From: Bernard M. Piller, piller.b@magnet.at
Subject: text aus Motorrad Magazin (lang)
Date: Wed, 23 Oct 1996 20:40:09 +0200
Organization: bmp System Support

Hier ist also der Text aus dem MM (gescannt und einfach
korrekturgelesen). Ergänzt wird das ganze im Heft von S/W Fotos von der
Malertruppe, meiner Homepage und einem Kasten mit interessanten
Webseiten für Biker.
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"Wir Biker", pflegt der Chefredakteur gern zu sagen, "wir Biker sind ein
geselliges Volk." Daran ist nicht zu zweifeln. Denn wäre es anders,
könnte er nicht einer seiner Häuptlinge sein. Der Chefredakteur gilt ja
weithin als Erfinder und selbstloser Förderer der allgemeinen
Geselligkeit und scheut in dieser Sache auch vor dem furchtlosen Einsatz
seines Lebendgewichts nicht zurück. Wer hätte auch schon jemals einen
schlanken geselligen Menschen gesehen? Internet-Bikern hingegen wird das
Gegenteil nachgesagt. In etlichen Jahren, wenn der Boom im Netz weiter
so anhält und immer mehr ihre Wochenenden und freien Abende vor dem
Bildschirm verbringen, hoffnungslos verstrickt in den tausend Abfahrten
des Daten-Highways, würde eine Generation von Autisten heranwachsen,
einsame, hagere Gestalten, Geisterfahrer der Info-Gesellschaft. 

   Keine Sorge: Das Gegenteil ist wahr, wir werden das im Verlauf dieser
Geschichte noch öfters sehen. Grundsätzlich bietet ja das Reisen im
digitalen Raum unübersehbare Vorteile: Man kann daheim bleiben und ist
trotzdem unterwegs; die heutigen Computermaschinen sind größtenteils
frei von Heimtücke und auch für weniger Talentierte schnell erlernbar
(ein gewisses Grundinteresse einmal vorausgesetzt); vor allem aber: Man
ist überall gleich schnell, egal, ob man seinen Nachbarn besucht oder
die Firma Ducati in Bologna. Und gesellig ist die wachsende Schar der
Netzsurfer allemal. Bernard und Corinna zum Beispiel. Bernard ist 27,
Computertechniker und fährt gerne Motorrad (eine Honda CBR 600 F und
eine Honda XR 600). Corinna ist 25, hat eben ihr
Betriebswirtschaftsstudium abgeschlossen und fährt gerne Motorrad
(Suzuki GSF400 Bandit). Bernard lebt in Wien, Corinna lebte bis vor
kurzem in Trier. Corinna ist eben nach Wien gezogen. Wegen Bernard. Die
beiden haben sich im World Wide Web näher kennengelernt, über E-Mail
unverbindlich miteinander geplaudert und im Usenet das erste Date
vereinbart, sicherheitshalber im größeren Rahmen. Man könnte diese
kleine Liebesgeschichte als Idealfall der Nutzung des Internets
bezeichnen. Mehrdavon später. Zuerst aber zu den technischen
Voraussetzungen.
Das, was herkömmlich als Internet bezeichnet wird, kann man ja auf
verschiedenste Weise nutzen. Das World Wide Web mag man sich am besten
als im wesentlichen ungeordneten Haufen von sogenannten Homepages
vorstellen, wo sich alle - vom kleinen Mann bis zum großen Multi - der
Welt präsentieren kön ren (um genau zu sein: jenem Teil der Welt, der
einen Computer, ein Modem und die entsprechende Software besitzt). Der
kleine Haken dabei: Weil es zwar ziemlich viele solcher Seiten, aber
kein Ordnungssystem gibt, tut man sich zuweilen schwer, im World Wide
Web halbwegs unterwegs zu sein.     
Bernard ist unter der Adresse http://members magnet.at/piller.b/
anzutreffen: Dort erfährt man nicht nur von seiner heimlichen Liebe zu
Ducati, sondern auch von seinen persönlichen Bestzeiten in Brünn, von
seiner Freundschaft zu Raoul
(http://gutemiene.wu-wien.ac.at/usr/h92/h9251198/bikes.html - wie man
sieht, sind Internetadressen nicht immer ganz leicht zu merken),von
seinem Talent zur Schräglage und von einem schläfrigen Hund namens Max.
Und natürlich sind erste Hinweise auf eine Liaison mit Corinna zu
entdecken (http://bandit.mbis.de/). Wie überhaupt auffällt, daß man bei
der Suche nach Motorrad-Seiten im Internet immer wieder auf ziemlich
private Fans und Freaks trifft, die ihre Leidenschaft fürs Motorrad in
die unendlichen Weiten des Netzes beamen, auf daß alle wissen, daß
Ducati die schönste, beste und tollste aller Maschinen sei
(beispielsweise) und daß man an Japaner nicht einmal anstreifen sollte
(beispielsweise). Der Inhalt dieser Seiten geht zwar manchmal über die
Qualität von Stammbüchern aus der Schulzeit nicht weit hinaus, immer
merkt man aber die Freude am Motorrad, am Fahren und an den neu
gewonnenen Möglichkeiten der Kommunikation. Das macht die meisten dieser
Seiten recht sympathisch, auch wenn man im Endeffekt nicht allzulange
verweilt.
Hingegen ist der offizielle Auftritt der Hersteller überraschenderweise
noch sehr dünn, vor allem im Vergleich zur Autoindustrie, die ihren
Platz im WWW schon längst repräsentativ und in vielen Fällen auch sehr
informativ besetzt hat (one of the best: http://www.ferrari.it/ferrari).
Freilich kann es nur noch eine Frage kurzer Zeit sein, bis auch die
Motorradindustrie das Internet als ein Medium entdeckt, mit dem man
nicht nur viele bunte Bilder transportieren, sondern in dem man einen
Art Kundendienst aufziehen kann, der rund um die Welt und rund um die
Uhr nutzbar ist.
Gut vertreten ist hingegen der Sport, und die Fans finden auf den
einschlägigen Adressen (siehe Kasten) nicht nur einen Schatz an
Statistik und detailliertesten Informationen, sondern können zum Beispel
auch Rennen der amerikanischen AMA-Serie in Daytona fast live
mitverfolgen, weil der Rennstand alle fünf Runden ins Netz eingespeist
wird.
Zurück zu Corinna und Bernard: Der Vorteil des Internets besteht ja
unter an derem darin, daß man sich recht unverkrampft näherkommen kann,
weil man sich nicht gleich in die Augen schauen muß. Bernard fiel ihr
zunächst in der Newsgroup "de.rec.motorrad" auf, wo er gekonnt den
Wiener Schmäh führte, besuchte daraufhin seine Homepage, schickte ihm
ein erstes E-Mail, und so kam die Sache langsam ins Laufen. Fortan
trafen sich die beiden regelmäßig in besagter Newsgroup, einer Art
Talkrunde im Netz zum Thema Motorrad, womit wir auch schon bei der
zweiten großen Schiene wären, auf der man den Info-Highway nutzen kann:
den Newsgroups im Usenet.                                ~s    Man kann
sich das Usenet als Schwarzes Brett vorstellen, auf dem jeder -  nach
Themen geordnet - seine Nachrichten anheften kann und alle anderen ihren
Kommentar dazu abgeben, sofern ihnen etwas dazu einfällt. Das Spektrum,
der Themen ist weit, das Niveau der Gesprächszirkeln naturgemäß
unterschiedlich hoch. Vergleichsweise ist das Leben im Usenet aber
wesentlich angenehmer als im World Wide Web, weil es überschaubar
geblieben ist und auf simpelste Weise alphabetisch geordnet. Man findet
sich also schnell zurecht. 
Die Gruppe "de.rec.motorrad" boomt, anscheinend gibt es einen engen
Konnex zwischen der Liebe zum Eisen und dem Spaß am Netzdialog.
Geschätzte 10.000 Leser greifen auf die Bikerseiten zu, an guten Tagen
werden um die 100 Postings abgelegt. Eindrucksvolle Zahlen, wenn man
bedenkt, daß es noch nicht sehr lange her ist, daß sich in diesem Eck
des Netzes nur ein paar Pioniere herumgetrieben haben. 
Gequatscht wird über alles mögliche. Man holt sich Rat bei technischen
Problemen, pflegt hin und wieder den eher philosophischen Diskurs,
versendet stolze Meldungen wie "Habe es endlich geschafft, die Fußrasten
an der CBR 600 schleifen zu lassen! Zweimal rechts!" und organisiert
Net-Biker-Meetings. 
Zum Beispiel jenes in Worms zu Pfingsten dieses Jahres. Bernard reiste
zwar im Ford Transit an, das Motorrad lediglich im Gepäckraum mitführend
(was ihn zu nächst einmals als Weichei brandmarkte: zu einem Biketreffen
auf vier Rädern!! Er schrammte knapp an einem Verweis vom Gelände
vorbei). Immerhin war er aber der erste Partygast, was auf eine gewisse
Unruhe und Ungeduld im Herzen schließen ließ. Denn: Corinna würde auch
da sein, soviel wußte er, schließlich war "die Megafete" unter anderem
anläßlich ihres Geburtstages organisiert worden (Genaueres zum Fest
unter http://zebra.fh-weingarten.de/~schubert/worms/index.html.). Um es
abzukürzen: Sie verliebte sich, "aber nur gefühlsmäßig", wie Bernard
heute sagt, was heißen soll, daß in Worms noch nichts Konkretes passiert
ist.
Zur ebenfalls im Netz geplanten Alpentour 96 Ende Juli (ausführlicher
Bericht in Bild und Text unter
http://gutemiene.wu-wien.ac.at/usr/h92/h9251198/Alpentour.html) kam
Corinna allerdings schon etliche Tage vor dem Start nach Wien, und Raoul
mußte am ersten Abend der Tour überrascht feststellen, daß er seinen
Zimmerpartner verloren hatte. Danach erhöhte sich das Tempo der
gegenseitigen Annäherung recht flott, "durch lauter unglückliche
Umstände haben Wir uns ständig gesehen". Corinna kam nämlich in Südtirol
zu Sturz, ihre Maschine war unfahrbar, Bernard wußte in Wien eine tolle
Suzuki-Werkstatt - was lag näher, als noch eine Woche miteinander in
Wien zu verbringen und die Wiederherstellung des Motorrads zu
überwachen?
Seit 4. Oktober wohnt Corinna in Wien-Penzing, zur Begrüßung stellte
sich eine über die Newsgroup zusammengerufene Maltruppe in ihrer neuen
Wohnung ein, und ansonsten orakelt die Netzgemeinde, wie lange es wohl
dauern wird, bis die beiden heiraten werden (sie dementieren, allerdings
nur halbherzig).
Corinna und Bernard sind übrigens nicht die einzigen, die ihren Partner
fürs Leben via Bildschirm gefunden haben. Corinnas Schwester, Katrin,
hat sich inzwischen schon den zweiten Mann aus dem Netz geangelt, Hardy
und Kristina haben im Sommer geheiratet. Trotz Trend und Boom gibt's ja
noch immer relativ wenig motorradfahrende Frauen, und auch das Internet
ist tendenziell eine eher männerdominierte Angelegenheit. Wenn sich also
in de.rec.motorrad ein Frau zu Wort meldet, erfreut sie sich
überdurchschnittlicher Aufmerksamkeit, da genügt schon ein schlichtes
"Sprecht ihr auch mit Frauen?", um einen vollen Briefkasten am Computer
durchstöbern zu können. 

-- 
* Hoss (rrr#33)           Vienna, Austria *
* '92 Honda CBR 600F2 & '95 Honda XR 600R *
*    http://members.magnet.at/piller.b/   *
* Power is Macintosh           1996-09-18 *