From: Marc Luethi, marc@rrr.de
Subject: SW-II '99, oder der letzte Kreuzzug wider den heranrückenden Jahresabend
Date: Sun, 24 Oct 1999 23:38:36 +0200
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Hoi zäme!

Es begab sich vor langer Zeit, als sich das letzte Zehntel des
Jahrhunderts grad gehälftelt hatte, als vierzehn leicht schlotternde
Rittergestalten sich unweit flussaufwärts vom Rheinknie an der
dortigen Brücke einfanden, um miteinander einen Kreuzzug wider den
heranrückenden Jahresabend zu unternehmen. 

Sie zogen fröhlichen Mutes durch das südlich gelegene Bergland und
fanden vor dem Einnachten gar eine warm sprudelnde Quelle, um den
durchfrorenen dumpf schmerzenden Gliedern Linderung zu bringen.

Gemeinsam fanden sie sich dann im Landsitz eines ihrer Mitreiter ein
und genossen vorzüglich bereiteten Käse und frisch bereiteten
Fruchtsalat. Und während die älteren sich schon auf roten Betten sich
zur Ruhe legten, wussten sich die jüngeren noch mit allerlei
Ritterspielen mit Kissen und Matratzen zu Unterhalten.

Tags darauf beschlossen sie alle zufrieden, dass man fortan jährlich
dieses guten Gelingens des Kreuzzuges gedenken solle und ihn so
wiederholen solle. Und alle zogen sie wieder friedlich ihren
heimatlichen Gefilden entgegen.



Gar mancher Tag zog ins Land und verliess es wieder, die Kunde vom
"frohen Kreuzzug wider den heranrückenden Jahresabend" verbreitete
sich rasch. Und als die Zeit gekommen war, den ersten Jahrestag zu
begehen, trafen per Schnellkurier gar so viele Wünsche zur Teilnahme
beim gastgebenden Mitreiter ein, dass er sich gezwungen sah, nicht das
Landhaus  dafür zu benutzen, sondern dafür das verwunschene
Jagdschloss seines früheren Ordens für die Zeit des Kreuzzuges zu
pachten.

Und wieder kamen sie aus aller Herren Grafschaften und Gauen hinauf in
das Tal oder oberen Wyna. Gar manch einer war erstaunt ob der
Geschicklichkeit der berühmten Hufschmiede und Pferdezüchter in den
Nachbartälern, und und zollte auch dem altehrwürdigen Flussübergang in
der Leuchtenstadt den gebührlichen Respekt. Die warme Quelle sorgte
alsbald wieder für druchwärmte Glieder und verhalf so manchem zum
rechten Appetit für den Genuss des vom aus den fernen Bergen
angereisten Ritter mitgebrachten Käse.



Es zogen wieder ein Lenz und Sommer übers Land, und es kehrte der
Herbst mit seinen leuchtenden Farben ein, als die Kreuzritter sich
abermals im verwunschenen Jagdschloss ein, um für 2 Nächte dort zu
residieren und dem herannahenden Jahresabend zu trotzen. Dem Käse
wurde ebenso zugesprochen wie dem vergorenen Rebensaft und den
Getreidegtränken. Die Zahl der Mitreiter drohte schon den disponiblen
Platz im Jagdschlösslein zu übersteigen, und desen Pächter musste
schweren Herzens einigen mutigen Rittern abschlägigen Bescheid
erteilen. Und trotzdem schworen die Ehrenmänner und -frauen, dass sie
alle wiederkommen würden, um das Andenken des Kreuzzuges wider den
heranrückenden Jahresabend zu erhalten.



Im Jahre darauf, kamen die Ritter noch zahlreicher ins Jagschloss. Die
warme Quelle drohte ob ihrer schieren Zahl schon zu versiegen, und die
Reserven vom Gerstensaft waren allzu früh aufgebraucht. Aus Un- und
Übermut mussten die Köpfe der Mohren rollen und fliegen, während der
wack're Ritter aus dem Bergland wieder für gesättigte Mägen und rote
Häuter besorgt war.

Besorgt war auch der Pächter des Jagdschlosses und begann, ob der
seltsamen Vehikel auf dem Schlosshof, leise an der Ehrlichkeit der
"Kreuzritter wider den heranrückenden Jahresabend" zu zeifeln. Ihm war
es nicht mehr so sehr geheuer, ob die Ritter nun gekommen waren, den
Kreuzzug zu Ehren und sein Andenken hoch zu halten, oder ob sie doch
lieber einfach raufen, saufen und labern wollten.




Nach vielen Monden der Wartens und als sich das letzte Jahrzent des
Jahrhunderts sich ganz seinem Ende zu neigte, war der Pächter der
Jagdschlosses nicht sicher, wie er es halten sollte mit der Auswahl
der Ritter am Kreuzzug wider den heranrückenden Jahresabend. In langen
Nächten voller schwerer Gedanken besann er sich auf eine Liste derer,
die ihm tapfer, redlich und kältefest genug schienen. Er liess diesen
edlen Leuten per Schnellkurier die Aufforderung zukommen, mit ihm
gegen den heranrückenden Jahresabend zu ziehen, sich an der warmen
Quelle zu laben und sich zu erfreuen am gar köstlichen geschmolzenen
Käse.

Alle der hohen Herren und holden Damen zeigten sich erfreut ob der
Einladung und gar wenige sahen sich ausser Stande, dem Kreuzzug wider
den heranrückenden Jahresabend beizuwohnen. Einige jedoch bekundeten
hinderde Umstände oder mangelnde Fähigkeit, den langen Ritt
durchzustehen. Anderer Pferde verweigerten die Reise wegen
Verdauungsschwierigkeiten, und die Mitreiter entschieden sich alle für
die Anreise in der Kutsche.

Und dennoch geriet der Kreuzzug zu aller Freude ausserordentlich gut,
auch wenn 150 Mohren unverschuldet gemeuchelt wurden und ihre Köpfe
wieder ihrer Bestimmung vernichtet wurden. Die Bierquelle schien
dieses Jahr fast unerschöpflich und das gesellige Treiben bei der
warmen Quelle besonders gelungen und übewaus mit Sonnenschein gesegnet
war.

Mit Einbruch der Dunkelheit am letzten Tage des Kreuzzuges hatte der
Pächter mit seinen Knappen und Gesinnungsgenossen das Jagdschloss
schon wieder von den Spuren der Mohrenchlacht befreit und seinem
rechtmässigen Besitzer wieder übergeben.

Und doch beschloss er, dass es des Erinnerns nun genug sei. Bevor die
Erinnerung an die 15 glorreichen Ritter vollends verblasse, soll ein
neuer "Kreuzzug wider den heranrückenden Jahresabend" geführt werden,
unter Anführung eines jungen, kräfigen, unvebrauchten Ritters, mit
neuen Zielen und Gegnern in einem neuen Land...


Den hofberichterstatterischen Gruss aus dem Jagdschloss entbietet

Marc


-- 
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        "Opa's Ohrensessel mit 98PS und Verkleidung."
              (Helmut Wicht über die Varadero)