From: Radbert Grimmig, Radbert_Grimmig@hps.sesom.de
Subject: Megafete Nachbetrachtung
Date: Tue, 20 May 1997 18:02:00 +0200
Organization:

Mahlzeit.

Eins vorweg und auf die Gefahr, eine Lawine voellig ueberfluessiger "me  
toos" loszutreten:

Es war wunderschoen.
Ich war schon monatelang nicht mehr am Stueck so gluecklich wie in diesen  
vier Tagen.
Es war mir eine Ehre und ein besonderes Vergnuegen.
Danke schoen.

Ich hab schon mit M. drueber gesprochen: allein der Geruch dieses mit  
ueber hundert zum Teil noch knackheissen Moppeds belegten Parkplatzes ...  
dieses komische Gefuehl, unter Gleichgesinnten zu sein, denen das  
Motorradfahren genau so viel bedeutet wie mir. Vor denen man sich nicht  
dauernd entschuldigen muss ... wenn auch nicht explizit, so ist mir der  
Druck, dem ich von Seiten meines Umfelds deswegen ausgesetzt bin, erst  
durch sein Fehlen so richtig zu Bewusstsein gekommen.

Von den Leuten irl war ich zum allergroessten Teil auf das Angenehmste  
ueberrascht. Hab wohl auch die meisten getroffen, die ich mir unbedingt  
mal anschauen wollte - nur Fraeulein Trampler war ja leider abwesend ...  
(als der ovloV auf den Platz wummerte, dacht ich schon, O Herr Du meines  
Lebens, jetzt ist auch Janice gekommen ;-)

Die Kroenung _Christopher_Bartz_ . Wie ein Weihnachtsmann im Kaufhaus,  
nimmt er mit einer Engelsgeduld die schlangestehenden, quengelnden Baelger  
(wie mich) eins nach dem anderen auf den Schoss und laesst sich ihre  
Wuensche schildern: "Christopher, wie geht daaas? Christopher, was mach  
ich denn da? Christophaaeer"  und hat fuer jeden was auf Lager.  
Erstaunlich.

So. Und getz: was ist mir *nachher* passiert?!?

Heike draengelte schon seit einiger Zeit auf Abfahrt, M., Feti und Tore  
waren sich auch irgendwie nicht so recht einig, was sie denn eigentlich  
wollten. Ich wusste nur eins: keinen Meter Autobahn, _vor_allem_ nicht in  
der Gruppe ... dann ging ich ums Eck, Jacke und Helm holen, kam wieder,  
mich nach allen Seiten verabschiedend, und Heike und die anderen warn weg.  
Zusammen mit Heikes detailierter Karte und meiner Hoffnung, die Bahn  
irgendwie ganz vermeiden zu koennen ... was solls.

Also erst mal bis Alzey, da die paar km bis Bingen auf die Bahn und dann  
am Rhein entlang, bis nach St. Goar, wo ich die Faehre schon Freitag  
gebucht hatte ;-)

In Bingen an der Ampel: vorgedraengelt. Ausser mir steht da noch ein  
kleiner, fetter Mittvierziger mit seiner kleinen fetten Frau in ihren  
kleinen, fetten, nagelneuen, nietenbestueckten Fransenlederklammotten auf  
einer kleinen, fetten VN 15. Ich dreh den Kopf und sag "Mahlzeit", und er  
laest die Kupplung schnacken und der Gang war noch drin - plopp, aus. Beim  
Warten auf Gruen machts ploetzlich "VLOMM, VLOMM, VLOMM" von links - eine  
Mille GT, voellig verdreckt und total illegal, mit Sozia, in Jeans. Die  
Ampel wird gruen und er gewinnt das Stechen knapp, der kleine Fette landet  
weeeiiit abgeschlagen auf Rang drei. Hinterher winkt er mich vorbei -  
schade eigentlich, das Soundbad haett ich mir auch noch bis St. Goar  
angetan ...

Nach der Faehre den Helm wieder aufsetzend, drehe ich mich zum Fluss und  
seh einen Riesenfrachter, an dessen Bug steht: "ROSETTE". War aber gar  
nicht klein und rosa ... komisch ...

Und dann muss es irgendwann passiert sein. Ich erreiche diesen mystischen  
Zustand, in dem alles - Schmerzen, Durst, Hunger, volle Blase, Ueberleben  
des Motors, Haltbarkeit des Kofferhalters, empfindliche Dinge im Gepaeck -  
alles, alles zweitrangig wird und hinter die zwingende Notwendigkeit des  
_so_schnell_wie_moeglich_Weiterfahrens_ zuruecktritt. Zum Glueck hatte ich  
fast kein Geld mehr, sonst waer ich am Ende heute morgen in Frankreich  
wieder zu mir gekommen ...

So fuhr ich erst mal weiter am Rhein entlang nach Koblenz und dachte, von  
da bis in die Eifel ists dann auch nicht mehr weit ... doch je laenger ich  
fuhr, desto mehr stoerte der bohrende Gedanke, dass ich jetzt vier Tage in  
Worms, keine 50 km von Heidelberg, gewesen und trotzdem die kleine Julia  
nicht besucht hatte.

Am Ring war grade Rock gewesen, alles sah aus wie eine Riesenmuellhalde,  
und mir viel ein, dass sie mich mit der Texjacke vermutlich eh nicht  
drauflassen wuerden. Also in Adenau in die Telefonzelle - Auskunft, Nummer  
- "Hallo Julia ..." [kurzes Gespraech snip]
J: "Aber in der naechsten Stunde wirst Du ja nicht ankommen, oder?"

Eher nicht. Mayen - Hatzenport, Moselbruecke in Loef (wo ich von zwei  
anderen MF-Teilnehmern erblickt wurde), Hunsrueck-Hoehenstrasse, in  
Rheinboellen naechster Tankstop und auf die Bahn. Trotz Aergster  
Befuerchtungen kaum weniger Oel drin - ueberhaupt hat sich die Kleine  
wieder ueber alle Erwartungen tapfer geschlagen. Knapp vier Stunden nach  
dem Telefonat muss ich in Heidelberg angekommen sein.

Inzwischen hatte Julia allerdings erfahren, dass sie fuer das Testat in  
zwei Wochen noch etwa dreihundert Seiten Anatomie auswendig lernen musste;  
so wurde es ein kurzer Besuch, und kurz vor acht brach ich wieder auf.  
Immer schoen mit hundertzehn auf der Bahn, 297 km, ein Tankstop in Siegen,  
dreieinhalb Stunden - waer bestimmt noch etwas schneller gegangen, wenn  
ich in Roenkhausen schon aus dem Lennetal gefahren waer ... aber ich muss  
ja mitten in der Nacht in die Serpentinen, ich Depp ... dicke Haende hab  
ich jetzt. Und der Hinterreifen ist fast feddich.

Friede.
Gruss, Radbert