From: Juergen Ernst Guenther, muftix@asbach.noris.de
Subject: Re: Gesehen werden (Re: Neuer Ungluecksfall)
Date: 11 Apr 1997 08:00:05 +0200
Organization: Quell goettlicher Weisheit

Ralf Kleineisel  writes:

>Um Stoppies ging's auch nicht. Aber jeder Trottel kann ein Auto inner-
>halb eines kuerzeren Bremsweges zum stehen bringen (die haben ja heute
>alle ABS) als selbst ein ueberdurchschnittlicher Biker seine Maschine.

Die haben nicht alle ABS. Und ABS ist toedlich, wenn der Untergrund
und der Reifen nicht zusammenpassen. ABS ist naemlich nur im
Normalfall besser, weil man drauflatschen kann, und den Punkt nicht
suchen muss. Es ist _immer_ schlechter als eine Idealbremsung.
Und vor allem ist ABS nicht das magische Zauberwort.


>Und wenn das Mopped nicht genau geradeauslaeuft, wenn er bremst, dann
>geht's noch viel schlechter, dem Auto ist das wurscht, das macht so
>schnell keinen high(oder low)sider.

Bei den meisten Kreuzungen im Stadtverkehr gehe ich davon aus,
dass ich das Moped zum bremsen aufrichten kann, wenn ich nicht
eh schon fast aufrecht fahre. Bei Ueberlandkreuzungen kann ich
in der Regel recht schnell erkennen, ob ich mit einer Luecke
synchron werden kann, oder nicht.


>> KE = m * v^2. basta.

>Ich nehme an, du meinst die kinetische Energie:
>KE = 1/2 m * v^2. basta.

An meiner Kurve aendert das nix ( ausser der Beschriftung).


>Und dadurch, dass die Verzoegerungskraft ebenfalls etwa ~m ist, kuerzt
>sich's 'raus.

Denk mal nach.
Du nimmst stillschweigend an, dass alle anderen Randbedingungen
gleich sind. Sind sie aber nicht. Es ist mir durchaus klar,
dass ich mich mit dem Motorrad ausliefere, sobald ich auf
eine Notfallsituation mit Bremsen antworte, weil ich dadurch
eben meine eigentlichen Vorteile aufgebe. Aber zum Anhalten
an Kreuzungen gehoert eben mehr, als nur bremsen.

Hier einfach mal ein paar Facts:

 - Ein typischer Motorradreifen haftet ca. 2.5 mal so gut,
   wie ein typischer Autoreifen. Dafuer kann man mit dem
   Autoreifen auch fuenfmal so weit fahren, wobei natuerlich
   der Grip nicht besser wird.

 - Logischerweise ist es auch etwas leichter, die Bremse zu
   dosieren.

 - Das gilt natuerlich nicht in Kurven, wo eben diese Haftung
   schon anders gebraucht wird.

 - Bei 150 km/h kriegst du noch bequem eine AB-Ausfahrt, indem
   du an der 2. Barke das Gas wegnimmst. Mit der Dose musst
   du da schon ganz schoen reinlatschen.

 - Solange du nicht voll in den Eisen haengst (und der Motor sich
   noch nicht verschluckt hat), ist es mit dem Motorrad
   wesentlich einfacher, wieder Fahrt aufzunehmen, und die
   Situation zu klaeren.

 - Wenn du an Kreuzungen Notbremsungen vollfuehrst, machst du
   etwas falsch. In der Regel reicht es, sich einen Punkt zu
   waehlen, an dem man stehen muss, wenn sie Situation nicht
   anderweilig zu klaeren ist.

 - Das hat vor allem auch den Vorteil, dass dein Hintermann
   seltener in Versuchung geraet, dich ueber die Strasse zu
   schieben.

 - Diese Vorgehensweise ist mit dem Motorrad wesentlich geschickter,
   weil das Moped so bis zuletzt eine stabile=sichere Lage
   behaelt, die es beim Anfahren erst wieder gewinnen muesste.

 - Mit der Dose geht das natuerlich auch, nur liegt bei ihr
   auf Grund von Leistungsgewicht und Ausmassen der Point of no
   Return wesentlich weiter hinten. Das hat zur Folge, dass der
   Sichtpunkt eben oefters erst danach liegt, was ein verlustarmes
   Einfaedeln eben unmoeglich macht.

 - Wenn du erst mal stehst, ist die Zahl der Verkehrsteilnehmer,
   die du im Auge behalten musst, weil sie irgendwann in deine
   Naehe kommen koennten, deutlich groesser geworden.


Du siehst, zum Anhalten gehoert mehr, als in die Bremse latschen.


   .m.
-- 
muftix@asbach.nbg.sub.org            Brady's First Law of Problem Solving:
  When confronted by a difficult problem, you can solve it more easily by
reducing it to the question, "How would the Lone Ranger have handled this?"