From: Ulli Linzen, ulli@susan.ucrc.org
Subject: EisenarschTours goes UK (lang!)
Date: 7 Aug 1999 20:42:50 GMT
Organization: UCRC

            * * * Der etwas andere Reisebericht * * *

Hallo,

wir haben gerade eine spassige Reise durch Mitteleuropa gemacht, ueber die
ich ein bisschen berichten moechte.

Da der folgende Reisebericht sehr lang ist, zuerst das Fazit:
die Reise war superlustig, problemlos und ereignisreich.
Sorry an alle Motorradfahrer, die wir nach hinten durchgereicht
haben, und an die Hinterbliebenen aller Autofahrer, die bei unserer
Durchreise einen Herzinfarkt erlitten haben. Und lieber Gott, vielen Dank,
dass du immer wieder regulierend eingegriffen hast, wenn alles andere nicht
mehr half.

Wir, das sind Gabriel "McCrab" Krabbe, Sabine (Gabes Freundin) und ich.
Unterwegs waren wir mit Gabes Suzuki DR 350 und meiner CX 500 als 
Lastesel.
Wegpunkte waren Muenchen - Leiden (nl) - Ipswitch (uk) - London - Calais -
Leiden - Rostock.

Wir starteten am Montag um 11 Uhr bei mir vor dem Haus, wo wir erstmal
die Guellepumpe so ueberluden, dass sie (Fahrer auf dem Tankansatz
klemmend) korrekt auf der Strasse lag, und ein deutlich zackigeres
Einlenkverhalten (bei leichter Pendelneigung) zeigte. Wir schafften es
aber tatsaechlich, das gesamte Gepaeck in drei Motorradkoeffer und zwei
grosse Reisetaschen, sowie einen auf den Tank gebundenen Rucksack zu
verpacken, wobei wir die Schlafsacke in Plastiktueten aussen an die
Koeffer schnallten. Auf gehts bis - Gabes Pager klingelt, in seiner
Firma ist die Hoelle ausgebrochen, Zwangsstop bei Debis Ismanning bis
17 Uhr.

Endlich geht es los, Landstrasse Richtung Nordwesten, bis die CX500 bei
Schwaebisch Hall auf einmal deutlichere Schwaechen beim Beschleunigen als
sonst zeigt. An der Tankstelle angehalten, und festgestellt, dass das Benzin
ungebremst durch den Vergaser auf die Strasse abfliesst. Hmm... Ein soeben
in der Schliessung seines Geschaeftes begriffener Motorradhaendler zeigte
uns, wie wir die haengende Schwimmernadel durch Oeffnen einer Vergaser-
schraube und Haemmern auf das Vergasergehaeuse wieder in ihre korrekte
Lage bringen koennen. Mittlerweile beherrsche ich das im Fahren.

Weiter ging es bis nach .. aeh .. Donaueschingen glaub ich.. jedenfalls
gab es da ein supergutes feines Hotel wo wir fuer 200.- (!) eine Suite
mit zwei Zimmern mieteten. Absolut preiswert das ganze, sehr zu empfehlen!
Die Adresse postet McCrab, wenn er wieder da ist.

Am naechten Tag ging es fruehmorgens um 10 nach vortrefflichem Fruehstueck
weiter durch das Main-, spaeter Rheingebiet, Richtung Holland. Immer auf
der Landstrasse. Es wurde immer flacher, und als sich die Farbe und
Beschriftung der Strassenschilder aenderte, merkten wir, dass wir in 
Holland angelangt waren. Das ist kein tolles Land zum Motorradfahren!
In Holland geht es nur geradeaus, und fuer Richtungswechsel benutzen die
Niederlaender Ecken. Das Konzept der Kurve ist bis Holland noch nicht
durchgedrungen. Darueberhinaus sind die Hollaender die mit grossem Abstand
schlechtesten Autofahrer die man sich vorstellen kann, sogar manche 
deutsche Blondinen fahren besser. Urploetzliches grundloses Bremsen,
Parkversuche auf der Ueberholspur und ansatzlose Richtungswechsel gehoeren
zum niederlaendischen Fahrstil wie der Burnout zu rrr.

Der einzige Vorteil, den die Geradeauslandstrassen haben, ist, dass zwei
Motorraeder nachts nebeneinander her fahren koennen, und so doch fuer
240 Watt Licht auf die Strasse bringen.
Wir kamen gegen Mitternacht (oder war es zwei?) in Leiden an, und wohnten
bei sehr netten Freunden von Gabe.

Am naechsten Tag dann die Bescherung! Ganz Holland ist voll von verrueckt-
gewordenen Radfahrern, die sich auf jeder ebenen Flaeche (also ueberall)
tummeln! Der arme Gabe, der erst kuerzlich von einem Radler von seiner
Virago (Gott hab sie selig) geholt worden war, drehte fast durch und war,
schon blutunterlaufene Augen und Schaum vor dem Mund, nur gewaltsam am
Amoklauf zu hindern.

Da abends eine fuer mich eher uninteressante Party in Leiden angesagt war,
machte ich mich nachmittags selbststaendig, um Freunde in Amsterdam zu
besuchen. Das ist eine faszinierende Stadt! Amsterdam verfuegt ueber
vier gleichberechtigte aber autarke Verkehrsnetze, naemlich Strasse,
Fahrradwege, Bus- und Tramstrassen (geteert!), sowie Kanaele. Und alle, bis
auf die Kanaele, kann man mit einem Motorrad sinnvoll benutzen. Eine Fahrt
durch Amsterdam ist ueberwaeltigend, die Stadt brodelt gereadezu von Leben.
Ich fuhr ein bisschen in der Innenstadt herum, schaute hier und da, bummelte
herum und beging uebungshalber ein paar Verkehrsvergehen.
Spaetnachts zurueck nach Leiden, denn die Faehre sollte am naechsten Tag um
7 Uhr frueh abfahren.
Unterwegs verlor ich in einem der endlosen Kreisverkehre meine Sturzbuegel,
habe aber anghalten und sie mitgenommen, dieses Stueck Motorrad reist per
Post nach Muenchen zurueck.

Die Faehre um 7 haben wir natuerlich verpasst, und sassen stattdessen um
14 Uhr immernoch in einem Cafe an einem Kanal in Leiden, um dann mit der
16 Uhr Faehre von Hoek van Holland nach Harwich in England zu fahren.
Die Faehre war ein Erlebnis, in meinen Augen riesig, mit Entertainment und
Luxus an Bord. Und dabei nicht mal teuer - ca. 200 DM kostete das Uebersetzen.
Laut GPS mit 80 km/h dampfte das Teul ueber die Nordsee, und vier Stunden
spaeter waren wir in Harwich. Von dort nach Ipswitch ist es eigentlich
ein Katzensprung, doch oweh! - der Linksverkehr!
Die Thommys fahren doch tatsaechlich bewusst und hartnaeckig auf der
falschen Strasenseite, und lassen sich auch durch halsbrecherische
Manoever nicht davon abbringen!
Das ist anfangs wirklich gewoehnungsbeduerftig, aber gluecklicherweise
konnten wir uns an einen Ortskundigen Motorradfahrer haengen, der uns
auch gleich die ortsueblich gefahrenen Tempi vorgab. Auf englischen
Strassen ist das ungefaehr die Zahl auf den Tempolimitschildern mal drei
in Stundenkilometern, wenn also 30 mp/h angezeigt ist, ist man mit 90 km/h
auf der sicheren Seite. Ab einer Ueberschreitung der Hoechstgeschwindigkeit
um das doppelte wird die Polizei nervoes, und weicht einem von hinten
herannahenden Motorradfahrer nicht mehr freiwillig aus.

In Ipswitch angekommen (Wegbeschreibung? Hmm.. Hah, Psion und Handy haben
wir dabei!) trafen wir einige niederlaendische und britische Bekannte (hallo
alt.fan.pratchett!), die uns den Weg nach Bury St. Edmunds zeigten, wo an
den drei darauffolgenden Tagen ein Clearcraft-Event, der eigentliche Grund
unserer Reise, stattfinden sollte.
Ich fuhr mit der voellig ueberladenen Guellepumpe mitten in der Nacht auf dem
Zeltgelaende herum, bis ich nicht nur einen geeigneten Platz fuer die
Haengematten, sondern auch den einzigen Fuchsbau auf dem Gelaende fand;
die Guellepumpe steckte aber so fest in dem Loch, dass ich mir das Wuchten
auf den Staender sparen konnte und das Motorrad in dem Fuchsbau uebernachten
liess.

Am naechsten Tag, nach entspannendem Schlaf in der Haengematte, fuhr ich
nach London, da mich der Event nicht so sonderlich interessierte. Die
zwei Tage in London waren eine harte Atacke der britischen Subkultur,
die ich nur muehsam lebend ueberstand; genauere Details spare ich mir an
dieser Stelle, die Highlights waren Reperatur einer Ratbike-Harley mit
Honda-Bordwerkzeug, gemeinsames Herbrennen der Polizei im Londoner
Stadtverkehr und naechtliches Speedboatfahren auf der Themse bei fortge-
schrittener Wahrnehmungsunfaehigkeit.

Am Sonntag dann habe ich Gabe und Sabine in Bury St. Edmunds wieder abgeholt,
und wieder ging es nach London. Ein weiterer Tag dort, fuer die ueblichen
Touristenattraktionen (naja, ich kannte die schon und bin lieber wieder
in der Subkultur abgetaucht..).

Nun muss ich mal was ueber die Thommys loswerden: Die Englaender sind
in meinen Augen die besten Fahrer der Welt. Sie fahren sportlich, schnell,
fair und mit grosser Uebersicht. Als Motorradfahrer wird man schon mal hupend
von der Spur gedraengt, wenn man seinen Gasgriff nicht findet, aber nie
unnoetig gefaehrdet. Und der Brite weiss auch genau, wann Schluss mit
lustig ist, und gentlemanliker Verzicht auf das eigene Recht angesagt
ist. Motorradfahrer fahren in London am sichersten zwischen, nicht
hinter den Autos, da sie dort am besten wahrgenommen werden koennen und
die Dosen von sich aus Gassen fuer Motorraeder zwischen den Autospuren
bilden.
Auf einspurigen Strassen ist die groesste Gefahr beim Fahren zwischen
Verkehr und Gegenverkehr die Begegung mit anderen Motorradfahrern, die
mit hoher Geschwindigkeit entgegenkommen. Und sogar die Polizei weicht
auf den Radweg aus, wenn sie einen Motorradfahrer von hinten heranschiessen
sieht; nur einen Polizeiwagen mussten wir anhupen, da die darinsitzende
Beamtin wohl biologisch bedingt weniger Uebersicht im Strassenverkehr
hatte (Blondine).

Weiter ging unsere Reise nach Dover, wo wir das Hovercraft nach Calais
nahmen. Wirklich beeindruckend, wie das riesige Luftkissenboot mit 30
Autos und 2 Motorraedern im Bauch mit ueber 100 km/h ueber das Wasser
donnerte! England-Frankreich in 35 Minuten, und nicht unspektakulaer!
Da es schon recht spaet war, machten wir uns sofort in Richtung Niederlande
auf, durchquerten Belgien (es sieht dort _wirklich_ so aus wie in Asterix
gezeichnet!), und hatten Nachts um eins bei Rotterdam die erste ernstere
Panne - bei der DR war der Gaszug gerissen (welch Wunder!), und wir mussten
anhalten. Die Sache wurde im Scheinwerferlicht der Guellepumpe auf dem
Seitenstreifen flugs repariert, hielt uns aber doch 30 Minuten auf; gegen
2 kamen wir dann wieder in Leiden an (also uebliche Ankunftszeit).

Am naechsten Morgen ein genuessliches Fruehstueck in einem Cafe bis spaet-
nachmittags, und schon ging es weiter Richtung Rostock.
Wir wollten dort abends gegen 22 Uhr ankommen, wobei sich bei einer Fahrstrecke
von fast 1000 km der Abfahrtszeitpunkt von 17 Uhr als zeitliche Fehl-
einschaetzung herrausstellte. Besonders der Verlust des rechten Kruemmers
der CX500 hielt uns noch eine halbe Stunde auf (ich habe jetzt eine
Trickducati - anyone in the mood for a sound contest?), und wir fuhren
stundenlang oestlich, bis wir morgens um 5 endlich im Ostseebad Rerik (bei
Rostock ankamen. Die letzten 200 Kilometer Dauervollgas auf der ostdeutschen
Landstrasse (zeahfix! ...wozu zahl ich eigentlich jahrelang Solidaritaets-
zuschlag fuer diese Frechheit von Strasse?), immer in der Hoffnung dass
nichts im Weg steht.. Aber wir sind angekommen, man _kann_ diese Strassen
tatsaechlich im RRR-Marschtempo fahren, und das letzte was wir sahen
war der Sonnenaufgang ueber der Ostsee.

Dann komaaehnlicher Schlaf bis nachmittags, und in Hamburg angerufen fuer
die Buchung des Autoreisezugs. Da ich ein Oberweicheiwarmschwuchtelduscher
bin, wollte ich nicht zwei Naechte hintereinander durchfahren, vor allem
da aus Sueddeutschland schlechtes Wetter drohte. Also den Autoreisezug von
Hamburg nach Muenchen reserviert, und sehr rechtzeitig Richtung Hamburg
losgefahren. Gabe und Sabine sind noch fuer einig Tage in Rerik geblieben.
Doch sooo einfach sollte es dann doch nicht werden! Gabe hatte naemlich
seinen Geldbeutel im Gepaeck vergessen, und schaffte es mich genau in dem
Moment per Handy anzurufen, als ich (mir war inzwischen das Benzin
ausgegangen) auf der allerletzten Reserve eine Tankstelle gefunden hatte.
Also den Geldbeutel hinterlegt, getankt, und mittlerweile war mein Zeitlimit
sehr geschrumpft. Die Strecke von Wismar nach Hamburg-Altona ist aber
auch auf einer reiseverkehrsverstopften B 105 und ohne Hamburger
Ortskenntnisse durchaus in 80 Minuten zu schaffen (auch auf einer CX500,
wenn man genuegend Gepaeck drauflaedt!), sofern man das Fahren in
England trainiert hat, und vor 130 km/h in der Hamburger Innenstadt nicht
zurueckschreckt.

Fahrkahrte abholen, ein kleiner Abschiedsburnout auf dem Bahnsteig, das
Motorrad auf den Zug verladen, und das wars dann..
Inzwischen ist die CX in der Werkstatt zwecks Ueberholung und
Durchchecken, und der Jeep ist beladen.. Spanien, ich komme!

Hasta la vista, nos vemos en octubre...

	Grusz,
		Ulli

P.S. Fotos folgen im Oktober, sofern, aeh, wenn ich aus Spanien zurueckkomme.

-- 
Honda CX500 Guellepumpe 17 Mm
                  "Ich krieg euch noch!" -E. Nockenfell