From: Schlagenhaft, Schlagenhaft@ei.tum.de
Subject: MMM Nachtfahrt nach Suedtirol: kein Sonnenaufgang, dafuer Muren
Date: 17 Aug 1998 11:06:04 GMT
Organization: [posted via] Leibniz-Rechenzentrum, Muenchen (Germany)

Hi!
Bericht von der Sa-Tour einiger MMM:
Siehe auch http://home.pages.de/~schlaggo/mmm/sarntal.htm
fuer Hoehendiagramm (insgesamt >10000m!), Karten und Bilder

Kein Sonnenaufgang am Penser Joch
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Um 1:50 Uhr klingelte der Wecker. Mein Hirn und Koerper waren
scheinbar gut vorbereit, denn das Aufstehen machte kaum
Schwierigkeiten. Dank den Vorbereitungen des vorigen Abends - sogar
die Videokamera war schon auf's Mopped montiert - musste ich nicht an
mehr Dinge denken als: Fruehstueck, Anziehen und Abfahren. Um 2:14 Uhr
verliess ich unseren Hof und dueste zwischen den Nachtschwaermern des
Muenchner Nachtlebens zu Manfred nach Ottobrunn. Dort standen er und
Andi schon und warteten auf mich. Manfred meinte: "Na, dann holen wir
jetzt Glen ab." Wie, Glen abholen? Weiss er denn nicht wo Manfred
wohnt? Das schon, aber er hatte es nachts nicht gefunden und hatte
darauf mit Manfred ueber's Tamagochi einen Treffpunkt am Ortsausgang
ausgemacht.

Wir pickten also Glen auf und ritten einsam durch Nacht und Wind unter
Manfreds Fuehrung in Richtung Sueden. Beim Losfahren an den wenigen
Ampelstops konnte ich mich jeweils an dem Triple-Wohlklang von Andis
T595 erfreuen, der dem der Sprint trotz unterschiedlichem Motor doch
recht aehnlich ist. Wir erreichten bald Kochel und pesten
verbotenerweise an einem Samstag den Kesselberg hoch, jedoch ohne
jegliche Angst, dass irgendwo Schnittlauch lauert. Bei Mittenwald
konnten wir dann erstmals die Berge gegen die ganz leicht aufkommende
Daemmerung erkennen. Im Dunkeln sehen die Gipfel gleich zweimal so
maechtig aus. Ausserdem stellten sich manche Lichtlein, die man zuvor
fuer einen der vielen Sterne gehalten hatte, als Berghuetten heraus.
Innsbruck umfuhren wir in ueblicher Manier ueber Axams und Goetzen.
Andi war begeistert von dieser Alternative, die er noch nicht kannte.
Dann scheuchten wir unsere vier Lichtkegel den Brenner hinauf, wieder
ohne jegliche Schnittlauchangst.

Am Grenzuebergang nach Italien wartete ein ganzes Aufgebot an
Carabinieri. Huch, wegen uns? Nein, wegen der Murenabgaenge am
Brenner. Ein kleiner italienischer Polizist mit schwarzem,
geschneckeltem Haar wollte uns nicht durchlassen und forderte uns auf,
ueber den Reschenpass auszuweichen. Autobahn, Landstrasse, Penser Joch
und Jaufenpass nach Bozen seien alle gesperrt. Was tun? Sollten wir
ihm etwa von unserem Vorhaben erzaehlen? Was haette er von vier jungen
Maennern gehalten, die sich in der Bergeinsamkeit gemeinsam den
Sonnenaufgang ansehen wollen? Besser nicht! Ich laberte statt dessen
davon, dass wir ja gar nicht nach Bolzano wollen, sondern nur in einen
Ort an der Nordauffahrt des Penser Jochs, von dem mir just gerade der
Name nicht einfiel, sowas aber auch. Er wollte uns immer noch nicht
durchlassen und sagte, wir sollen den doch besser ueber Reschen, Bozen
und Sarntal von Sueden anfahren. So ein Witzbold! Ich argumentierte,
dass es doch von Norden aus viel kuerzer sei und wir es doch zumindest
versuchen koennten. Wir wuerden ganz sicher auch bei der ersten
auftauchenden Mure umkehren und ihm auf dem Rueckweg ganz persoenlich
Bericht ueber die Strassensituation erstatten. Das Schlitzohr gab auf
und liess uns durch. Die Dosenfahrer in der Schlange guckten doof.
Bahn frei bis Sterzing!

Unten am Fuss des Brenners stand dann wieder ein Polizeiwagen mit
Blaulicht direkt auf der Kreuzung, an der wir rechts zum Penser Joch
abbiegen mussten. Manfred fuhr langsamer und ich betete, dass er nicht
anhalten wird, sondern einfach flott und entschlossen vorbeifaehrt.
Wir passierten das Polizeiauto, uff! 150m weiter hielten wir jedoch
kurz an und es stellte sich heraus, dass Andi inzwischen wirklich
dringend Sprit braucht, da sein Tankstopversuch am Brenner von Manfred
leider unbemerkt blieb. Manfred schlug vor, dass wir halt alle schnell
nach Sterzing reinfahren und tanken. Damit wir nochmal alle zweimal an
der Polizei vorbei muessen? Ohne mich! Ich ueberzeugte Manfred und
Glen, dass es besser ist, hier auf Andi zu warten.

Als wir das Penser Joch schliesslich in Angriff nahmen, entsprach der
Daemmerungsgrad ziemlich genau dem, den ich damals an Pfingsten auf
meiner Tour an den Gardasee hatte. Die Chancen standen als gut, dass
wir oben rechtzeitig ankommen wuerden. Ich setze mich bei der Abfahrt
nach vorne, weil ich mir die Fuehrung auf dem Kernstueck der Tour
nicht von der Fuehrungspersoenlichkeit Manfred nehmen lassen wollte.
Er schimpfte gleich: "Hey, warte!" Das war mir jetzt egal, ich fuhr
los. Das vom Morgentau oder Schmelzwasser feuchte Penser Joch ist
immer ein recht netter Fahrwerks- und Reifentest. Wir kamen hoeher und
hoeher und es wurde heller und heller. Ah, das Joch naht, nur noch die
letzte leichte Linkskurve und 400m geradeaus, dann sind wir da! Doch
was ist das? Ich seh nix mehr! Wo ist die Strasse? Wo sind die
anderen? Huch, ah, Nebel! Gerade noch rechtzeitig konnte ich den
Parkplatz erkennen, bevor es wieder bergab gegangen waere. Handi, Andi
und Glen tauchten auch bald auf, im wahrsten Sinn des Wortes. Nun, das
war also der beruehmte Sonnenaufgang am Penser Joch. Wir standen exakt
in der duennen Wolkenschicht. Darunter wars klar und nach oben konnte
man das Blau des Morgenhimmels erkennen, aber dort, wo sonst der
Horizont ist, war nur eine graue Wand.

Wir fruehstueckten im Stehen, dann fuhren wir mangels Sehenswerten
gleich weiter. Bei der ersten Rechtsserpentine auf der Suedrampe warf
uns die Wolke bereits wieder nach unten aus und der Blick ins Tal war
frei. Ich machte weiter mit meinem intensiven, schnellen Fahrwerks-
und Reifentest und erinnerte mich an das schlechte Fahrwerk und die
geringe Schraeglagenfreiheit meiner Virago zurueck. Gerade hier hatte
ich immer zu kaempfen. Mit der Sprint ist das Gott sei Dank anders. Am
Ausgang des Sarntals ueberliess ich an einer Baustellenampel wieder
Manfred die Fuehrung. Es eruebrigt sich zu sagen, dass uns natuerlich
immer noch keine einzige Mure den Weg versperrt hatte.

An der Abzweigung zum Ravensteiner Berg montierte ich wieder die
Videokamera. Sie war bald nach Muenchen unbrauchbar geworden, da sich
Kondenswasser gebildet hatte. Inzwischen war sie wieder trocken. Das
enge Bergstraesschen mit einer Maximalsteigung von 33% ist wirklich
nett. Ich konnte nur die ersten drei Gaenge verwenden und man sollte
sich tunlichst nicht verschalten. Das einzige Auto kam mir Gott sei
Dank an einer Ausweichstelle entgegen. Gegenverkehr sieht man sehr
spaet, da die Strecke sich lang zwischen zwei Meter hohen Stuetzmauern
von Weinbergen windet. Oben war dann kurze Lagebesprechung. Glen
brauchte nun eine Tankstelle. Wir fuhren also nochmal hinunter in
Richtung Bozen, diesmal auf der neuen Jenesier Bergstrasse. Inzwischen
leuchtete die Sonne ueber die Berge quer in die Galerien herein.

Nach dem Tanken verabschiedete sich Andi und half einem Fremden beim
Reparieren seiner Kuh. Danach wollte er zu Freunden am Gardasee
weiterfahren. Fuer Glen, Manfred und mich war Meran das naechste Ziel.
Jedoch benutzen wir nicht die Hauptstrecke im Tal, sondern die alte
Jenesier Bergstrasse und die Route oben ueber Moelten und Hafling.
Dabei kam ich mir als Vorausfahrender vor wie entgegen einer
Einbahnstrasse. Jede zweite Dose kam mir auf der engen Strasse auf
meiner Seite entgegen. Ich erklaerte es mir damit, dass es wohl lauter
Leute sind, die ihre Dose nur einmal in der Woche fuer den Weg in die
Kirche benutzen. Vor dem Gottesdienst gilt die Einbahnrichtung in
Richtung Kirche und danach entgegengesetzt.

In einem kleinen Cafe in Meran wurden wir mit "Guten Morgen"
begruesst. Das kam mir schon irgendwie seltsam vor, wo ich doch heute
Nacht in meinem eigenen Bett in Muenchen verbrachte hatte. Nach einem
Capuccino machten wir uns auf den Weg zum Schnalstal, einer von
Etschtal abzweigenden Sackgasse, an der man meist nur vorbeifaehrt.
Die Strasse hinauf nach Kurzras ist in weiten Boegen ausgebaut. Das
ist wohl ein angenehmer Nebeneffekt des oetzifundes oder des
Staudammbaus. Bei der Rueckfahrt zweigten wir auch noch in das
Pfossental ab. Dort war es so idyllisch und wir so muede, dass wir uns
entschieden, hier unser Mittagsnickerchen zu machen. Die Heuschrecken
zirpten, die Schmetterlinge flatterten und uns gings gut beim
Faulenzen in der Bergwiese. Aufgrund der inzwischen niederbrennenden
Sonne kam natuerlich bald Durst auf. Den stillten wir vor einem alten
Gasthaus. Dazu gab's Fritate Dolce (Kaiserschmarrn).

Wir dikutierten die Moeglichkeiten fuer die Heimfahrt. Es war nicht
einfach, sich zu entscheiden, da eigentlich ueberall mit starkem
Verkehr aufgrund der Brennersperrung zu rechnen war. Wir entschieden
und fuer's Timmelsjoch. Bis St.Leonhard floss der verkehr
einigermassen. Beim Anstieg auf's Timmelsjoch begann aber bald der
erste kleine Stau. Nach ein paar Kurven und einem Unfall floss es
wieder etwas zuegiger. In Gegenrichtung machten die Leute dagegen
inzwischen schon Picknick auf der Strasse. Nach der Haelfte der
Auffahrt wurde die Strecke wieder frei, es begann jedoch zu regnen.
Oben angekommen zogen wir unsere Regenklamotten an. An der Mautstation
war in unserer Richtung nur eine ca. 10 Dosen lange Schlange. Auf der
Nordrampe konnten wir jedoch bei der Abfahrt eine nette, 30km lange,
stehende Blechlawine bestaunen. Ich bewundere die Leidensfaehigkeit
von Dosentreibern. Leider war das ueberholen der wenigen Autos in
unserer Richtung aufgrund der vielen Fussgaenger auf der Strasse nicht
immer einfach. Zweimal riss Manfred der Gedulsfaden und er verschaffte
sich mit Dauerhupe Platz. Anschliessend brachte er mit Warnblinker
jeweils den Dosentreiber zum Stehen, wodurch es Glen und mir moeglich
war, leicht zu ueberholen.

In Laengenfeld goennten wir uns nochmal ein Pause in einem Cafe und
diskutierten den Heimweg. Wir entschieden uns fuer das Hahntenjoch,
hielten uns jedoch je nach Himmelfarbe auch den Weg ueber den
Kuehtaisattel noch offen. Als wir bei der Weiterfahrt an der Stelle
ankamen, wo eine endgueltige Entscheidung noetig wurde, meinte
Manfred, Kuehtai sei seiner Meinung nach doch die bessere Alternative,
da man dort keine Wolken sehen wuerde. Ich antwortete bloss: "Ja,
WOlken seh ich keine, aber doch wohl bloss, weil da ein Berg steht.
Aber meinetwegen!" Hahntenjoch waere eh murengefaehrdet gewesen. E
stellte sich jedoch bald heraus, dass es doch die falsche Entscheidung
war. Es begann heftigst zu hageln und wir fluechteten unter das
Vordach einer Scheune, als die Hagelkoerner begannen, die Strasse in
eine Rutschbahn zu verwandeln. Eine Gaudi war's trotzdem.

Die Weiterfahrt war dann von der Sorte "extreme Dusch-Das-ing". Mein
Radltacho war durch Wassereinwirkung schon am Timmelsjoch ausgefallen
und jetzt fing auch noch das GPS zu piepsen an und nahm keine
Tastenbefehle mehr an. Ich konnte es nicht einmal mehr ausschalten.
Bei unserem letzten Tankstop im Inntal nahm ich ihm einfach die
Batterien weg. Dort trafen wir auch noch einen Ducatisti aus Muenchen
mit Sozia, dessen Mopped streikte. Als wir oesterreich verliessen,
hoerte es auf zu regnen. Die letzten 100km nach Muenchen spulten wir
ohne besondere Vorkommnisse ab. Jeder hatte wohl nur noch seine
Dusche, eine Brotzeit und sein Bett vor Augen. Naja, mit dem Bett
wurde das bei mir dann doch nix, weil ich natuerlich gleich das
Videomaterial sichten musste.

Schlaggo

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