From: Kristina Palz, eedkrp@aachen.ericsson.se
Subject: Urlaub /4.
Date: 10 Aug 1995 12:24:34 GMT
Organization: Ericsson Eurolab Deutschland GmbH


8. Tag
Darauf hat sich Hardy schon seit Wochen gefreut: das Stilfser Joch!

Jenes ist nicht allzuweit von unserer Pension entfernt, also starten wir erst 
am spaeteren Vormittag. Wir kommen an einer Tankstelle vorbei mit der
Aufschrift "Letzte Tankstelle vor Bormio" (welches sich auf der anderen Seite
befindet), ergaenzt durch das Schild "geschlossen". Hm, eigentlich wollten
wir noch tanken. Naja, bis rauf sollten wir locker kommen, bergab kann man
sich ja rollen lassen. Also fahren wir weiter, das erste Stueck haben wir
noch eine doppelt besetzte Harley (o.s.ae.) hinter uns. Hinter einer der
ersten Kurven taucht ein Laster vor uns auf. Die Strecke ist unuebersichtlich,
wir kommen nicht gleich vorbei. Mit dem Laster haben wir dann auch den
Chopper abgehaengt :-) Der erste Talabschnitt schlaengelt sich noch recht
gemuetlich dahin. 

Schon nach den ersten Serpentinen ahne ich, dass dies nicht meine Lieblings-
strecke werden wuerde: ansteigende Gerade, sehr spitze Kehre, ansteigende
Gerade. Ist nicht schoen zu fahren, selbst mit der XJ nicht. Ist mehr so
ein 'Herumwuchten'. Dass uns staendig Autos entgegenkommen, macht die Sache
nicht besser. Etwa auf halber Hoehe steht ein Gasthaus, da machen wir kurze
Foto-Pause. Waehrend Hardy mit dem Apparat loszieht, troeste ich mich mit
einem "Leckerchen" aus dem Tankrucksack - Stimmungsbarometer steigt wieder.

Der zweite Abschnitt bleibt so elend, wie der erste aufgehoert hat. Zur 
Abwechslung sind noch ein paar Autos und Wohnmobile (Hass!) vor uns. Wieso
fahren eigentlich bevorzugt Leute mit Diesel-Autos die Paesse hoch? Immer,
wenn ich beim Rasten den Helm abnehme, faengt Hardy an zu lachen, weil ich
schwarz im Gesicht bin ;-( Aber mit geschlossenem Visier zu fahren, kommt
auch nicht in Frage, ich gebe den Schmutz an mein T-Shirt weiter.
Aber ich bin zufrieden, trotz theoretischem Leistungsverlust in der Hoehe
kommt die XJ noch gut voran. Hardy vergnuegt sich auf den Geraden, stolz 
erzaehlt er mir, dass er auf den kurzen Abschnitten immer noch locker auf
120 beschleunigen kann. 

Oben angekommen, ist Aussicht geniessen angesagt. Man kann schoen die Strasse
sehen, mit saemtlichen Zick-Zack's. Um uns herum ist es ziemlich kahl und
oede, nicht sehr anheimelnd. Hochalpin halt ;-). Abgesehen von den ganzen
anderen Fahrzeugen, die jeden verfuegbaren Platz zuparken. 

Wir laufen ein Stueck rauf, mehr Autos, mehr Leute. Auf der einen Seite
stehen jede Menge Andenken-Laeden, es sieht aus wie an der Adria. Aber die
Temperaturen erinnern einen schnell daran, dass man sich auf 2.760m ueber
dem Meer befindet ... Hardy reicht das noch nicht, er will zu einer Huette
hoch laufen. In den Ledersachen macht mir Wandern keinen Spass, grossmuetig
erklaere ich mich bereit, Helme und Tankrucksaecke zu hueten. Ich kann mir 
ja zu Hause die Fotos ansehen ;-))) [Hab ich inzwischen auch gemacht, die
Passhoehe von oben betrachtet aehnelt einem Flughafen-Terminal ...]

Etwas angeschwitzt kommt Hardy nach einiger Zeit wieder an (ich habe solange
die restlichen Milchschnitten vertilgt) und wir bereiten uns auf die Abfahrt
vor. Beim Anlassen stellt Hardy fest, dass die Leerlaufdrehzahl der Ninja
auf 500rpm gesunken ist! Jaja, die Hoehenluft ...

Die Kehren bergab sind nicht gesichert, man kann ungehindert den Abgrund
betrachten, den man hinabkullern wuerde, wenn ... Diese Aussicht erzeugt eine
deutlich vorsichtigere Fahrweise :-) Die Suedrampe ist nicht so "kehrig" wie
die Nordseite, dafuer gibt es schmale, unbeleuchtete Tunnels mit eingebauten
Kurven! Ekliges Gefuehl, gluecklicherweise scheint die Sonne nicht so stark
wie sonst, wir sind nicht ganz so blind wie bei den bisherigen Tunnelein-
fahrten. Die Landschaft ist immer noch recht ungemuetlich, die Haenge sind
groesstenteils mit Geroell bedeckt. Weiter unten wachsen ein paar heldenhafte
Nadelhoelzer und begruenen so die Steinwueste ein wenig.

Die Tankanzeige naehert sich dem unteren Ende, langsam waere eine Tankstelle
ganz gerne gesehen. Obwohl, auf Reserve bin ich noch nicht, also keine Panik!
Wir kommen an eine Abzweigung und beschliessen, rechts abzubiegen, in der
Hoffnung, in den angekuendigten Doerfern Benzin zu kriegen. Fahr ... Nichts.
Tankstellen sind 1. rar gesaet und haben 2. seltsame Oeffnungszeiten. 
Schliesslich drehen wir um und werden auf einem schmalen (und deshalb auf 30
begrenzten) Strassenabschnitt fast von der oertlichen Muellabfuhr ueber den
Haufen gefahren - der Laster kam uns mit ca. 70 in der Mitte der Strasse
entgegen. Ich bin sauer, bloeder Idiot! Wir kommen wieder auf die Hauptstrasse,
hinter der naechsten Kurve steht ein Schild "Bormio 1km". Murphy eben ;-)

Hoffnungsvoll folgen wir dem Schild "Centro" und landen in einem Netz winziger
Einbahnstrassen. Der einzig legale Weg fuehrt uns zurueck auf die Hauptstrasse.
Der Ort sah ziemlich ausgestorben aus, nichts zu sehen von einem erhofften
Imbiss. Immerhin treffen wir bald auf eine Tankstelle. Hm, der 'Denzel' hatte
Recht mit der Sprachgrenze- die sprechen hier tatsaechlich Italienisch!
Nach einiger Kurverei finden wir einen Imbiss, der auch noch geoeffnet ist -
Hurra! Die Speisekarte ist auf italienisch, wir sind ein wenig verloren. Die
Auswahl ist auf die Sachen begrenzt, unter denen wir uns was vorstellen 
koennen. Wir entscheiden uns fuer Hamburger ;-)) Das naechste Problem ist
die Toilette - Mist, ich wollte doch noch ein Woerterbuch kaufen, bevor wir
losfahren. Hardy versucht als erster sein Glueck und kommt erleichtert wieder,
zwar nicht ganz sicher, ob er das richtige erwischt hat, aber egal. Ich gehe
rein und richte die fragenden Worte "La WC???" an die Kassiererin, nachdem 
nirgends Schilder zu entdecken waren. Sie will was sagen, ueberlegt es sich
aber und zeigt auf eine Tuer und dann nach hinten. Nun gut, ich gehe den
dunklen Flur entlang und oeffne auf gut Glueck eine unbeschriftete Tuer -
Treffer! Inzwischen sind zwei Colas an unserem Tisch gelandet, wir haben uns
draussen hingesetzt, um die Tankrucksaecke auf den Moppeds im Blick zu haben.
Die Glaeser erweisen sich als recht nuetzlich, um die Tischdecke am Wegfliegen
zu hindern - der Himmel ist grau und es ist windig. Zwei unterschiedliche
Broetchen gesellen sich zu uns, das eine ist auch trocken sehr schmackhaft.
Kurze Zeit spaeter werden uns zwei Frikadellen mit etwas Salat und Ketchup
serviert. Schade, die Broetchen gehoerten zum Baukasten fuer den Hamburger!
Aber der Hunger treibt's rein, auch wenn man meinen Hamburger bestenfalls
als 'Medium' bezeichnen konnte. Ich gebe mein letztes Viertel an Hardy, der
seinen Teil schon gegessen hat und jede Bewegung meines Broetchens verfolgt.

Mit dem letzten Bissen fallen die ersten Regentropfen, Mist. Ich werde zum
Bezahlen geschickt, Hardy beginnt schonmal mit dem Wendemanoever ;-))
Wir rechnen schon mit dem schlimmsten ("Bist Du schonmal im Schnee gefahren?")
und machen uns im flotten Tempo auf den Rueckweg. Gluecklicherweise ist die
Strasse trocken, es regnet nur im Tal. Im oberen Teil fahren wir die alte
Streckenfuehrung, GANZ enge Kehren garniert mit ein wenig Schotter und Kuh-
fladen. Leider sind die Autos genausoschnell aussenrum (da ist auch nur eine
grosse Kehre statt 3 oder 4 winzigen), wir haengen wieder dahinter. 
Ploetzlich gibt Hardy Gas und ueberholt. Fuer mich ist es da zu knapp mit
der halben PS-Zahl. Als er dann nicht auf mich wartet, sondern weiter
heizt, bin ich frustriert und sauer. Oben angekommen fragt Hardy, ob ich
nochmal anhalten will. Ich friere inzwischen und bin immer noch sauer und
sage nur "Wieso willst Du NOCHMAL anhalten?" Daraufhin sind wir beide sauer
und fahren schweigend den Berg runter. Unterhalb der Baumgrenze faengt es an
zu schuetten :-(( [Am Abend meinte Hardy dann, sein Motor haette Kuehlung
gebraucht, deshalb /musste/ er einfach schneller fahren! ;-)]

(Anm. Hardy:  Fahrtwind kuehlt doch, oder?  ;-)
)

Wir fahren eine Weile im Regen, ich friere noch mehr und aerger mich so 
still vor mich hin. Den restlichen Weg wechseln sich Sonne und Regen ab,
das letzte Stueck ist gluecklicherweise Sonne, so dass ich einigermassen
trocken ankomme. Hardy kauft unterwegs noch Erdbeeren ;-)))

Zurueck in unserem Zimmer sind wir dann insgesamt recht unterschiedlicher
Meinung ueber diese Tour: Hardy war begeistert von den hohen kahlen Bergen,
ich fand die Strecke aetzend zu fahren und empfehle sie hiermit NICHT!


(Anm. Hardy: Ich schon!!!)


...