und/oder er-
weitern und anschliessend unveraendert ;-) in die FAQ uebernehmen.

Daher also ein RfD.  ;-)

Und hier der betreffende Text:

-------------------------   start of excerpt   -------------------------

> Wenn ich die  Federvorspannung  veraendere.  Was mache ich damit genau?
> Das Handbuch erklaert das eigentlich genau gar nicht.

Federvorspannung  ist auch ein schlechter Begriff.  Man sollte besser von
Federbasis reden.  Das trifft's auch eher.

> Ich selbst stelle es mir so vor, dasz ich, wenn ich alleine fahre, eine
> Einstellung fuer mich und mein Gewicht habe, die ich veraendere, wenn
> ich jemanden

... oder Gepaeck ...

> mitnehme. Derzeit habe ich die Einstellung ziemlich genau auf "Std".

Ist bei Deinem (von mir geschaetzten) Gewicht vermutlich auch ok.

> Wenn ich nun jemanden  mitnehmen  will,  drehe ich dann die Vorspannung
> Richtung "high" oder "low"?

High.

> Was veraendert sich dann genau?

Hmmm, das ist etwas  komplizierter,  wenn man es denn wirklich  verstehen
will.  Ich muss wohl ein klein wenig ausholen ...

Die  Stoesselstange  im Federbein (das silberne Ding, das 'rein und 'raus
geht) hat einen bestimmten, begrenzten Weg, den sie sich auf und ab bewe-
gen  kann.  Wenn das  Moped  aufgebockt,  das Rad  also  unbelastet  ist,
drueckt  die Feder  diese an ihren  obere  Anschlag - das Rad kann  nicht
weiter nach "unten".  Bei voller  Belastung, also mit 2 Passagieren,  Ge-
baeck und am besten noch beim Bewaeltigen  eines Hubbels auf der Strasse,
also voll eingefedertem Heck, stoesst die Stange u. U. an den unteren An-
schlag.  Der Weg  dazwischen  ist der  Federweg.  Soweit  sollte das klar
sein.  Nun braucht das Rad nicht nur einen  bestimmten Weg, den es einfe-
dern kann (Positivfederweg), um z.  B.  diese Hubbel "auszubuegeln", son-
dern es muss auch  ausfedern  koennen  (Negativfederweg),  um in  Loecher
"reinfahren" zu koennen.  Je schneller dieser Ausgleich passiert, das Rad
also wieder  Bodenkontakt  hat, um so besser.  Denn nur mit  Bodenkontakt
bleibt das Ding lenk- und ueberhaupt  fahrbar.  Besonders in  Schraeglage
sollte die Bedeutung dieser Funktion klar werden ...  ;-)

Jedenfalls muss dieser Ausgleich erstens  verhaeltnismaessig  schnell und
zweitens so passieren, dass das Rad auch  tatsaechlich die ganze Bewegung
ausgleichen  kann (ohne durch die Grenzen der Federung  limitiert zu wer-
den).  Und je weniger Masse da  dranhaengt, um so  besser/schneller.  Von
wegen Massentraegheit und so ...  deswegen versucht man, die Bewegung des
Rades weitgehend von der des Mopeds  abzukoppeln, da letzteres halt deut-
lich laenger braucht, um derartige  Unebenheiten, also Veraenderungen der
Bewegungsrichtung, nachzuvollziehen.

Brauchen tut man die Federung  also in erster  Linie nicht wegen des Kom-
forts (das ist im Laufe der Zeit zu einem angenehmen  Nebeneffekt  gewor-
den), sondern wegen der Sicherheit - staendiger  Fahrbahnkontakt  ist das
Ziel.  Wichtig  hierbei ist uebrigens auch noch die Daempfung  dieser An-
passung.  Denn irgendwann muss das Moped ja  "nachkommen",  sich also die
"Normalstellung"   des  Daempfers  wieder  herstellen,  sonst  ist,  nach
mehreren  Stoessen in der selben Richtung, der Federweg  aufgebraucht ...
Und  nachkommen  wuerde  es nicht  oder nur  sehr  langsam,  wenn von der
Federung  kein Impuls  kaeme, der das Moped dann doch noch  irgendwie  in
Richtung  der  letzten  Veraenderung  draengt.  Der Stoss darf also nicht
voellig weggefiltert sondern lediglich verzoegert  bzw. "geglaettet" wer-
den.  Und ewig nachwippen soll das Ding auch nicht, also muss es nach der
Einfederung  bei der fuer eine Feder  typischen und natuerlich  auch hier
folgenden Ausfederbewegung ebenfalls gedaempft werden.

Fuer z. B. einen Hubbel muss also die Geschwindigkeit, mit der das Feder-
bein zusammenfaehrt,  gebremst werden.  Gleichselbiges gilt auch fuer die
andere Richtung:  Man will auch verhindern, dass das Federbein unkontrol-
liert schnell  ausfedert.  Das  funktioniert  ueber den  Daempfer, der im
Prinzip eine in zwei Teile  geteilte  Kammer hat:  einen oberen und einen
unteren.  Dazwischen  sitzt (wie bei einer Luftpumpe) eine Platte, die an
der Stoesselstange befestigt ist.  In dieser Platte sind mehrere Ventile,
durch die sich das Oel, das sowohl in der oberen als auch in der  unteren
Kammer ist,  jeweils den Weg in die andere  Kammer  sucht - je nachdem in
welche Richtung sich die  Stoesselstange und mit ihr ihre Grundplatte be-
wegt (hier liegt  uebrigens  der Federweg  versteckt:  Der Weg der Platte
zwischen  oberem und unterem Ende dieser  Kammer im Daempfer).  Macht man
die Ventile enger, kann man so die Daempfung erhoehen, also im Grunde die
Geschwindigkeit verringern, mit der die Stoesselstange auf und ab kann.

Ein- und Ausfedergeschwindigkeit muessen nun auch noch zueinander passen.
Denn wenn die Feder schneller ein- als ausfedert, dann wuerde sie irgend-
wann an die Grenze des  Einfederweges  "genagelt"  werden.  Umgekehrt na-
tuerlich ebenso.  Also waere es nett, wenn man die Geschwindigkeiten  un-
abhaengig  regeln  koennte, um sie  aufeinander  abstimmen zu koennen ...
Daher bei den aufwendigeren  Mopeds verschiedene Ventile fuer beide Rich-
tungen in der  Stoesselstangenplatte  und nicht einfach nur fixe Loecher:
Das Ventil fuer die Veraenderung der Ausfedergeschwindigkeit ist die Zug-
stufeneinstellung,  das fuer die  Einfederung die  Druckstufeneinstellung
(welche am Hinterrad  eigentlich noch ein wenig  komplizierter  ist, aber
das wuerde hier und jetzt zu weit fuehren - vom Prinzip her  stimmt's je-
denfalls ;-) ).

So.  Soweit zur  Daempfung.  Klar  duerfte  sein, dass es zwei  schlechte
Punkte gibt, an denen sich eine Federung  (d. h. die Platte der Stoessel-
stange) befinden kann:  Der unteren Anschlag (volle  Kompression) und der
obere  (volle  Ausfederung).  Weil  dann  eben  kein Weg fuer den  nexten
Schlag (oder das nexte Loch) uebrig ist ...  Und der richtige  Punkt ist,
wie so oft,  irgendwo  dazwischen.  Und zwar ziemlich  genau dort, wo der
obere Teil der Kammer ein Drittel und der untere zwei Drittel einnimmt.

Dies kann aber nur bei genau einem und nur bei diesem Gewicht bzw.  einer
Belastungs"menge"  der Fall sein.  Je geringer die Belastung ist (weniger
"Nutzlast",  umso dichter kommt die Platte an den obere Anschlag, je hoe-
her sie ist, umso  dichter  kommt sie an den  unteren.  Also  braucht man
eine Kraft, die der Belastung  entgegenwirkt.  Und das ist typischerweise
die Feder.

Diese Feder  sollte so ausgelegt  sein, dass sie das  anliegende  Gewicht
zwar  abfedert  (also nicht zu hart sein), sich aber nie komplett  zusam-
mendruecken  laesst - auch bei maximaler  Belastung nicht.  Nun denke man
sich noch, dass diese Feder den  Daempfer  auseinander-,  also die Stoes-
selstange aus dem Daempfer  herausdrueckt.  Also  entgegen der  Belastung
durch Fahrer und sonstiges, die die Stoesselplatte an das untere Ende der
Kammer (im Daempfer)  druecken,  dieser Platte eine Kraft zum oberen Ende
entgegensetzt.  Befestigt  ist das untere  Ende der Feder am  Daempferge-
haeuse und das obere an der Stoesselstange.

Belastet man das Moped nun, wird diese Feder zusammengedrueckt.  Und zwar
so weit, bis sich das Gewicht und die  Federkraft  ausgeglichen  hat.  In
dieser Stellung sollte sich die Stoesselplatte wie gesagt  optimalerweise
am oberen  Drittel der Kammer  befinden, die  Stoesselstange  als zu zwei
Drittel ausgefedert sein.  Ist sie das nicht, ist das Gewicht also hoeher
als urspruenglich vermutet und die Stoesselstange schon zu weit im Daemp-
fer drin, "schieben" wir die Feder einfach ein Stueck nach oben.  Das er-
folgt,  indem man z. B. den Punkt,  an dem die Feder unten am Daempferge-
haeuse aufliegt,  (relativ zum Gehaeuse selber) weiter nach oben verlegt.
Zu diesem Zweck ist das Gehaeuse aussen meist mit einem Gewinde versehen,
auf dem eine grosse Mutter  sitzt,  welche  wiederum als Auflage (Basis!)
fuer die Feder dient.

Da Federkraft  und Gewicht schon im  Gleichgewicht  waren, die Feder also
nicht weiter  zusammengedrueckt wird, passiert nun genau das Erwuenschte:
Die Stoesselstange  (oberer  Befestigungspunkt der Feder) wird weiter aus
dem Daempfer  herausgedrueckt,  die Platte wandert nach oben, in Richtung
des optimalen Punktes.  Und das durch Veraendern des Auflagepunktes  (der
Basis) der Feder:  der Federbasis.

Ergo:  Mehr Gewicht  erfordert eine hoehere  Federbasis,  weniger Gewicht
eine niedrigere.

Woher kommt nun das Wort  Federvorspannung?  Das laesst  sich am einfach-
sten erklaeren, wenn man sich den entlasteten Zustand der Feder vor Augen
fuehrt:  Die  Stoesselstange  ist ganz  ausgefahren, die Platte am oberen
Anschlag, die Feder vermutlich nur noch leicht gespannt.  Erhoeht man nun
die Federbasis,  schraubt also die Auflagemutter weiter in Richtung ande-
res Federende, wird die Feder weiter (vor)gespannt, da die  Stoesselstan-
gen ja nicht weiter ausfahren kann ...  und das ganze _vor_ der eigentli-
chen Belastung.  Klaro?  ;-)

Fraglich nur noch, wie man diesen  optimalen Punkt (ein Drittel  eingefe-
dert) finden kann.  Das macht man am besten wie folgt:

    - Markierung am Heck suchen (ggf.  eine kleine  anbringen), am besten
      senkrecht ueber der Hinterachse
    - Moped ganz ausfedern lassen, am besten auf dem  Hauptstaender  oder
      ueber den Seitenstaender gekippt
    - Abstand zwischen Zentrum Achse und der Markierung messen
    - im Handbuch Federweg nachlesen
    - draufsetzen bzw. wie geplant belasten
    - messen
    - der gemessene Abstand sollte nun um etwa ein Drittel des Federweges
      geringer sein
    - ggf. ueber Veraenderung der Federbasis anpassen

Da das ziemlich umstaendlich ist, kann man sich die Sache nach dem ersten
Messen und Einstellen  vereinfachen:  Man misst bei richtiger Einstellung
der Federbasis und der entsprechenden  Belastung die Hoehe der Markierung
ueber dem Boden.  Und diesen  Abstand  sollte man, egal mit welcher Bela-
dung, ueber  Veraenderung  der Federbasis  immer zu erreichen  versuchen.
Noch einfacher  geht's  natuerlich,  wenn man sich auf gleicher Hoehe der
Markierung am Heck eine weitere an z. B. der Garagenwand oder Laterne an-
bringt ...

Vermutlich unnoetig zu sagen, dass das alles sowohl fuer Vorder- als auch
fuer Hinterrad (bzw. -federung) gilt.  Es sieht halt nur ein bisschen an-
ders aus.  ;-)

> Welchen Einflusz hat das auf das Fahrverhalten?

Das sollte  inzwischen klar sein:  Zu hohe Federbasis haelt die Stoessel-
platte zu dicht am oberen Ende der  Daempferkammer, es steht zu wenig Ne-
gativfederweg zur Verfuegung - Loecher koennen nicht ausgeglichen werden.
Zu niedrige Federbasis:  zu wenig  Positivfederweg,  Hubbel koennen nicht
ausgeglichen werden oder in Schraeglage (in der die Kompression  deutlich
groesser ist, da das  Federbein  nun  zusaetzlich  Fliehkraefte  abfedern
muss)  kommt die  Stoesselplatte  schon bei  "normaler"  fahrt ohne Last-
wechsel oder Hubbel an die untere Grenze und koennte auf einen Schlag gar
nicht mehr reagieren.  In jedem Falle aber haette das zur Folge, dass das
Rad den Kontakt zur Fahrbahn fuer "laengere"  Zeit - also bis das gesamte
Moped den Stoss  nachvollzogen hat - ploetzlich und unerwartet  verliert.
Gerade in Schraeglage  ist das natuerlich  wenig angenehm:  Entweder weil
das Rad in der Luft haengt  (wenn es nicht  weiter  ausfedern  kann) oder
aber einfach die Haftung  abreisst  (weil es in der  Schraege  nicht mehr
einfedern kann).

Ganz nebenbei ist es natuerlich  auch recht  unbequem,  wenn der Daempfer
mit z. B. Sozia  staendig am unteren Limit waere und ewig "auf Block" ge-
hen wuerde, also am unteren Anschlag aufprallt - das wird Dir Deine Blume
irgendwann entsprechend quittieren ...  ;-))

>  Waere nett, wenn Du mir helfen koenntest.

Ich hoffe, ich habe ...  ;-)

--------------------------   end of excerpt   --------------------------

So.  Und nun erzaehlt mir, dass das alles ganz anders ist, ich keine Ah-
nung und dem armen Kerl eine voellig falsche Vorstellung vermittelt habe
...  ;-)

P.S.:  Ich hoffe, dass  wirklich  bald was zu dem Thema in die FAQ kommt.
       BTW:  Hoss, Du koenntest ja noch eine  Kleinigkeit  zum Finden der
       optimalen  Druck- und  Zugstufe  und ueber  Erkennungsmerkmale  zu
       weichen oder zu harten Settlings erzaehlen ...  da hab' ich jetzt,
       aehem, keine Lus^h^h^hZeit mehr zu ...  ;-))

-- 
Bessi                                                   sss#4/DoD#220361
                                                        YZF1000R ABK 1.6
Life's uncertain - eat dessert first.  (RW)             39489 - counting