From: Olaf Erkens, O.Erkens@wiso.uni-dortmund.de
Subject: Zurueck vom Rand zum Jenseits
Date: Tue, 25 Aug 1998 03:38:22 GMT
Organization: Universitaet Dortmund - WiSo

Von den Schattenseiten eines schönen Schwedenurlaubs ...

*** Leicht philosophische Betrachtung ***

Ich hab ja immer gedacht, mir könnte sowas nicht passieren. Robuste
Gesundheit, gut abgehärtet, der freien Natur wohl gesonnen. Genieße
das Leben und wenn es zu Ende ist, dann war's das eben ...

Und dann passiert es doch. Plötzlich - unerwartet - aus heiterem
Himmel - man denkt an nichts Böses. In dir steigt eine fürchterliche
Panik auf, du fühlst dein letztes Stündlein nahen - in dir verkrampft
alles. Komischerweise weißt du genau, was da auf dich zukommt - mit
absoluter Sicherheit wird dir klar, daß es das gewesen sein könnte.
Und du willst nicht - du klammerst dich an dein jämmerliches Leben.

Du bist eigentlich bewußtlos, nicht ansprechbar. Und trotzdem arbeitet
dein Hirn auf Hochtouren - du kannst dich hinterher sogar daran
erinnern. Was du immer als unsinnige Phantasien abgetan hast, passiert
dir selber. Vor deinem inneren, geistigen Auge beginnt dein Leben im
Zeitraffer abzulaufen - mit einer irrsinnigen Intensität. Du siehst
Dinge, die du längst vergessen glaubtest, fragst dich, woher dein
Gehirn die Bilder nimmt. Die Perspektive ist irre - dein Hirn
produziert die Bilder, sieht sie gleichzeitig und denkt auch noch
drüber nach.

Irgendwann wurde dieser Film langsamer, hielt schließlich ganz an und
die Leinwand verblaßt. Der Geist schaltet ab und gibt sich der
Bewußtlosigkeit hin.

Ich habe es überlebt. Mein Dank gilt in erster Linie Rita, die
letztlich wahrscheinlich in ihrer Hilflosigkeit mehr gelitten hat, als
ich selber. Aber sie hat trotzdem schnell und einzig richtig reagiert,
indem sie ohne Zögern irgendwelche Nachbarn in ihren Hütten alarmiert
hat, die dann einen Notarzt anriefen. Ich möchte dies erst wieder in
vielen Jahren erleben - wenn es wirklich Zeit ist, zu gehen!

Ich hatte danach reichlich Zeit zum Nachdenken. Ich habe viel gedacht
- sehr viel. Sowas ändert die Sicht auf viele Dinge. Es krempelt
sicherlich nicht den ganzen Charakter um - aber - man lebt erst mal
nicht mehr so leicht vor sich hin. Man stellt sich die berühmte
Sinnfrage vielleicht doch zum ersten Mal ... richtig.

*** Was ist passiert? ***

Wir sind so auf dem letzten Kilometer Schotterweg zu unserer
Ferienhütte, wegen der vielen Schlaglöcher schön langsam. Das Visier
ist auf, ich saug die frische Luft tief ein und denk noch, die könnten
langsam mal wieder die Schlaglöcher ausbessern.

Da seh ich aus den Augenwinkeln so ein Riesenteil von Insekt auf mich
zuschießen - mach im Reflex die Augen zu. Daß Vieh verfängt sich im
Helmwinkel an der Schläfe, kommt nicht sofort wieder weg und sticht in
Panik zu. *autsch* Helm ab - aber da ist schon nix mehr. Komischer
Weise schwillt die Stelle mit dem Stich aber nicht an. Also Helm auf
und den Rest zur Hütte hoch. Holzbrettchen unter den Seitenständer,
Mopped abgestellt, Helm ab.

Mir wird fürchterlich schwindelig. Ich geh in die Knie. Binnen weniger
Sekunden bin ich am ganzen Körper klatschnaß. Der Puls rast, ich krieg
keine Luft, krieg grad noch die Lederjacke aus und klatsch dann lang
auf den Schotter. Danach nur noch der Film - in Realzeit wohl eine
halbe Stunde - für mich Jahre meines Lebens. 

Inzwischen muß das vollkommen aufgedunsene Gesicht blau und grün
geworden sein, der Körper wälzt sich auf der Suche nach einer Lage, in
der er Luft bekommt. Irgendwann hält einer meinen Körper fest, ein
anderer klappt die Augenlider hoch - irgendwas Kaltes stopfen sie in
die Nase. Ich nehm es schwach durch den Film wahr. Der Film hält
irgendwann an und verblaßt. 

Ich liege im Krankenwagen - an jedem Arm ein Infusion und der
Oberschenkel tut weh - da hat er mir die Spritzen reingejagt. Er
spricht mit mir - ich hab wohl auch geantwortet, weiß aber nicht mehr,
was. Der Wagen rumpelt los - ich sack wieder in Bewußtlosigkeit weg.
Irgendwann - Ruhe - aufgeregte Stimmen - ich lieg immer noch im
Krankenwagen. Der scheiß Motor von der Dose ist verreckt! Wieder weg
...

Es schaukelt - sie schaffen mich in den Ersatzwagen - schnaufen ganz
schön dabei. Wieder weg ... irgendwann Krankenhaus ... ich krieg
wieder etwas besser Luft ... irgendwann im Beobachtungszimmer auf der
Station ... ich friere fürchterlich ... Blutdruck weit unter allen
Normalwerten, Puls immer noch zu schnell. Irgendwann nach 3-4 Stunden
bin ich wieder halbwegs da. Rita ist da. Unvorstellbar, wie man sich
freuen kann, dieses Gesicht wieder zu sehen. Irgendwann schlaf ich
ein. 

Am nächsten Morgen müde, aber komischer Weise ziemlich fit, wenn auch
etwas wacklig auf den Beinen. Ich hab tierischen Hunger - aber es ist
erst 6 Uhr. Ich steh auf, zieh die immer noch klatschnaß geschwitzte
Lederhose an. Dieser scheiß batteriebetriebene Pulsmesser behindert
mich. Ich geh auf den Gang. Die Schwestern schauen mich an wie einen
Geist - sagen aber nix. Ich kann in ihren Gesichtern das Fragezeichen
sehen - kippt er um oder nicht? Er kippt nicht! Im Schwesternzimmer
kann ich auf dem Monitor meinen eigenen Puls beobachten. Irgendwann
zeigt der Monitor bei mir nix mehr an ... horch in mich rein ... nö -
schlägt noch - komische Gedanken - dann zeigt er wieder was an. Die
kurzen Unterbrechungen in der Anzeige sind wohl normal. Endlich gibt
Frühstück - die Schwester schiebt mir vorab schon mal was rüber. Als
ich die Stullen samt Nachschlag verdrückt habe (warum haben die
Schweden eigentlich in Krankenhäusern ordentliches Brot, in den
Bäckereien gibt es aber nur Schaumstoffbrot?) und den heißen Tee
schlürfe, fängt das Denken an ...

*** Medizinische Analyse ***

Als Reaktion auf Wespengift (es war vermutlich eine Hornisse)
Allergischer Schock mit schwerer Verkrampfung der Atemwege, in der
Folge Hyperventilation. Spätestens eine weitere halbe Stunde ohne
Medikamente wäre es das gewesen. Ich habe vorher außer den üblichen
Schwellungen nie Probleme mit Wespen- oder Bienenstichen gehabt. Die
heftige Reaktion erfolgte von heute auf morgen. Die landläufige
Meinung, daß die Reaktion nur so heftig ist, wenn man in Hals, Kopf
oder in der Nähe der Wirbelsäule gestochen wird, stimmt nicht. Die
Sympthome setzen dann nur schneller ein. Wer auf Wespengift allergisch
reagiert, der kann auch bei einem Stich in Arme oder Beine krepieren.

*** Technische Folgen für die Zukunft ***

Nie wieder alleine in freie Natur. Ständig 2 Ampullen mit "Säftchen"
dabei. Eine mit Colesterin drin - das andere mit einem Antihistamin.

*** Psychische Folgen ***

Es rumort in mir. Dieses Posting ist eine erste Reaktion. Ich muß es
los werden - sorry. Aber ich bin damit noch nicht fertig - wir werden
sehen ...

*** Warum ich euch das in epischer Breite erzähle? ***

Ohne Frage um mir selber zu helfen, aber vor allem auch, damit ihr die
Sympthome schnell erkennt und ihr schnell handeln könnt, falls euch
gleiches passiert. Ihr werdet nicht viel Zeit haben ...

Olaf
     sehr nachdenklich geworden


*********************  OLAF ERKENS  **********************
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