From: Matthias Flatt, matthias.flatt@studbox.uni-stuttgart.de
Subject: Alpentour Spaetlese II: Cote d'Azur (lang!)
Date: Wed, 25 Sep 1996 22:05:47 GMT
Organization: BaWue-Net Ludwigsburg


Fortsetzung:

Am naechsten Tag mache ich einen Fahrt ueber den Col de Granon, von
dem aus man den Mont Chaberton gut sehen kann (empfehlenswerter
Abstecher auf ca. 10km Asphalt, wenn man vom Galibier/Lautaret kommt).
Der Rest ist Schotter, mit Abstechern zu zwei Forts, das kleine, runde
mit dem Eisenzaun, und das grosse Fort Olive am Ende einer netten
Schotterstrecke.
Nachmittags wird dann die XT.Rex wieder auf das 17er-Tourenritzel
umgeruestet, gewaschen (am suedlichen Ortsausgang von Briancon ist
eine Tankstelle mit Yamaha-Haendler und Buecherverbrennungsanlage),
und fuer die Weiterreise vorbereitet. Beim Einkaufen treffe ich wieder
Paps' Kumpels vorm Supermarkt.

Am Sonntag mache ich mich dann auf den Weg in den Sueden, in der vagen
Hoffnung, dass nach einer Woche oder so der Schnee auf dem Chaberton
geschmolzen ist. 
Allerdings stehen die Chancen schlecht: Ich hatte nachts sogar in der
Herberge gefroren, und morgens um 9 war eine richtige Eisschicht
(nicht nur Reif) auf der XT und auf den umstehenden Dosen: nachts
hatte der Tau wohl alles ordentlich nassgemacht, und dann ist das
Ganze gefroren.
Kaum klettert die Sonne ueber die Berge, plaetschert froehlich das
geschmolzene Eis von den Hausdaechern.

Ueber den Col de la Bonette fahre ich in die Seealpen, wo die
genialsten Asphaltpisten der ganze Alpen auf mich warten: jede Menge
S-Kurven, Spitzkehren, kurze enge Tunnels usw., selbst mit Gepaeck ein
irrer Spass. 
Auf dem von der Rallye Monte Carlo bekannten Col de Turini, vor allem
auf der Westrampe mit dem gutem Belag, tummeln sich, da es Sonntag
ist, einheimische und italienische Zwei- und Vierrad-Heizer. Leider
kommen mir auch zwei Reisebusse entgegen, die in den Spitzkehren
mehrmals zuruecksetzten muessen. So ein Humbug, was haben
Tourischaukeln da zu suchen? Die sind fuer die Strasse eh viel zu
gross. :-(

Ueber die Ostrampe geht es nach Monaco und schliesslich auf einen seit
1987 mehrmals von mir besuchten Campingplatz bei Cannes.

Montags gehts erstmal an den Strand, und dienstags wird nochmal ein
Ausflug in die Seealpen gemacht, teilweise zusammen mit einem
Englaender (sieht aus und stottert wie Michael Palin in "Ein Fisch
namens Wanda") auf seiner ZZR 600, dem ich die Bonnette-Schleife
schmackhaft gemacht habe, und der jetzt unbedingt den 2802m hohen
Superlativ-Pass erklimmen will.
Die Turini-Suedrampe ist noch geiler als die beiden anderen: in engen
Kehren und mit jeder Menge S-Kurven schraubt sie sich eine Felswand
hoch. 
Oben ist es jedoch ziemlich kalt, da ueber den Bergen sich die Wolken
ballen: nur +1° C zeigt eine Anzeige! In Cannes an der Croisette hatte
es 25° und Sonne.

Auf kleinen und kleinsten Strassen fahre ich nach La Turbie oberhalb
Monaco, wo ich versuche, ganz hoch auf den Berg zu kommen, wo eine
Radarstation steht. Ist leider verboten, militaerisches Sperrgebiet.
Immerhin kann man "durch" den Golfplatz fahren, und nur schwer konnte
ich der Versuchung widerstehen, mit der XT durch die offenen Zaun-Tore
auf den gepflegten Rasen zu fahren und dort ein bisschen rumzupfluegen
... denn "Rasen ist out!" ;-)
Zum Antennenwald von Radio Monte Carlo kann man auch fahren, aber das
ist eine Sackgasse, jedoch mit schoener Aussicht auf das Fuerstentum.

Mit einigen Serpentinen (in einer der Kehren ist 1982 die Fuerstin
Gracia Patricia bzw. Grace Kelly toedlich verunglueckt, die Prinzessin
Stefanie ueberlebte leicht verletzt. Einen Gedenkstein o.ae. fand ich
jedoch nicht) geht es von La Turbie hinab auf die mittlere Corniche
und zum Verkehrgetuemmel von Monaco. 

Unfassbar, was es hier fuer Strassenkonstruktionen gibt, rauf, runter,
enge Kervem, jede Menge Tunnels und Bruecken (in einem der Tunnels
gibt es sogar eine Spitzkehre, mit einen anschliessenden sehr langen
Geradeausstueck bergauf, ideal fuer Beschleunigungsrennen mit
optimaler Soundkulisse, und ohne Gegenverkehr!).
Ein wahrer Verkehrsknotenpunkt, das.

Trotzdem, wenn man immer bergab faehrt, kommt man zwangsweise ans Meer
runter, und ich wollte unbedingt mal in dem Meerwasser-Schwimmbad am
Hafen, um das herum die Formel-1-Strecke fuehrt, baden. Das hatte
jedoch geschlossen, da davor gerade 'ne Art Schienen und Tribuenen
fuer die zweite 2er-und-4er-Bob-Anschiebe-WM aufgebaut wurde (was es
nicht alles gibt ...). Der Englaender hatte ein paar Tage spaeter mehr
Glueck, und konnte dort fuer ca. 24FF baden.

Also versuchte ich nur, die Formel-1-Piste nachzufahren. Leider geht
das nicht komplett: nach der Bergaufgerade duerfen Bikes nicht direkt
vorm Casino vorbeifahren, sondern muessen links in die Stadt hinein
abbiegen. :-(
1987 bin ich einfach da vorbeigefahren, und hatte bei der Ausfahrt am
Casino-Platz einen Anschiss von einem Flic bekommen. "Pas de motos
ici!". Heuer steht schon ein Uniformierter am Eingang, neben dem
Verbotsschild fuer Bikes, und zeigt einem von weiten, wo es lang geht:
Nur Autos duerfen auf den Casinoparkplatz :-(
Also pirsche ich mich mit einem Umweg an, und parke die XT neben einem
Springbrunnen gegenueber dem Casino-Platz, wieder direkt vor einem
Verbotsschild, das einem genau erklaert, was man hier alles nicht
darf, Bikes parken z.B.  :-(
Ich begaffe die Reichen und Schoenen und deren Autos (Testarossas, 935
Porsche, und ein neuer blauer Ferrari 550 Maranello), als einer der
Flics schnurstracks auf mich zukommt, wohl um mich zu vertreiben. Zum
Glueck will ich eh gerade losfahren, und der Bulle verpasst was nettes
hinter ihm: ein britischer Biker hatte doch den Parkplatz durchfahren,
haehae... :-)

Ziemlich steil geht es bergab zur Kurve vor dem Mirabeau Hotel, und in
S-Kurven weiter abwaerts zu der bekannten Kehre vor dem Loews, und
dann weiter runter unter Bruecken hindurch direkt ans Meer, wo die
Piste entlang dem Ufer zum Hafen fuehrt. Der "Tunnel" ist uebrigens
gar keiner, sondern nur eine Art Gallerie:: Das Hotel ueber der
Strasse ist auf vielen Saeulen im Meer abgestuetzt, und man kann links
immer das Meer sehen (und rechts die Ausfahrten aus den Tiefgaragen).
Im Hafen macht die Strecke dann nochmal eine Knick nach unten (sieht
man im TV kaum), aber man kann nicht gleich nach links abbiegen (dort,
wo 1994 Wendlinger rausflog), da vor der Hafeneinfahrt eine Schranke
steht. Erst 100m weiter kann man nach links abbiegen, den Tabakladen
im Eck rechts liegenlassen und das Schwimmbad umkurven, wo dann am
Rascasse Restaurant und der Aussenseite einer Verkehrsinsel (mit
Bushaltestelle) vorbei die Formel-1-Strecke auf die Zielgerade fuehrt,
die eine langgestreckte Rechtskurve ist, und die nach der
St.Devote-Kurve wieder ziemlich steil bergauf fuehrt. Muss ich mir
naechtes Mai im TV nochmal genau anschauen (dann kommt einer der
beiden Schumis hoffentlich weiter als nur bis zur Mauer unterhalb des
Loews)

Am naechsten Tag war wieder Strand angesagt, und nachts mit dem
Englaender eine kleine Tour am Meer entlang nach Nizza.
Tags darauf wars es bewoelkt, es tropfelte gar kurz: Zeit zum
Postkarten schreiben.

Freitags ging es dann nach St. Tropez, ueber die Autobahn nach Westen,
und dann durch das Mauren-Massif und ueber den genialen Col de Babaou
ans Mittelmeer bei Le Lavandou, dann die Kuestenstrasse entlang zum
Strand von St.Trop. Da war leider nix mit baden, es herrschte ein
starker Mistral, der einen ziemlich schmerzhaft sandstrahlte.
In St.Trop, an der Hafenpromenade, hat einer seinen Lamborghini Diablo
im Parkverbot abgestellt, und auch schon ein Knoellchen bekommen. Zwei
Flics standen auch dabei, wollten die nur aufpassen, dass die ganzen
Touris keine Kratzer in den Boliden machen, oder warteten die auf den
Abschleppwagen? 

Am Samstag war dann wieder "Life is a Beach" in Cannes angesagt, und
am naechsten Tag die Heimreise: das TV im Camping-Buero hatte fuer die
Alpen in den letzen Tagen Regen und Schneefall bis auf 1500m
vorhergesagt, so dass ich mir eine Heimfahrt ueber die hoehen Paesse
und einen erneuten Chaberton-Anlauf abschminkte.
Stattdessen ging es ab Monte Carlo die Kueste entlang nach
Ventimiglia, dann das Roya-Tal hinauf zum Col de Tende, den ich mit
meinem Gepaeckturm in Angriff nahm. Ca. die Haelfte der 48 Spitzkehren
sind inzwischen asphaltiert, und die Schotterkehren mit dem
hecklastigen XT-Packesel sind auch nicht leicht, da kaum Gewicht auf
dem Vorderrad lastet, und es so bergauf gerne wegrutscht.
Da es Sonntag war, sind auch zwei Dutzend franz. und ital. Enduristen
unterwegs, die hier gnadenlos heizen und ne Menge des feinen Staubes
aufwirbeln.
Oben auf dem Pass stehe viel Ausfluegler-Dosen, die zum Picknicken die
asphaltierte ital.Seite hochgefahren sind.

Durch die Po-Ebene geht es an Turin vorbei nach Norden. Auf der
Tangenziale gibt es eine Schrecksekunde: rechts ueberholt mich einer
in der Ausfahrt, und links auch einer auf der Ueberholspur. Ploetzlich
will der Ueberholende doch noch in die Ausfahrt, und der Ausfahrende
wuerde gerne doch auf der Autobahn bleiben, und beide ziehen direkt
vor mir in die Mitte! Allenthalben quietschen Bremsen, auch hinter
mir. Ist nicht sehr angenehm, wenn man ploetzlich von drei Seiten in
die Zange genommen wird :-(

Im Locana-Tal wird uebernachtet, und am Morgen der Colle de Nivolet
befahren: hin und zurueck, denn der interessante Geheimtip ist eine
Sackgasse, die nicht ganz hinab ins Savaranche-Tal fuehrt. Ich hatte
mich mit vollem Gepaeck an der Sperrschranke vorbeigequetscht, und bin
die 6 km der Rohtrasse weitergefahren, bis sie wirklich im Hang
endete. Vom Endpunkt kann man ins Tal hinabsehen, es wuerde nur noch
eine Serpentinengruppe fehlen.

Am Lago-Maggiore-Westufer entlang geht es dann nach Cannobio, und das
Kurvenparadies "Val Cannobina" hinauf. Die beruehmte Haengebruecke
habe ich jedoch nicht gefunden, dafuer einen autobahnartigen Ausbau im
Nordwesten. :-(

Damit sich die Vignette auch lohnt, fahre ich die Gotthard-Autobahn
hoch und tatsaechlich auch durch den Tunnel, da es schon dunkel wird,
und ich mich nicht mit dem gesamten (Gegen-)Verkehr, der nachts ab
20.00 wegen Tunnelwartungsarbeiten ueber den Pass fahren muss,
herumquaelen will.
Nach einer Uebernachtung auf der Goescheneralp kommt dann die
Heimreise: Abstecher auf den Oberalp, dann ueber Furka und Grimsel
nach Innertkirchen, dort Abstecher zur Schwarzwaldalp und zu den
Reichenbachfaellen.
Ueber Susten und Klausen fuehrt mich das leider immer noch sehr
loecherige Schweizer Autobahnnetz heimwaerts Richtung Stuttgart.

An der Raststaette Schoenbuch steht ein Porsche mit LB-Kennzeichen,
der irgendwie komisch aussieht: Schwarz getuencht, mit einigen
unformigen Anbauteilen, und dem neumodischen Piepen und Lichthupen bei
Betaetigung der ferngesteuerten Verriegelung. 
Ein Boxster? Nein, die haben doch kein festes Coupe-Dach wie der hier.
Ein Blick in die neue ams am Kiosk loest das Raetsel: es war der
leicht getarnte Prototyp des Porsche 911-Nachfolgers.


P.S.: Auf der ganzen Fahrt (15 Tage, 3700km) habe ich nicht ein
einziges Mal die Regenklamotten gebraucht, meist hat die Sonne
geschienen und es war ueber 20° warm! :-)))


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 \____/\__I_I      1977' Yamaha XT.Rex 500 Enduro