From: Markolf Gudjons, markolf@lfbs.rwth-aachen.de
Subject: Probefahrt CBR 900 RR
Date: Fri, 8 Mar 1996 14:06:39 +0100
Organization: RWTH -Aachen / Rechnerbetrieb Informatik

Fr., 8.3.96

Hi,

heute hatte ich Gelegenheit, bei Honda Steinmetz hier in Aachen die '96er
CBR 900 RR probezufahren. Im Gegensatz zu meinem TRX-Bericht von Mittwoch
erwaehne ich den Namen des Haendlers diesmal ganz bewusst. Dort wird man
naemlich nicht ne halbe Stunde wie doof im Laden rumstehen gelassen, wie
ein Bittsteller behandelt oder dumm von der Seite angemacht. Auf mein Interesse
an der FireBlade wurde mir sofort eine einstuendige Probefahrt angeboten. Wer
ne Honda hat und hier in AC zu einem anderen Haendler geht, hat entweder noch
nie bei Steinmetz vorbeigeschaut und ist total malle in der Birne...

Nun denn - die Maschine hatte offene Leistung und war ein wenig "aufgewertet":
getoente Scheibe (in Originalform) und Phoenix-Remus Verbund-Scheibenraeder.
Ansonsten original, Tachostand 330 km. Pirelli Dragon Bereifung. Das Wetter
war hervorragend; 10 Grad, Sonne, trockene Strassen.

Kaltstart wie erwartet problemlos, der Choke geht binnen Sekunden wieder auf
0. Vom Motor ist unterhalb 6000/min ausser dem typischen Steuerkettenpfeifen
quasi nix zu hoeren, der (sauber gefertigte) Edelstahlauspuff daempft alles
weg. Das lauteste Geraeusch im Leerlauf ist das typische Klappern der Kupplung.
;-)

Gang rein, Kupplung kommenlassen und aus der Tiefgarage heraus; alles
butterweich, man kommt auf Anhieb damit zurecht. Die Sitzposition ist sportlich
aber durchaus angenehm, etwas gewoehnungsbeduerftig ist nur der knackige Knie-
winkel. Die Sitzbank duerfte gerne 2-3 cm hoeher sein.

Zunaechst lasse ich sie im Stadtverkehr ein wenig warm werden. Der Motor ist
ab etwa 1500/min fahrbar, bis 3000 zieht er wie eine ganz normale 600er. Ueber
3000/min beisst das Triebwerk zu, 4000 Umdrehungen reichen fuer alle Einsatz-
zwecke vollkommen aus. Die Maschine laesst sich prima hin und her wedeln,
das geringe Gewicht kommt voll zur Geltung. Die subjektiv empfundene
Geschwindigkeit liegt geradezu gefaehrlich weit unter der tatsaechlichen, was
insbesondere dann zum Tragen kommt, wenn man den Fehler begeht, ueber 4000
Umdrehungen am Gas zu zupfen. Rechts drehen, schalten, freuen. Auf den Tacho
gucken. [SCHLUCK] 140! Bremsen. Keiner gesehen, Schwein gehabt...

Naja, halb so wild. Ab auf die Autobahn und mal gucken, was sich so tut. Auf
der Beschleunigungsspur Gas geben, umgucken, gleich ganz links rueber und
volle Lotte! Von 3000 - 6000 Umdrehungen zieht sie gleichmaessig los, legt
dann eine minimale Gedenkpause ein und schiesst ab 6500 wie wild in Richtung
roter Bereich. Selbst im dritten Gang wird das Vorderrad leicht, im 2. Gang
setzt sie bei 6500/min ganz von selbst zum Wheelie an. Ich verkrieche mich
hinter die bei hoeheren Geschwindigkeiten wenig Schutz bietende Verkleidung,
schalte Fernlicht ein und beobachte den Tacho. Bis 220 beschleunigt sie im
6. Gang sehr schoen, danach wird's dann etwas zaeher. Die maximalen
Fahrleistungen erreicht man wohl im 5. Gang. Ich habe es bei knapp 230 km/h
bewenden lassen, zuviel Verkehr. Ausserdem ist Bahnbrennen eh bloede...

Also runter von der Autobahn, auf der Verzoegerungsspur voll in die Eisen
und ran an die Kreuzung. Die Bremsen sind gut und standfest, aber
nicht wesentlich besser als die Brembo-Stopper der 1100 Sport. Wo wir gerade
bei den wirklich sehr wenigen Nachteilen der "Feuerklinge" sind: aufgrund des
geringen Gewichts, der sehr sportlichen Fahrwerksabstimmung und der steil
angestellten Gabel ist Kickback allenthalben spuerbar. Das Fahrwerk ist
wirklich mehr als stabil, aber die Abstimmung tendiert deutlich in Richtung
nervoes. Und wenn man wirklich gar nichts anderes zu meckern findet: der
Blinkerschalter laesst eine praezise Rastung vermissen und der
Fernlichtschalter ist noch bloeder angeordnet als bei Yamaha. Dass die CBR
ein wenig seitenwindempfindlich ist, erstaunt angesichts des geringen Gewichts
nicht.

Egal, rauf auf die Landstrasse. Interessant immer wieder die Gedanken, die
einem waehrend der Fahrt durch den Kopf gehen. Bei der CBR drehen sie sich
andauernd um die gleichen Dinge: "War das schon die Abfahrt?" "Ist die Ampel
da vorne eigentlich gruen?" "Warum eiert diese Dose hier so rum?". Auf der
1100 Sport spielte sich das Leben beschaulicher ab: "[boller][boller]..."

Nach einem kleinen Duell mit einer hoffnungslos unterlegenen 900 SS
(verschwindet schneller in den ausgezeichneten Rueckspiegeln, als man gucken 
kann), darf's ein wenig Kurven schwingen auf den kleinen, verwinkelten
Landstrassen noerdlich Aachens sein. Strecken, die mit der Guzzi viel
Spass gemacht haben, auch wenn man sich im legalen Bereich bewegte.
Wiederum verfuehrt die FireBlade staendig dazu, dass Gas anzureissen, an
den unmoeglichsten Stellen zu ueberholen, usw. Aber abgesehen davon laesst
sie sich wunderbar leicht und handlich durch kleine und grosse Radien
zirkeln, man kann stets mit einer Handvoll Gas herausbeschleunigen - es
macht einfach Spass. Die Dragons kleben wie Pattex, das Fahrwerk liegt
wunderbar stabil, und auch die Rueckmeldung von der Gabel ist trotz des
oft kritisierten 130er Reifens durchaus zufriedenstellend. Das Chassis ist
genauso gut wie das der 1100 Sport, wobei letztere stark in Richtung
stabiles Fahrverhalten und bombigen Geradeauslauf getrimmt wurde, waehrend
die FireBlade das andere Extrem besetzt - handlich, nervoes und dennoch
stabil. 

Die Zeit vergeht wie im Fluge, also zurueck zu Steinmetz. Noch ein paar Land-
strassen und Ortschaften (Schluck! 90?), dann wieder auf die Bahn und
volle Kanne zurueck nach Aachen.


Fazit: die FireBlade ist tatsaechlich ein so aussergewoehnliches Motorrad,
wie es die Zeitschriftentests suggerieren. Von der Verarbeitung und
insbesondere unter dem Gesichtspunkt der kompromisslosen Performance ist sie
mit Abstand das beste Motorrad, was ich bisher zu fahren das Vergnuegen hatte.
Die Kombination aus super Fahrwerk, kraeftigem Motor, ueberragender
Handlichkeit und kompromisslosem Fahrverhalten ist IMHO unschlagbar. Kein
Wunder, dass die CBR z.B. in England so unwahrscheinlich populaer ist.

Die Nachteile liegen auf der Hand. Geruhsames Ueberlandrollen ist durchaus
moeglich, verlaeuft auf der 'Blade aber mangels charakterstarkem Motor
bestenfalls ereignislos - manche wuerden sagen langweilig. Ganz klar - bei
beschaulicher Fahrweise macht ein kraeftig vibrierender und bollernder
Zweizylinder mehr Spass. Wenns dagegen ums Kurvenschwingen oder gar um
sportliche Fortbewegung geht, kommt die FireBlade in ihr Element und ihr
Reiter zu seinem Spass.

Praedikat: Fuehrerscheingefaehrdend!

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