From: Henning Weede, hw@ocean.FB12.TU-Berlin.DE
Subject: Re: Ich bekomme Urlaub
Date: 15 Sep 1996 02:12:59 GMT
Organization: Technical University Berlin, Germany

"Walter Steiner"  writes:

>Hallo Leute

>Nun ist es fix, ich bekomme Urlaub und fahre fuer drei Wochen nach
>Suedfrankreich - Nordspanien - Atlantikkueste.
>Vielleicht treffe ich jemand mit de.rec.motorrad Kleber.
>Start ist am 22.9.
>Hat vielleicht jemand ein paar Tips fuer mich?

Nimm am besten auch noch die Pyrenaeen mit, also von Osten her nach
Westen die Pyrenaeen entlang. Zwischenstop z.B. am Nationalpark von
Ordesa.  Donostia (San Sebastian) ist sehr huebsch und malerisch.  An
der Cantabrischen Kueste empfehle ich Noja fuer einen mehrtaegigen
Zwischenstop um Dich richtig zu erholen. Das ist hotelmaessig
saubillig, und es gibt da eine starke Brandung, da macht das Baden
irre Spass. Die Wellen ueberschlagen sich so haeftig, dass man gern
die eine oder andere Zuckermaus im Auge behaelt und hofft: noch so'n
Kavenzmann, und der Bikini schwimmt ganz woanders.  Noja, ein winziger
Badeort, liegt etwas westlich von Bilbao und ist Freitag nachmittag
nicht zu verfehlen, weil der Mega-Stau der Wochendler genau da
Richtung Strand abbiegt.  Die naechstgroessere Stadt ist Santo~na, und
da gibt es etwas sehr gruseliges, gut fuer eine Gaensehaut. Dort steht
naemlich ein riesiges bombastisches Denkmal fuer Admiral Carrero
Blanco. Den hatte Franco als seinen Nachfolger ausersehen.  Allerdings
fuhr der Trottel jeden Morgen um exakt dieselbe Uhrzeit auf exakt
demselben Weg zur Kirche. Die ETA hatte keine Probleme, einen Keller
anzumieten, einige Monate zu buddeln, und: *KA-WUMM*. Das war
sozusagen der Ur-Knall der heutigen Demokratie in Spanien. Santander
ist auch ganz schoen malerisch. Generell sind die Regionen (autonome
politische Einheiten aehnlich wie unsere Bundeslaender) im Norden
Spaniens besonders klein, zahlreich und vielfaeltig. Und in
Cantabrien, also um Santander, faellt auf, dass die Leute da sich
stramm zur spanischen Nation bekennen, waehrend man ringsum eher auf
Separatismus stoesst.  Das mit dem Separatismus ist auch beim Fahren
ein praktisches Problem: dauernd gibt es irgendwelche Arschloecher,
die nachts die Beschilderung bespruehen. Kurz vor Gijon kam ich an eine
Gabelung mit Schildern, die waren von diesen Scheiss-Separatisten
unleserlich gemacht worden, und da bin ich geradeaus auf die Schilder
zu, Vollbremsung, und hab erstmal laut geflucht. Gijon (oder
bittesehr: Xixon) find ich nicht so schoen, sieht nach
Touristenhochburg aus wie Torremolinos.  La Coru~na (A Corunha) ist
dann wieder huebsch und sehenswert, man kann am Rathausplatz einen
Zwischenstop zum Mittagessen einlegen.  Was man sich auf gar keinen
Fall entgehen lassen sollte ist, einmal auf dem Cabo de Finisterre
gestanden zu haben, das ist einfach ueberwaeltigend. Man spuert dort
die unermessliche, majestaetische Weite des Atlantik und gleichzeitig
meint man gleich hinterm Horizont Amerika zu erahnen - man moechte
sich fast auf die Zehenspitzen stellen um es zu sehen. Man kann die
mittlere Seegangsperiode auszaehlen, es sind ca. 12 Sekunden, offener
Atlantik, eben. Der Felsen ist so hoch, dass einem Schiffe wie
Spielzeug zu Fuessen liegen. Suedlich davon, also bis Vigo und
Portugal war ich nicht, aber man sagt diese Kueste sei sehr schoen und
malerisch. Es sind Fjorde wie in Norwegen, die Rias Gallegas.
Santiago de Compostela - ob man da vorbeischauen sollte ist eine
schwierige Entscheidung. Einerseits ist es das Mekka des Bau-Kitsches
der katholischen Kirche, und wenn man damit nichts am Hut hat geht
einem das maechtig auf den Sack. Andererseits ist es eine grosse
Universitaetsstadt, ein Grossteil der Bevoelkerung sind Studenten und
andere junge, akademische, links-intellektuelle oder sonstwie
interessante Leute, es ist also irgendwie eine Szene-Stadt, es gibt da
interessante Lokalzeitungen, und man bekommt viel politisches mit und
von diesem Spannungsfeld des galicischen Separatismus.  Es gibt da
nicht nur eine Organisationen wie ETA/RAF/IRA, sondern gleich 5. Die
einen wollen einen galicischen Staat und die anderen den Anschluss an
Portugal. Der Ministerpraesident, Fraga Iribarne, ist eine schillernde
Persoenlichkeit. Unter Franco war er schon Minister, und heute ist er
Busenfreund von Fidel Castro, dessen Vater ja auch aus der Gegend
stammt.  Fraga Iribarne hat ihm politische Asyl versprochen, falls es
ihm so ergehen sollte wie Erich Honecker.  In Santiago kannst Du alle
Fehler machen, nur einen nicht: iss da bloss keinen (halbrohen)
Tintenfisch, dann ist der ganze Urlaub im Eimer (wuerg-kotz).  Was
mich auch sehr beeeindruckt hat ist die noerdliche Meseta bei Nacht,
auf dem Weg von Leon nach Burgos. So eine absolut flache Landschaft
und eine so glasklare Luft garantieren einen Mondaufgang, den man fuer
den Rest seines Lebens nicht vergisst. Burgos ist aehnlich wie
Santiago de Compostela ein bedeutender Ort der spanischen
Geschichte. Und zwar im Zusammenhang mit dem Nationalhelden "El Cid",
der grosse Teile Spaniens vom Islam zurueckerobert hat. In Burgos
steht eine Reiterstatue von ihm, und man koennte ihn aehnlich wie
Hannibal, Alexander den Grossen, Attila und John Wayne :) als einen
Vorfahren der Biker ansehen :))) Naja, und solltest Du so aehnlich
fahren wie damals ich, also an der Kueste nach Westen und durchs
Landesinnere nach Osten zurueck, dann kommst Du oestlich von Burgos so
nach und nach in den Teil Spaniens, der von Autobahnen erschlossen
ist. Ich kann mich erinnern, dass die so traumhaft leer waren, also
zwischen Logro~no und Zaragoza, da muss man einfach aufdrehen und vmax
fahren. Da kann man noch echt fahren, in Deutschland kann man es
nicht.  Die Maut ist natuerlich aergerlich. Am einen oder anderen
Rastplatz gibt's auch das eine oder andere Loechlein im Zaun, aber
bevor man da auf dumme Gedanken kommt sollte man den Graben beachten.
Ich hab's versucht, so herum das Geld zu sparen, aber leider baumelten
in dem Scheiss-Graben beide Fuesse in der Luft, und die Karre kippte
in den Matsch.  Mit sehr starkem und lang anhaltendem Regen musst Du
auf der gesamten Tour rechnen, aber nicht so extrem wie in Norwegen,
also Badewetter gibt's garantiert auch. Ansonsten wuensch ich Dir viel
Spass.

Ciao.
   Henning